Viele tote Sicherheitskräfte

​Taliban drohen mit «großem Krieg» 

Afghanische Sicherheitsbeamte versammeln sich am Tatort eines Selbstmordattentats auf dem berühmten Platz in Kunduz. Foto: epa/Stringer
Afghanische Sicherheitsbeamte versammeln sich am Tatort eines Selbstmordattentats auf dem berühmten Platz in Kunduz. Foto: epa/Stringer

KABUL: Die Frist für einen Abzug aller US-Streitkräfte aus Afghanistan rückt näher. Das beschäftigt auch die Taliban. Der Konflikt mit Afghanistans Regierung geht unvermindert weiter.

Die militant-islamistischen Taliban haben den USA erneut mit Eskalation gedroht, sollten ihre Streitkräfte nicht wie vereinbart aus Afghanistan abziehen. «Wenn das Doha-Abkommen aufgekündigt wird, wird dies zu einem großen Krieg führen, dessen Verantwortung voll und ganz auf den Schultern Amerikas liegen wird», hieß es in einem am Freitag veröffentlichten Meinungsartikel der Gruppe. Die Taliban reagierten damit auf einen Bericht einer Expertengruppe, die eine Verschiebung des Abzugs empfohlen hatten.

Das im Februar 2020 unter US-Präsident Donald Trump vereinbarte Abkommen mit den Taliban sieht einen schrittweisen Abzug aller internationalen Streitkräfte bis Ende April 2021 vor. Im Gegenzug verpflichteten sich die Islamisten unter anderem zu Friedensverhandlungen mit Afghanistans Regierung. Gleichzeitig garantierten die Taliban, dass sie keinen Anhängern anderer Terrororganisationen Unterschlupf gewähren. Die neue US-Regierung hatte angekündigt, das Abkommen auf den Prüfstand zu stellen. Am Donnerstag trafen sich der US-Sondergesandte für Afghanistan, Zalmay Khalilzad, sowie der neue US-Außenminister Antony Blinken.

Die Taliban hatten seit dem Abkommen zwar keine internationalen Soldaten mehr getötet, der Konflikt mit der vom Westen gestützten Regierung geht aber unvermindert weiter. Bei einem Talibanangriff in der Nacht auf Freitag wurden mindestens 16 regierungstreue Sicherheitskräfte getötet. Der Überfall erfolgte in der umkämpften Nordprovinz Kundus, wie Provinzräte übereinstimmend berichteten. Mehrere Stunden lang hätte die dem Inlandsgeheimdienst zugehörige Miliz den Kontrollposten verteidigt, bevor dieser schließlich überrannt worden sei. Waffen seien geplündert worden.

Diplomaten werfen den Taliban vor, ihren Verpflichtungen in dem Doha-Abkommen nicht gerecht zu werden. Die Taliban hätten anders als vereinbart weder das Gewaltniveau reduziert, noch echte Verhandlungen mit der Regierung aufgenommen, so der Vorwurf. Afghanistans Hoher Rat für Versöhnung veröffentlichte am Freitag eine Erklärung, in der Regierungsvertreter die Abwesenheit führender Taliban-Unterhändler bei den Verhandlungen in Doha bemängeln. Die Islamisten waren in der zweiten Verhandlungsrunde nach der Aufnahme der Gespräche im September teils auf diplomatischen Reisen in Teheran und Moskau.

Die USA hatten kurz vor Amtsantritt des neuen Präsidenten Joe Biden ihre Truppenstärke in Afghanistan auf 2500 reduziert, einen historischen Tiefstand seit ihrem Einmarsch 2001. Damals hatte eine US-geführte Militärinvasion nach den Al-Kaida-Anschlägen vom 11. September in den USA der Taliban-Herrschaft in Afghanistan ein Ende gesetzt.

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Rolf W. Schwake 18.03.21 14:50
Frieden in Afghanistan?
Es stellt sich eigentlich eine grundlegende Frage: Ist ein stabiler Frieden in Afghanistan überhaupt möglich? Wer sich ein wenig mit der dortigen Geschichte beschäftigt, wird schnell feststellen, daß dieses Land zerrissen und aufgeteilt ist unter mächtigen Clans und Warlords, die sich gegenseitig bekämpften und nur durch einen erklärten "gemeinsamen Feind" von außen (temporäre) Einigkeit fanden. Das mußten die Briten feststellen, als sie von Indien aus in ca, 100 Jahren dreimal (!) versuchten, sich auch Afghanistan einzuverleiben, Sie haben jedes Mal verloren. Die Sowjets konnten sich in diese Liste der Quasi-Okkupanten einreihen - ihre Erinnerungen an die 1980er sind nahezu traumatisch. Und jetzt die USA und die Nato, denen es nicht besser ergehen wird, wenn sie so weiter machen wie bisher. Wir erinnern uns aber auch an die menschenverachtende Zeit vor 2001, als die Taliban ganz Afghanistan mit unvorstellbarer Grausamkeit und Intoleranz überzogen. Frieden wird es dort nie geben. Es stellt sich allerdings auch die Frage, ob wir den Menschen dort die bereits bekannte Gangart der Rache und unvorstellbare Grausamkeit durch die Taliban zumuten dürfen, Die geschundenen Einwohner sind auch nur Menschen auf diesem Planeten. Wenn man das Land also befrieden will, dann entweder ganz oder gar nicht.
Volker Schacht 06.02.21 15:37
Deal
Wer glaubt man könne mit fundamentalistischen Terroristen einen Deal machen den diese dann auch einhalten, der glaubt auch die Erde ist ne flache Scheibe.
Dieser Riesenfehler des "großen dealmaker" wird die Welt noch lange in Atem halten.
Zwar bin ich der Meinung man hat sich aus anderer Leute Angelegenheiten herauszuhalten (was hat die NATO mit Afghanistan zu tun?) Aber wenn es um die Sicherheit der NATO-Staaten vor Terrorismus geht sieht's anders aus.
Ingo Kerp 06.02.21 12:52
Nach dem Abzug der intern. Streitkräfte in diesem Jahr, Ende April 2021, dürften die Taliban fast am Ziel sein. Es wird sich zukünftig kein Land der Welt mehr in Afghanistan als Friedenstruppe finden lassen. Damit koennen die Taliban Afghanistan zum ersten Land mit Schariarecht als Kalifat ausrufen.