Trauer um Wilhelm Wieben

«Tagesschau»-Sprecher und Einzelgänger

HAMBURG (dpa) - Im Video zu Falcos Skandalsong «Jeanny» war er als Nachrichtensprecher zu sehen, auch Udo Lindenberg verewigte ihn in einem Lied. Millionen Fernsehzuschauer kannten Wilhelm Wieben als Sprecher aus der «Tagesschau».

Selbst noch Jahre nach dem Beginn seines Ruhestands wurde Wilhelm Wieben auf der Straße erkannt. «Aber wenn man mich anspricht, ist das immer sehr maßvoll», erzählte er einmal. Der distanziert wirkende, hagere Mann war nicht der Typ, dem man mal eben kumpelhaft auf die Schulter klopfte. Auch wenn sein Gesicht und seine Stimme vielen Zuschauern noch vertraut waren. Mehr als ein Vierteljahrhundert lang hatte Wieben die «Tagesschau» als Sprecher präsentiert. Im Alter von 84 Jahren starb er am Donnerstag in Hamburg.

«Wilhelm Wieben gehörte zu den prägenden deutschen Fernsehpersönlichkeiten, immer freundlich, zugewandt und nah bei den Zuschauerinnen und Zuschauern», sagte NDR-Intendant Lutz Marmor am Donnerstag. Er habe die «Tagesschau» über Jahrzehnte geprägt. «Stets seriös, kompetent und hoch professionell.»

Der «Tagesschau»-Redaktion in Hamburg gehörte er schon mehrere Jahre als Off-Sprecher an, bevor er von 1973 bis 1998 regelmäßig vor der Kamera zu sehen war. Zu seinen schönsten Momenten habe gehört, verkünden zu können: «Guten Abend, meine Damen und Herren, Deutschland ist Fußball-Weltmeister.» Zu den traurigsten Augenblicken zählten für ihn jene, in denen er den Tod von Menschen mitteilen musste, mit denen er selbst verbunden war, etwa Schauspielerin Brigitte Horney.

Auch Wieben hatte einst Schauspiel studiert und stand später unter anderem in der Hamburgischen Staatsoper und im Schmidts Tivoli auf der Bühne. Leidenschaftlich gern besuchte der Plattdeutsch-Autor Theatervorstellungen, oft zusammen mit Dagmar Berghoff, die als erste weibliche Sprecherin in die «Tagesschau»-Geschichte einging.

Mit Berghoff traf er sich nicht nur zu regelmäßigen Rummikub-Partien, sondern trat mit ihr und dem Ex-«Tagesschau»-Kollegen Jo Brauner bei Lesungen auf. Als «total kompromisslos» beschrieb Berghoff ihn einmal, und Wieben pflichtete ihr bei: «Ich bin auch ein Einzelgänger», erzählte der gebürtige Dithmarscher, «deshalb ist selbst die Zeit mit Freunden limitiert.»

Den Wunsch nach Ehe oder Kindern habe er nie gehabt, sagte Wieben, über dessen Homosexualität seine Freundin Inge Meysel (1910-2004) 1995 in einem Interview erzählte: «Eigentlich habe ich nur schwule Freunde. Ich verreise zum Beispiel gerne mit Wilhelm Wieben», sagte die Schauspielerin. Die Reaktionen danach seien einhellig positiv gewesen, berichtete Wieben später. Der «Stern» habe sich kurz vor der Veröffentlichung bei ihm gemeldet, um zu fragen, ob es in Ordnung gehe, das Interview so zu veröffentlichen, erzählte Wieben mal dem «Hamburger Abendblatt». «Und da hab' ich "Ja" gesagt. Hätte ich das nicht getan, hätte ich mir das nie verziehen. Ich wollte mich nicht selbst verleugnen.»

Nach seiner letzten «Tagesschau» blieb Wieben konsequent: «Es war für mich eine wunderschöne Berufszeit. Aber wenn es vorbei ist, ist es vorbei.» Genauso entschlossen beendete er später seine Arbeit, die er mit Lesungen und Hörbüchern fortgesetzt hatte. «Als ich feststellte, ich habe gar keine Lust mehr dazu, war das ein Warnschuss», erzählte er. «Man muss dann eben auch - wenn man das finanziell kann - einen Schlussstrich ziehen.»

Der Mann, den mehrere Musiker in Songs verewigten - Falco («Jeanny»), Udo Lindenberg («Mein Ding») und die Band Fettes Brot («Können diese Augen lügen») - war ein Klassikliebhaber. Und ein Spieler, wie er verriet. «Spielcasinos meide ich, weil ich weiß, dass ich da sehr gefährdet bin. Ich war mal in so einer Situation, in der ich zwar nicht viel verloren habe, aber einiges dafür gegeben hätte, noch mehr Geld zu haben.»

Er genieße die Zeit jetzt, sagte Wieben kurz vorm 80. Geburtstag. Bevorzugt verbrachte der Sammler wertvoller Porzellanfiguren sie allein in seiner hellen Wohnung mit üppig grünenden Dachterrassen im Hamburger Stadtteil Winterhude.

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