Deutschland feiert - und sorgt sich um Unterschiede

​Tag der Einheit 

Tag der Deutschen Einheit. Foto: epa/Johannes Stein / Pool
Tag der Deutschen Einheit. Foto: epa/Johannes Stein / Pool

Tag der Einheit: Merkel fordert Einsatz für die Demokratie

HALLE: Auch 31 Jahre nach der Vereinigung von DDR und BRD klafft noch vieles in Ost und West auseinander - wirtschaftlich und politisch. Die Politik sieht Grund zum Feiern, aber auch Anlass zu Mahnungen.

Zum Tag der Deutschen Einheit hat Bundeskanzlerin Angela Merkel einen andauernden Einsatz für die Demokratie gefordert. «Demokratie ist nicht einfach da. Sondern wir müssen immer wieder für sie miteinander arbeiten, jeden Tag», sagte die CDU-Politikerin beim Festakt am Sonntag in Halle an der Saale. Bundesratspräsident Reiner Haseloff (CDU) warb für gemeinsame Projekte, um Ost und West zusammenzuführen, denn: «Mental und strukturell ist die Einheit noch nicht vollendet».

Nach einer friedlichen Revolution in der DDR im Herbst 1989 hatte sich der ostdeutsche Staat am 3. Oktober 1990 mit der Bundesrepublik vereinigt. Trotz milliardenschwerer Investitionen und großer Fortschritte im Zusammenleben sind Einkommen und Renten in beiden Teilen des Landes immer noch unterschiedlich. So verdienten Vollzeitbeschäftigte 2019 in den östlichen Bundesländern nach Angaben der Bundesregierung im Mittel knapp ein Viertel weniger als in den westlichen. Der Rentenwert soll erst 2024 gleich sein.

Auch die Ergebnisse der Bundestagswahl am 26. September klafften auseinander, nicht nur für die etablierten Parteien CDU, SPD, Linke, FDP und Grüne. In Thüringen und Sachsen war die rechtspopulistische AfD stärkste Partei geworden, während sie im Westen vielerorts schwächer wurde und nur einstellige Stimmenanteile hatte.

Bei einem Gottesdienst zum Auftakt der Feiern in Halle mahnte der katholische Magdeburger Bischof Gerhard Feige zur Widerständigkeit gegen populistische Kräfte und zu einer «Kultur der Wachsamkeit». Komplizierte Probleme ließen sich nicht mit «hohlen Phrasen oder markigen Parolen» lösen.

Auch Bundeskanzlerin Merkel sagte, manchmal werde mit den demokratischen Errungenschaften etwas zu leichtfertig umgegangen. In dieser Zeit seien zusehends Angriffe auf so hohe Güter wie die Pressefreiheit zu sehen. Zu erleben sei eine Öffentlichkeit, in der mit Lügen und Desinformation Ressentiments und Hass geschürt würden. «Da wird die Demokratie angegriffen», sagte Merkel. Der gesellschaftliche Zusammenhalt stehe auf dem Prüfstand.

Die Kanzlerin verwies auch auf Angriffe auf Menschen, die sich für das Gemeinwohl einsetzten wie Feuerwehrleute und Kommunalpolitiker. «Die verbale Verrohung und Radikalisierung, die da zu erleben sind, dürfen nicht nur von denen beantwortet werden, die ihr zum Opfer fallen, sondern müssen von allen zurückgewiesen werden.» Denn allzu schnell mündeten verbale Attacken in Gewalt.

Haseloff, Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt und derzeit Präsident des Bundesrats, sagte: «Es bestehen nach wie vor zum Teil große politische Unterschiede zwischen Ost und West.» Das habe sich zuletzt im Wahlverhalten bei der Bundestagswahl gezeigt. Ein starker Zusammenhalt könne sich auch aus gemeinsamem Zielen ergeben. «Keinesfalls dürfen wir uns in diesen schwierigen Zeiten gegeneinander ausspielen lassen», sagte Haseloff.

Haseloff erinnerte an die Brüche, die viele ehemalige Bürger der DDR nach der Vereinigung zu verkraften hatten, vor allem den Verlust von Arbeitsplätzen. Zugleich merkte er an, die Erfolgsgeschichte der friedlichen Revolution in der DDR werde nicht genug gewürdigt. Sie tauge durchaus zum «Gründungsmythos des vereinigten Deutschlands».

Auch die beiden Kanzlerschaftsanwärter Olaf Scholz (SPD) und Armin Laschet (CDU) waren in Halle. Scholz schrieb vorab auf Twitter: «Heute sind wir ein Land, trotzdem bleibt viel zu tun - wir brauchen gleiche Gehälter, Renten, Perspektiven. Das schaffen wir nur, wenn wir auf Gemeinsamkeiten setzen.»

Wegen der Pandemie fehlte das bis 2019 übliche Bürgerfest, ähnlich wie schon 2020 in Potsdam. Jedoch waren mehrere Demonstrationen angemeldet. Die Polizei hatte bis zu 2600 Beamten im Einsatz. Ein Bündnis gegen Rechts hatte darauf hingewiesen, dass rechte Gruppierungen vor den Feierlichkeiten ihre Anhänger mobilisierten. Zunächst versammelten sich rund 500 Menschen zu einer Kundgebung gegen Rechtsextremismus. Zwischenfälle wurden zunächst nicht bekannt.


Tag der Einheit: Deutschland feiert - und sorgt sich um Unterschiede

HALLE: Auch 31 Jahre nach der Vereinigung von DDR und BRD klafft noch vieles in Ost und West auseinander - wirtschaftlich und politisch. Die Politik sieht Grund zum Feiern, aber auch Anlass zu Mahnungen.

Eine Woche nach der Bundestagswahl hat Deutschland am Sonntag die Vereinigung des Landes vor 31 Jahren gefeiert. Bei einem Gottesdienst zum Auftakt des Jahrestags in Halle an der Saale mahnte der katholische Magdeburger Bischof Gerhard Feige zur Widerständigkeit gegen populistische Kräfte und zu einer «Kultur der Wachsamkeit». SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz forderte auf Twitter eine weitere Angleichung der Lebensverhältnisse in Ost und West.

Nach einer friedlichen Revolution in der DDR im Herbst 1989 hatte sich der ostdeutsche Staat am 3. Oktober 1990 mit der Bundesrepublik vereinigt. Trotz milliardenschwerer Investitionen und großer Fortschritte im Zusammenleben sind Einkommen und Renten in beiden Teilen des Landes immer noch unterschiedlich. So verdienten Vollzeitbeschäftigte 2019 in den östlichen Bundesländern nach Angaben der Bundesregierung im Mittel knapp ein Viertel weniger als in den westlichen. Der Rentenwert soll erst 2024 gleich sein.

Auch die Ergebnisse der Bundestagswahl am 26. September klafften auseinander, nicht nur für etablierten Parteien CDU, SPD, Linke, FDP und Grüne. In Thüringen und Sachsen war die rechtspopulistische AfD stärkste Partei geworden, während sie im Westen vielerorts schwächer wurde und nur einstellige Stimmenanteile hatte.

Bischof Feige sagte in dem Gottesdienst, den Christen, Juden und Muslime gemeinsam feierten, populistischen Kräften müsse man kritisch und widerständig begegnen. Komplizierte Probleme ließen sich nicht mit «hohlen Phrasen oder markigen Parolen» lösen.

Der Geistliche sprach auch von Abgründen, die er nicht mehr für möglich gehalten hätte. Er fürchte weniger eine «Überfremdung von außen» als eine «Entmenschlichung von innen». Eine «Kultur der Wachsamkeit» gelinge nicht nur durch Gesetze und Vorschriften. Es brauche positive Grundüberzeugungen und ein solidarisches Miteinander.

An dem Gottesdienst nahmen auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Bundeskanzlerin Angela Merkel teil. Geplant war anschließend ein Festakt in der Händelhalle in der Saalestadt, bei dem auch Merkel sprechen sollte. Die aus Ostdeutschland stammende Kanzlerin will nach 16 Jahren ihr Amt abgeben, sobald eine neue Bundesregierung gebildet ist.

Auch die beiden Kanzlerschaftsanwärter Scholz (SPD) und Armin Laschet (CDU) waren in Halle. Scholz schrieb vorab auf Twitter: «Heute sind wir ein Land, trotzdem bleibt viel zu tun - wir brauchen gleiche Gehälter, Renten, Perspektiven. Das schaffen wir nur, wenn wir auf Gemeinsamkeiten setzen.»

Für die Bevölkerung bleibt wegen der Pandemie das bis 2019 übliche große Bürgerfest aus, ähnlich wie schon 2020 in Potsdam. Jedoch sind mehrere Demonstrationen angemeldet. Die Polizei ist mit rund 2600 Beamten im Einsatz. Ein Bündnis gegen Rechts hatte darauf hingewiesen, dass rechte Gruppierungen vor den Feierlichkeiten ihre Anhänger mobilisierten. Am Vormittag war laut Polizei aber alles ruhig.

Zum Tag der Deutschen Einheit schrieb der russische Präsident Wladimir Putin an Merkel und Steinmeier und warb um Zusammenarbeit trotz politischer Spannungen. Den Interessen des russischen und des deutschen Volkes sei am besten gedient, wenn sich die bilaterale Zusammenarbeit konstruktiv entwickle, schrieb Putin.

Überzeugen Sie sich von unserem Online-Abo:
Die Druckausgabe als voll farbiges PDF-Magazin weltweit herunterladen, alle Artikel vollständig lesen, im Archiv stöbern und tagesaktuelle Nachrichten per E-Mail erhalten.