«SZ»-Journalisten: Strache-Lockvogel erhielt kein Geld für die Falle

WIEN/MÜNCHEN (dpa) - Rund 100 Tage nach Veröffentlichung des Ibiza-Videos, das zum Sturz der österreichischen Regierung führte, liefern die Aufdecker neue Details. Der Hauptakteur sieht sich nun teilweise entlastet.

Der weibliche Lockvogel im «Ibiza-Video», das zum Rücktritt des damaligen österreichischen Vizekanzlers Heinz-Christian Strache (FPÖ) führte, hat kein Geld für die Falle bekommen. Das schreiben die beiden Journalisten Frederik Obermaier und Bastian Obermayer in ihrem neuen Buch «Die Ibiza-Affäre» (Verlag Kiepenheuer & Witsch), das am Donnerstag erscheinen wird.

Die beiden Investigativjournalisten der «Süddeutschen Zeitung» berichten in dem Buch von einem Treffen mit der Frau. «Wir können sagen, dass sie uns - entspannt und glaubhaft - versichert, gewusst zu haben, worauf sie sich einlässt, nicht erpresst worden zu sein und auch kein Geld bekommen zu haben», heißt es in dem Buch. Sie sei zudem erstaunt gewesen, wie leichtfertig Strache und sein FPÖ-Parteifreund Johann Gudenus ihr Dinge anvertraut hätten, die die beiden in enorme Schwierigkeiten bringen könnten.

Strache und Gudenus waren im Sommer 2017 auf Ibiza in eine Falle getappt und wurden bei einem stundenlangen Gespräch mit einer vermeintlichen russischen Oligarchen-Nichte gefilmt. Der «Spiegel» und die «Süddeutsche Zeitung» veröffentlichten am 17. Mai Teile der Aufnahmen, in denen Strache über möglicherweise illegale Parteispenden und politische Einflussnahme spricht. Wie Obermaier und Obermayer in «Die Ibiza-Affäre» schreiben, sei eine Investition der Russin in die einflussreiche «Kronen-Zeitung» das Hauptgesprächsthema gewesen. Von dort hätte sie die FPÖ medial unterstützen können. Im Gegenzug wollte sie aber Zusagen für eindeutig korrupte Angebote.

Strache habe im Verlauf des Abends solche Deals mehrfach abgelehnt, heißt es im Buch. Der 50-Jährige hatte in diesem Zusammenhang zuletzt immer wieder betont, dass die Journalisten die folgenreiche Nacht falsch dargestellt hätten. Obermaier und Obermayer werfen Strache im Gegenzug vor, bei all diesen offensichtlich korrupten Angeboten das Gespräch nicht früher beendet zu haben. Zudem ließ sich der Ex-FPÖ-Chef letztlich doch zu Zusagen hinreißen. So erklärte er etwa, der vermeintlichen Oligarchen-Nichte staatliche Bauaufträge zuschanzen zu wollen, sollte die FPÖ mit Unterstützung der «Kronen-Zeitung» an die Macht kommen.

Strache selbst sieht sich durch das Buch in wesentlichen Punkten entlastet. Nachdem seitens der vermeintlichen Oligarchen-Nichte die Erwartung korrupten Verhaltens wiederholt und im späteren Verlauf des Abends zunehmend expliziter zum Ausdruck gekommen sei, habe er die Entscheidung getroffen, das Beisammensein zu beenden und zu gehen, teilte Strache über seine Anwälte am Mittwoch mit. «All dies stellt das Buch nun dar, nachdem das auf wenige Minuten geschnittene und veröffentlichte Ibiza-Video diese Details schuldig geblieben war.» Obendrein stimme die Darstellung im Buch, dass er mehrfach deutlich darauf hingewiesen habe, dass alles «legal ablaufen müsse, rechtskonform, den Gesetzen entsprechend, zum FPÖ-Programm passend».

Die Staatsanwaltschaft Wien bestätigte am Mittwoch eine Hausdurchsuchung bei einem Rechtsanwalt. Er stehe im Verdacht, an der Planung und Umsetzung der Aufzeichnung der «Ibiza-Gespräche» vom 24. Juli 2017 sowie der Verwendung eines falschen Reisepasses zum Beweis der vermeintlichen Identität des Lockvogels mitgewirkt zu haben.

Die Veröffentlichung des Videos löste ein politisches Beben in Österreich aus. Nach Straches Rücktritt zerbrach auch die ÖVP-FPÖ-Koalition. Am 29. September steht eine Neuwahl an.

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