Flüchtlinge in Angst vor der Abschiebung

​Syrien und Baschar al-Assad  

Auf einem öffentlichen Platz in der Nähe von Gebäuden, die von den starken Erdbeben in Idlib betroffen sind, werden Zelte aufgestellt. Foto: epa/Yahya Nemah
Auf einem öffentlichen Platz in der Nähe von Gebäuden, die von den starken Erdbeben in Idlib betroffen sind, werden Zelte aufgestellt. Foto: epa/Yahya Nemah

BEIRUT/DAMASKUS: Syrien kehrt zurück in die Arabische Liga. Ein Erfolg für Machthaber Baschar al-Assad, der sich beim Gipfel der Organisation zeigen kann. Verlierer sind diejenigen, die vor seiner Herrschaft flüchteten und denen jetzt die Abschiebung zurück nach Syrien drohen könnte.

«Ich werde mich umbringen, wenn sie mich und meine Enkelkinder nach Syrien abschieben», sagt die Syrerin Um Iman. Die 71-Jährige lebt in einem Flüchtlingscamp nahe der libanesischen Küstenstadt Saida, südlich der Hauptstadt Beirut - gemeinsam mit sechs ihrer Enkelkinder. Drei Söhne und eine Tochter hat sie im Krieg in Syrien verloren. «Einige, die zurückgegangen sind, sind verschwunden. Wie kann ich zurück in ein Land gehen, wo es keine Sicherheit zum Überleben gibt?», sagt sie.

Der syrische Machthaber Baschar al-Assad und sein Außenminister Faisal al-Mikdad schütteln unterdessen wieder Hände mit den Präsidenten und Monarchen der Region. Am Freitag wird Assad zum ersten Mal seit 2011 wieder am Gipfel der Arabischen Liga teilnehmen. Nach Jahren der Isolation im Zuge des gewaltsamen Vorgehens seiner Regierung gegen die eigene Bevölkerung ist Syrien wieder Mitglied. Und Assad setzt seine Rückkehr auf die diplomatische Bühne fort.

An der Situation im Bürgerkriegsland Syrien hat sich indesssen wenig geändert. Zugeständnisse in Bezug auf eine politische Einigung zur Lösung des Konflikts hatte der syrische Präsident bisher nicht gemacht - oder machen müssen. Das gilt auch für das Schicksal der rund 14 Millionen Menschen, die vor den Kämpfen flüchteten. Die Aussicht darauf, dass Assad in Syrien auch weiterhin beherrschende Kraft bleiben wird, könnte Abschiebungen jetzt weiter befeuern.

«Die Realität ist, dass die Staaten in der Region die Normalisierung (der Beziehungen zur Assad-Regierung) wahrscheinlich als Rechtfertigung nutzen werden, um - möglicherweise erzwungene - Rückführungen nach Syrien, zu erhöhen», sagt Julien Barnes-Dacey vom European Council on Foreign Relations. Syrische Geflüchtete hätten nur wenige Optionen. «Im Libanon und auch in der Türkei ist die Gefahr einer erzwungenen Rückkehr sehr real», so Barnes-Dacey.

Im Libanon geht die Regierung bereits seit Anfang des Jahres immer härter gegen syrische Flüchtlinge im Land vor. Laut Hilfsorganisationen sollen seit Jahresbeginn rund 1500 Syrer festgenommen und mehr als 700 davon nach Syrien abgeschoben worden sein. Organisationen wie Amnesty International und Human Rights Watch berichten von Maßnahmen, um Syrer zur Rückkehr zu drängen, etwa Ausgangssperren oder Hindernisse beim Versuch, Wohnraum zu mieten. Auch die Rhetorik von Politikern und in den Medien verschärfe sich.

Trotzdem bleiben viele lieber im Libanon. «Ich würde lieber in einem libanesischen Gefängnis verrotten, als zurück nach Syrien zu gehen», sagt der 35-jährige Abu Abed. Er ist mit seiner Familie, genau wie die anderen Bewohner des Camps nahe Saida, vor dem Krieg in Syrien geflohen. Vor einem Regime, dem massenhaft Folter und Tötungen vorgeworfen wird sowie der Einsatz von Giftgas und Fassbomben. Mit 1,5 Millionen syrischen Flüchtlingen hat kein anderes Land gemessen an der Einwohnerzahl so viele von ihnen aufgenommen wie der Libanon.

Wahllose Abschiebungen gebe es nicht, sagte der libanesische Informationsminister Siad al-Makari der dpa. Diejenigen, die immer wieder illegal zwischen Syrien und dem Libanon pendelten, müssten aber auf jeden Fall abgeschoben werden. Sie machten den Großteil der Geflüchteten aus. «Sie sind nur wegen des Geldes hier, und wegen der vielen kostenlosen Dienstleistungen, die sie hier erhalten, wie zum Beispiel Gesundheitsfürsorge und Bildung», so der Minister. «Das ist ein Problem, das so schnell wie möglich gelöst werden sollte.»

Auch die Türkei, die im Nordwesten Syriens Gebiete besetzt hat, ist an einer Annäherung interessiert. Dort sind die rund 3,5 Millionen syrischen Flüchtlinge Wahlkampfmaterial: Die Mehrheit der Parteien versprach Wählern im Wahlkampf, alle Syrer abzuschieben und reagierte damit auf ein zunehmend flüchtlingsfeindliches Klima im Land.

Human Rights Watch wirft türkischen Sicherheitskräften vor, an der syrischen Grenze massive Gewalt gegen Migranten anzuwenden. Syrer würden routinemäßig misshandelt und und wahllos beschossen, hieß es in einem Bericht. Dabei seien in den letzten Jahren «Hunderte Tote und Verletzte» zu beklagen gewesen. Zudem gibt es zahlreiche Berichte über illegale Abschiebung aus der Türkei nach Syrien.

Aus Deutschland wird aktuell niemand nach Syrien abgeschoben. Die Bundesrepublik unterhält momentan keine diplomatischen Beziehungen zur syrischen Regierung. Daran ändere auch die Entscheidung der Arabischen Liga nichts, heißt es aus Berlin: Das syrische Regime blockiere weiterhin jeden Fortschritt im politischen Prozess und begehe tagtäglich schwerste Menschenrechtsverletzungen gegen die eigene Bevölkerung, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes.

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