«Suppe statt Champagner»

Kunstgalerie wird Armenküche

Künstler Dennis Meseg rührt die Suppe in einem großen Topf um. Foto: Federico Gambarini/dpa
Künstler Dennis Meseg rührt die Suppe in einem großen Topf um. Foto: Federico Gambarini/dpa

BONN: Der bärtige Mann, der sich gerade mit einem Becher Suppe und einem Apfel eingedeckt hat, ist schon auf dem Weg nach draußen, als er sich noch einmal umdreht. «Ihr müsstet für immer bleiben», sagt er leise zu Dennis Josef Meseg, der hinter einem großen Suppentopf auf einer Warmhalteplatte steht. Meseg lächelt. Das werde sich wohl leider nicht machen lassen, antwortet er. Die Galeristin, in deren Räumlichkeiten er derzeit zu Gast sei, wolle schließlich irgendwann auch wieder Geld verdienen.

«Aus Galerie wird Armenküche - Suppe statt Champagner» heißt das derzeitige Projekt des 43 Jahre alten Aktionskünstlers und Bildhauers Meseg. Jeden Abend von 17.00 bis 20.00 Uhr reicht er in der Update Gallery in der Bonner Südstadt Biosuppe an Bedürftige aus. Die Jahreszeit ist ideal dafür: Januar und Februar, wenn die Tage kurz sind und die Nächte bitterkalt sein können. Und Weihnachten nur noch eine ferne Erinnerung ist.

Die Galeristin habe anfangs ein wenig überrascht reagiert, als er ihr eröffnet habe, keine Bilder oder Skulpturen in ihren Räumen platzieren zu wollen, sagt Meseg. Dann habe sie die Idee aber auch gut gefunden. Ein Anwohner dagegen mobilisierte Gewerbeaufsicht und Ordnungsamt. Andere dagegen steuerten voller Begeisterung Obst oder Geldspenden bei. Insgesamt sei die Aufnahme sehr positiv, sagt Meseg.

Galerie-Besucher sind in der Regel Besserverdienende, die in Kunst investieren, oft auch zu edlen Vernissagen eingeladen werden. «Genau das wollte ich austauschen», sagt Meseg. «Die Reichen und den Champagner raus, die Armen und die Suppe rein.»

Er mietet die Galerie zum Unkostenpreis. «Es ist komplett eigenfinanziert aus anderen Projekten», sagt er. «Ich sehe das als Investition in meine künstlerische Ausbildung. Und ich will ein bisschen was ans Universum zurückgeben.» Er ist als junger Mensch früh zuhause ausgezogen und hat in der Folge selbst eine Zeit lang auf der Straße gelebt. Deshalb hat die Aktion auch etwas mit seiner eigenen Biografie zu tun, sagt er.

Draußen geht Schneeregen nieder. «Ich verbreite es großräumig weiter, alle finden es spannend», sagt eine Frau, die einen Becher Suppe mitnimmt. Anfangs fanden nur wenige den Weg in die kleine Galerie, doch an Tag 5 herrschte plötzlich reger Betrieb. «Da haben wir bis abends 20 Liter rausgegeben», erzählt Meseg.

Die Besucher haben teilweise Probleme mit Alkohol und Drogen. Es sind Flüchtlinge darunter, die kaum oder kein Deutsch sprechen, Obdachlose, aber auch «normale» Berufstätige, die ganz in der Nähe eine Wohnung haben. Eine Frau mittleren Alters erzählte, dass sie und ihr Partner mit den gestiegenen Nebenkosten nicht mehr zurechtkommen: «Strom, Gas, Wasser, Lebensmittel – es ist alles so teuer geworden, dass wir gerne auf Angebote wie hier zurückgreifen.»

Manche sagen erst, sie seien nur aus Neugier gekommen - aber dann löffeln sie doch dankbar die Suppe. Dass das Ganze eine Kunstaktion ist, scheint die Besucher an diesem Abend eher weniger zu interessieren. Für Meseg selbst ist der Kunstaspekt schon dadurch gegeben, dass er einen bestimmten Raum in eine andere Umgebung verpflanzt hat. «An einem Ort, an dem normalerweise teure Bilder gekauft werden, findet jetzt eine Armenküche statt. Das ist im kleinen Rahmen das, was auch in der Welt passiert: Die einen trinken Champagner, die anderen haben nicht mal genug, um sich eine Suppe zu leisten.»

Eine Frage, die auch schon gestellt wurde: Darf man Bedürftige für eine Kunstaktion benutzen? Besucher Olaf zuckt mit den Schultern. «Ich hab' echt super wenig Knete, da ist das hier eine tolle Aktion. Ich stelle mich gerne als Kunstobjekt zur Verfügung.»

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