De Klerk hat rassistisches Regime aufgelöst

​Südafrikas Gorbatschow  

Südafrikanische Präsident a.D. Frederik Willem de Klerk. Foto: epa/Bas Czerwinski
Südafrikanische Präsident a.D. Frederik Willem de Klerk. Foto: epa/Bas Czerwinski

JOHANNESBURG: De Klerk hat im rassistischen Südafrika Karriere gemacht. Er war jahrelang Minister. Das Land glich jedoch zunehmend einem Pulverfass. De Klerk erkannte, dass die schwarze Bevölkerungsmehrheit nicht ewig unterdrückt werden konnte. Er hatte den Mut, das System aufzubrechen.

Mit der Abschaffung von Südafrikas rassistischem Apartheidregime hat sich Frederik Willem de Klerk einen Platz in den Geschichtsbüchern und den Friedensnobelpreis gesichert. Wie er von der Geschichte erinnert werden möchte, wurde er im Februar 2020 von einer BBC-Reporterin gefragt. «Ich würde gerne als jemand erinnert werden, der an einem entscheidenden Punkt unserer Geschichte einen positiven und konstruktiven Beitrag geleistet hat und eine Rolle beim Vermeiden einer Katastrophe in Südafrika gespielt hat», sagte der Politiker. Nun ist er am Donnerstag im Alter von 85 Jahren an einer Krebserkrankung gestorben.

Das Land und die Welt überraschte der Jurist mit einem radikalen Reformkurs, als er Ende 1989 Präsident des Kap-Staates wurde. Denn nur vier Jahre später war die Apartheid dort Geschichte: De Klerk ließ den Ex-Staatsfeind Nummer eins, Nelson Mandela (1918-2013), frei und führte mit ihm den friedlichen Machtwechsel herbei.

Nur eine Verhandlungslösung mit der schwarzen Bevölkerungsmehrheit könne das Land befrieden, hatte de Klerk zu Beginn seiner Präsidentschaft gewarnt. «Die Alternative ist eine Eskalation der Gewalt, der Spannungen und des Konfliktes», sagte er in einer Rede zur Parlamentseröffnung, die für die Apartheid den Anfang vom Ende markierte. Südafrika befinde sich seit Jahrzehnten im Griff der Gewalt. «Es ist Zeit für uns, die Spirale der Gewalt zu beenden und einen Durchbruch zu Frieden und Versöhnung zu machen», forderte er.

De Klerk war mit 36 Jahren zum ersten Mal ins Parlament gewählt worden. Sechs Jahre später wurde er ins Kabinett berufen. Von 1978 bis 1989 war er in verschiedenen Ministerämtern eine der tragenden Säulen des Staats, der die schwarze Bevölkerungsmehrheit systematisch unterdrückte. De Klerk war ein Gewächs des Systems, das er später abschaffte - ähnlich wie sein russischer Zeitgenosse Michail Gorbatschow, der in Moskau Glasnost und Perestroika einleitete.

Wegen der Apartheid wurde Südafrika in den 1980er Jahren international isoliert, die Wirtschaft litt unter Sanktionen. Gleichzeitig gab es immer mehr Proteste der unterdrückten schwarzen Bevölkerung. Das Land wurde zunehmend unregierbar. Als de Klerk 1989 an die Spitze der Nationalen Partei (NP) gewählt wurde, galt er als Reformer, der ein «Gleichgewicht der Gruppen» suchte - mehr Rechte für die schwarze Mehrheit, aber keine Gleichberechtigung.

Ein Jahr später, als frisch gekürter Präsident, kündigte de Klerk überraschend die Aufhebung der Trennung von Schwarz und Weiß sowie die Legalisierung der Opposition an, darunter auch Mandelas Afrikanischer Nationalkongress (ANC). Mandela solle unverzüglich und ohne Auflagen freikommen, so de Klerk. Dann müsse eine neue Ordnung verhandelt werden, in der «jeder Einwohner gleiche Rechte haben wird».

De Klerks Vorpreschen wurde erleichtert durch den Kollaps des Ostblocks: Die Furcht, dass eine Beteiligung der ANC-Freiheitskämpfer zum Kommunismus führen würde, hatte sich erledigt. Drei Monate nach der Rede begannen formelle Gespräche zwischen Regierung und der von Mandela geleiteten ANC-Delegation. Im August verpflichtete sich der ANC zur Aussetzung des bewaffneten Kampfes. Die Regierung erklärte sich dafür zur Freilassung von 3000 politischen Gefangenen bereit.

Die Verhandlungen wurden jedoch von blutigen Unruhen und Anschlägen überschattet. Vor allem in der südlichen Provinz KwaZulu-Natal schürten Kämpfe zwischen Zulus der Inkatha Freiheitspartei (IFP) und dem ANC Angst vor einem Bürgerkrieg. De Klerk befand sich in den Verhandlungen oft zwischen den Stühlen: Den Schwarzen ging es nicht schnell und nicht weit genug, nach Ansicht vieler Weißer ging alles zu schnell und zu weit. Um sich des Rückhaltes der weißen Bevölkerung zu versichern, setzte de Klerk 1992 ein Referendum an. Bei hoher Wahlbeteiligung stimmten rund 69 Prozent für weitere Reformen.

Im Oktober 1993 wurden de Klerk und Mandela gemeinsam für ihren Versöhnungswillen und «ihre persönliche Integrität und großen politischen Mut» mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Bei den ersten demokratischen Wahlen 1994 gewann der ANC mit 62 Prozent der Stimmen erwartungsgemäß eine Mehrheit, de Klerks NP kam auf gut 20 Prozent der Stimmen. In der Einheitsregierung unter Mandela wurde de Klerk einer von zwei Vizepräsidenten, verlor jedoch schnell Einfluss.

Den Reformern seiner Partei ging er nicht weit genug, während sich der rechte Flügel verraten fühlte. Im Juni 1996 verließ die NP auf de Klerks Betreiben die Regierung, um in der Opposition Profil zu gewinnen. Ein Jahr später zog sich de Klerk aus der Politik zurück und widmete sich unter anderem einer von ihm gegründeten Stiftung. 2006 wurde bei ihm ein bösartiger Darmkrebstumor entfernt. Sieben Jahre später bekam er einen Herzschrittmacher. Im Oktober 2018 wurde er wegen einer schweren Lungenerkrankung stationär behandelt.

In einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur kritisierte er 2014, dass zu viele Politiker «ihre Posten in der Regierung als Mittel zur Selbstbereicherung sehen». Während sich seit 1994 eine schwarze Mittelklasse gebildet hat, leben die meisten Schwarzen immer noch in großer Armut. Weiße, die weniger als zehn Prozent der Bevölkerung ausmachen, kontrollieren hingegen die größten Unternehmen und Vermögen. Die Erfüllung vieler Hoffnungen werde noch Zeit brauchen, räumte de Klerk ein: «Was wir brauchen, ist ein höheres Niveau im Bildungswesen und handfeste Belege, dass das System wirklich das Leben aller Südafrikaner verbessert.»

Gemeinsam mit Mandela galt er als Mann eines friedlichen Übergangs - doch ähnlich wie bei Mandela setzte Jahre später eine Neubewertung seiner historischen Verdienste ein. Etwa, als er im Februar 2020 mit umstrittenen Bemerkungen polarisierte, die Apartheid sei kein Verbrechen gegen die Menschlichkeit gewesen. Unter öffentlichem Druck zog er sie später dann als völlig inakzeptabel zurück. De Klerk, der 1959 Marike Willemse geheiratet hatte, hinterlässt aus der 1998 geschiedenen Ehe die Kinder Jan, Willem und Susan. Kurz nach seiner Scheidung heiratete de Klerk die Griechin Elita Georgiades.

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