Film spürt Mythos um Ägyptens Diva nach

​«Suche nach Oum Kulthum»

Iranische Regisseurin Shirin Neshat. Foto: epa/Franck Robichon
Iranische Regisseurin Shirin Neshat. Foto: epa/Franck Robichon

BERLIN (dpa) - Oum Kulthum gilt als Maria Callas des Nahen Ostens. Doch wer ist diese gefeierte ägyptische Sängerin? Der Film der iranischen Regisseurin Shirin Neshat richtet dabei auch den Blick auf alle Frauen im Nahen Osten.

Oum Kulthum gilt als Maria Callas des Nahen Ostens. Den Mythos um diese gefeierte ägyptische Sängerin versucht die iranische Regisseurin Shirin Neshat nun zu erkunden. «Auf der Suche nach Oum Kulthum» heißt ihr Werk - und das heißt nicht unbedingt, dass die Suche geglückt ist. Der 90-minütige Spielfilm über das Leben der ägyptischen Starsängerin Oum Kulthum (1904-1975) gleicht eher dem Herantasten an einen Mythos als dem Porträt eines greifbaren Menschen. Gerade diese subtile Herangehensweise macht aus dem Film ein vielschichtiges, melancholisches Werk, das auch davon erzählt, was Karriere für Frauen im Nahen Osten bedeutet.

Die Konstruktion des Films ist klug: Es wird nicht das Leben von Kulthum nacherzählt, die schon als kleines Mädchen ihr Heimatdorf um sich scharen konnte, wenn sie zu singen anfing, und später als gefeierte Diva vor dem König persönlich auftrat. Stattdessen folgen die Zuschauer der iranischen Regisseurin Mitra (Neda Rahmanian) bei ihrem Versuch, das Leben Kulthums zu verfilmen.

Dabei wirft der Film Schlaglichter auf wichtige Stationen in Kulthums Leben, indem sie als gespielte Szenen zu sehen sind. Etwa ihren ersten Auftritt vor dem König oder die Entfremdung von den Menschen aus ihrer Heimat. Das wird aber meistens aufgebrochen, indem Mitra als Regisseurin ins Bild kommt und oder plötzlich das Filmset zu sehen ist.

Damit wird die Geschichte Mitras so wichtig wie die von Kulthum. Kann jemand aus dem Iran das Leben einer ägyptischen Ikone verfilmen? Eine Frau noch dazu? Und eine, die nicht mal Arabisch spricht? Die Vorbehalte gegen Mitra sind vor allem durch den Hauptdarsteller Ahmed zu spüren. Und auch die schüchterne Lehrerin Ghada (hervorragend: Yasmin Raeis), die Kulthum spielt, scheint mit Mitras fordernder Art nicht immer klar zu kommen.

Letztlich ist es Mitra selbst, die an sich und ihrem Werk zu zweifeln beginnt, nicht zuletzt wegen ihrer eigenen Geschichte. Es ist ihr Sohn, der ihr immer wieder Nachrichten schreibt - Nachrichten, dass er sie hasse. Es scheint der Preis zu sein, den Mitra für eine Karriere außerhalb ihrer Heimat zahlen musste.

«Ruhm und Erfolg können sie zwar erreichen, aber immer müssen sie dafür ihr traditionelles Familienleben opfern - unterschwellig manifestiert sich das Gefühl einer Entfremdung, die sich als Resultat des Verzichts auf einen konventionellen Lebensstil ergibt», sagt Regisseurin Neshat, die für ihren Film «Women Without Men» 2009 den Silbernen Löwen in Venedig bekam, über Frauen im Nahen Osten.

Ihr Film ist zurückhaltend. Die 61-Jährige, die aus dem Iran stammt und in New York lebt, setzt lieber auf eindringliche Kamera-Einstellungen und die Mimik ihrer Protagonisten als auf lange Dialoge. Vieles bleibt ungesagt, so wie auch Kulthum - deren Markenzeichen, eine große, schwarze Sonnenbrille, fast wie ein Panzer gegen die Welt wirkt - nicht zu fassen sein scheint.

Vielleicht muss sie das auch nicht. Die Szenen, in denen Ghada als Kulthum singt und ihr Publikum tief bewegt, sind ergreifend genug. Manchmal hätte man sich gewünscht, der Film hätte auch an dieser Stelle Untertitel, um zu verstehen, wovon die Lieder handeln (meist von der Liebe). Andererseits ist das vielleicht genau richtig so. Denn die Zuschauer stehen vor dem gleichen Rätsel wie Regisseurin Mitra: Wer ist Oum Kulthum? Die Suche nach ihr ist sehenswert.

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