Streit um Chemiewaffen-Ermittlungen

OPCW-Hauptquartier in Den Haag. Foto: epa/Koen Van Weel
OPCW-Hauptquartier in Den Haag. Foto: epa/Koen Van Weel

LUXEMBURG/DEN HAAG/MOSKAU (dpa) - Der Staub hat sich gelegt nach dem Raketenangriff in Syrien, nun schlägt die Stunde der Diplomatie. Dabei wird auch eine größere Rolle für Kanzlerin Merkel gefordert. Doch erst einmal sorgt ein Tweet britischer Diplomaten für Aufsehen.

Syrien und Russland haben nach Angaben westlicher Diplomaten das Ermittler-Team der Organisation für ein Verbot der Chemiewaffen (OPCW) bislang nicht nach Duma gelassen. In der Stadt in Syrien soll die Bevölkerung mit Giftgas angegriffen worden sein. Das Experten-Team der OPCW, das den mutmaßlichen Giftgasanschlag untersuchen soll, sei am Samstag in Damaskus eingetroffen, könne aber nicht weiterreisen, teilten die britische und die schwedische Delegation bei der OPCW auf Twitter mit.

Sie beriefen sich dabei auf den Bericht des Generaldirektors der OPCW, Ahmet Üzümcü, am Montag vor dem Exekutivrat der Organisation in Den Haag. «Russland&Syrien haben den Zugang zu Duma noch nicht erlaubt. Uneingeschränkter Zugang unerlässlich», forderten die britischen Diplomaten in der Kurznachricht. In Den Haag trat der OPCW-Exekutivrat zu einer Sondersitzung zusammen.

Russland wies die Vorwürfe zurück. «Das ist vollkommen ausgeschlossen. Das ist eine weitere Erfindung der Briten», sagte Vizeaußenminister Sergej Rjabkow in Moskau. Wegen der Raketenangriffe der USA, Großbritanniens und Frankreichs hätten die OPCW-Experten ihre Untersuchungen bislang nicht aufnehmen können. «Die Folgen der illegalen und rechtswidrigen Handlungen verhindern das», sagte der Diplomat der Agentur Interfax zufolge. Die Reise sei gescheitert, weil die Sicherheitsabteilung des UN-Sekretariats sie nicht genehmigt habe, sagte Rjabkow.

EU-Außenminister bemühen sich um politische Lösung

Unterdessen nehmen die Bemühungen um eine diplomatische Lösung des Syrien-Konflikts Fahrt auf. Der französische Staatspräsident Emmanuel Macron will dazu auch Russland und die Türkei an den Verhandlungstisch holen und hat einen neuen Entwurf für eine Resolution des Weltsicherheitsrats erarbeiten lassen.

Bei einem Treffen in Luxemburg sicherten die Außenminister der EU-Staaten der Initiative Unterstützung zu. Man habe sich vorgenommen, in dem jetzt anstehenden Prozess alle zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zu nutzen, um eine politische Lösung des Konflikts zu ermöglichen, sagte Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD). «Ohne Russland wird man diesen Konflikt nicht lösen können.»

In der gemeinsamen Erklärung der Außenminister heißt es, das vorhandene Momentum solle für eine Wiederbelebung des diplomatischen Prozesses genutzt werden.

Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini hofft, auch die Syrien-Konferenz in der kommenden Woche in Brüssel für politische Gespräche nutzen zu können. Bei ihr soll auch weitere finanzielle Unterstützung und humanitäre Hilfe für die syrische Zivilbevölkerung organisiert werden.

EU zurückhaltend nach Luftangriffen

Die Unterstützung der EU für die Luftangriffe auf Ziele in Syrien fiel indessen vergleichsweise zurückhaltend aus. In der Stellungnahme der Außenminister heißt es lediglich, man habe «Verständnis» für die von den USA, Frankreich und Großbritannien ausgeführten Angriffe auf Chemiewaffenanlagen. Man unterstütze alle Anstrengungen mit dem Ziel, den Einsatz von Chemiewaffen zu verhindern.

Mit der Erklärung bleibt die EU deutlich hinter solchen zurück, die am Wochenende die Regierungen einzelner Mitgliedstaaten abgegeben hatten. In der Erklärung der Bundesregierung hatte es beispielsweise geheißen: «Wir unterstützen es, dass unsere amerikanischen, britischen und französischen Verbündeten als ständige Mitglieder des UN-Sicherheitsrats in dieser Weise Verantwortung übernommen haben.» Der Militäreinsatz sei «erforderlich und angemessen» gewesen.

Als einen Grund für die vergleichsweise schwache Sprache nannten die Diplomaten unterschiedliche Positionen von EU-Staaten. So soll in den Verhandlungen auch argumentiert worden sein, dass die Luftangriffe nicht durch eine Resolution des UN-Sicherheitsrats gedeckt gewesen seien. Gleichzeitig musste anerkannt werden, dass Russland eine solche Resolution verhindert hatte.

Frankreichs Pläne - und Trumps Reaktion

Frankreichs Ziel ist nach Angaben von Diplomaten nun die Annahme einer umfassenden Resolution im UN-Sicherheitsrat. Sie soll unter anderem eine landesweite Waffenruhe und einen gesicherten Zugang für humanitäre Helfer in Syrien ermöglichen. Auf dieser Grundlage könnte dann an einer langfristigen politischen Lösung des Konflikts gearbeitet werden.

Syriens Regierung reagierte zunächst nicht auf Macrons Vorstoß. Der regierungstreue syrische Parlamentsabgeordnete Faris Schihabi wies den Vorschlag jedoch auf Twitter zurück: «Macron will unbedingt einen Platz am syrischen Tisch.. Wir wollen ihn unbedingt draußen haben! Wir sprechen nur mit den Großmächten und nicht mit Möchtegerns.»

Macron sieht sein Land und die USA bei der Frage ihres militärischen Engagements in Syrien auf einer Linie. «Wir haben ein militärisches Ziel, und ein einziges: den Krieg gegen Isis (eine englische Abkürzung für die Terrormiliz Islamischer Staat)», sagte Macron in Paris. «Was das Weiße Haus heute Nacht erklärt hat, war von Anfang an unsere Position.»

Washington hatte als Reaktion auf Interview-Äußerungen Macrons betont, dass US-Präsident Donald Trump die amerikanischen Truppen weiterhin «so schnell wie möglich» aus dem Bürgerkriegsland abziehen wolle. Macron hatte im Fernsehen gesagt, Frankreich habe Trump überzeugt, dass es nötig sei, in Syrien zu bleiben.

Gemeinsam mit den USA und Großbritannien hatte Frankreich in der Nacht zum Samstag Ziele in Syrien angegriffen. Die Länder reagierten damit nach eigener Darstellung auf den mutmaßlichen Einsatz von Chemiewaffen im syrischen Bürgerkrieg, für den sie Präsident Baschar al-Assad verantwortlich machen.

Stimmen zur künftigen Rolle Assads - Appell an Merkel

Welche Rolle Assad in den Bemühungen um eine diplomatische Lösung des Konflikts spielen kann, ist bislang unklar. Der Präsident hatte sich nach der Attacke betont unbeeindruckt gegeben und verlauten lassen, dass er weitermachen werde wie bisher.

Maas sagte am Montag, an einer Lösung müssten all diejenigen beteiligt werden, die Einfluss in der Region hätten. Zugleich betonte er: «Dass jemand, der Chemiewaffen gegen seine Bevölkerung einsetzt, ein Teil dieser Lösung sein kann, das kann sich wohl niemand vorstellen.» CDU-Außenpolitiker Jürgen Hardt sprach sich dagegen in der «Welt» für eine Beteiligung Assads aus. Es sei offensichtlich, dass Russland keiner Variante ohne Assad zustimmen werde.

EU-Kommissar Günther Oettinger sprach sich für eine aktivere Rolle von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und für ein Treffen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin aus. «Die Kanzlerin hat eine hohe Autorität. Völlig klar: Wenn sie am Gesprächstisch ist, hat sie mit Sicherheit Gewicht, Argumente und ist eine führende Vertreterin der Europäischen Union.»

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