Streit in Polens Regierungslager

​Kampf um Kaczynskis Nachfolge?

Foto: Pixabay/Rudy And Peter Skitterians
Foto: Pixabay/Rudy And Peter Skitterians

WARSCHAU: Ein Debakel bei der Abstimmung über ein Tierschutzgesetz zeigt: Polens regierende Nationalkonservative sind zerstritten. Gegenspieler sind der antieuropäische Justizminister Ziobro und der gemäßigte Regierungschef Morawiecki. Beide Politiker haben ein Ziel.

Jaroslaw Kaczynski mag Katzen. Soviel ist bekannt über das Privatleben des 71-jährigen Junggesellen, der in Polen als Chef der nationalkonservativen Regierungspartei PiS die Strippen zieht. Von Katzenliebhaber Kaczynski stammte auch eine Initiative, mit der die PiS bei jungen Wählern punkten wollte. Ein neues Tierschutzgesetz verbietet Pelztierfarmen und schreibt den Landwirten bessere Bedingungen für die Tierhaltung vor. Doch ausgerechnet bei der Abstimmung über dieses Gesetz kam es zum Debakel: Rund 40 PiS-Abgeordneten verweigerten Kaczynski die Gefolgschaft und stimmten gegen das Projekt, andere enthielten sich. Am Ende brauchte es die Hilfe der Opposition, um das Gesetz durchzupauken.

Die Rebellion markierte den vorläufige Höhepunkt eines Machtkampfes im Regierungslager, der immer erbitterter ausgetragen wird. Dabei geht es um Ministerposten und Positionen in staatseigenen Konzernen - und um die Frage, wer den alternden Kaczynski einmal als Parteichef beerben könnte. Die Gegenspieler: Justizminister Zbigniew Ziobro (50), antieuropäischer, rechter Hardliner und Chef der Kleinpartei Solidarisches Polen, die mit der PiS ein Listenbündnis bildet. Und Regierungschef Mateusz Morawiecki (52), ehemaliger Bankmanager mit internationaler Erfahrung, der für einen gemäßigteren und europafreundlicheren Kurs steht.

Auf dem Parteitag der PiS im November soll Kaczynski ein weiteres Mal zum Vorsitzenden gewählt werden. Morawiecki soll Vize-Parteichef werden. Da es als wahrscheinlich gilt, dass Kaczynski nicht die gesamten vier Jahre amtieren wird, kann sich der Ministerpräsident schon in der Rolle des Kronprinzen fühlen.

Die Bevorzugung Morawieckis ist für Ziobro offenbar schwer zu ertragen. Der ehrgeizige Minister verantwortet die umstrittenen Reform des Justizsystems - einem Prestigeprojekt der PiS, das Polen in Dauerclinch mit der EU gebracht hat. Da Ziobro aber formal als Chef seiner Kleinpartei kein Amt in der PiS übernehmen kann, soll er nach Medienberichten Kaczynski bereits im Sommer um die Aufnahme seiner Getreuen in die PiS gebeten haben. Vergeblich.

Mit seiner Kleinpartei Solidarisches Polen ist Ziobro auch Mehrheitsbeschaffer für die PiS - sie stellt 19 Abgeordnete innerhalb der gemeinsamen Fraktion. In den vergangenen Wochen profilierte sich Ziobro mit diversen Vorstößen als Rechtsausleger. «Wie die PiS auf Steroiden», schrieb das Magazin «Polityka».

Manche Initiativen zielen gegen Lesben, Schwule, Bisexuelle und Trans-Menschen (LGBT). So will Ziobro polnische Gemeinden entschädigen, die sich als «LGBT-Ideologie-freie-Zone» erklärt haben und deshalb von der EU keine Förderung im Rahmen eines Städtepartnerschaftsprogramm erhalten sollen. Auch regte er an, Nicht-Regierungsorganisationen mit ausländischen Finanzgebern gesondert registrieren zu lassen - eine Idee, die in Putins Russland umgesetzt wurde. Nach dem Willen Ziobros soll Polen zudem aus der sogenannten Istanbul-Konvention austreten, einem Abkommen zum Schutz von Frauen vor Gewalt und Diskriminierung in Europa.

Doch nach dem Eklat bei der Abstimmung über das Tierschutzgesetz ist jetzt die Frage, wie es mit Polens nationalkonservativer Regierung weitergeht. «Wenn sich an der Situation, zu der es gestern gekommen ist, nichts ändert, dann ist eine Minderheitsregierung eine Perpektive», sagte PiS-Fraktionschef Ryszard Terlecki. Eine klare Drohung an Ziobro und seine Leute: Die PiS könnte das Bündnis aufkündigen, der Justizminister aus der Regierung fliegen. Doch dann müsste Morawiecki ohne Mehrheit regieren, und Ziobro könnte ihm aus der Opposition weiter das Leben schwer machen.

«Kaczynski und Ziobro sind sich bei einem Thema einig: Die Justizreform muss weitergehen, mehr Richter müssen entlassen werden», sagt der Warschauer Politologe Antoni Dudek. Bei den weltanschaulichen Fragen teile Kaczynski aber nicht Ziobros ultrakonservative Positionen. Morawiecki dagegen könne darauf bauen, dass seine Wirtschaftskompetenz in der Corona-Krise gebraucht werde - und dass er in diesen schwierigen Zeiten ein gutes Standing bei seinen Gesprächspartnern in Brüssel habe.

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