Street Art erinnert an eine friedliche Revolution

Kunstwerke auf Stücken der Berliner Mauer im Garten der deutschen Botschaft enthüllt

Street Art erinnert an eine friedliche Revolution
V.l.n.r.: Der deutsche designierte Botschafter in Thailand, S.E. Georg Schmidt, Thailands stellvertretender Außenminister, S.E. Virasakdi Futrakul und der deutsche Geschäftsmann Axel Brauer, posieren zusammen mit den Streetart-Künstlern Kashink (Frankreich), Mue Bon (Thailand) und Julia Benz (Deutschland) vor den Mauerstücken für ein Foto. Fotos: Jahner

BANGKOK: Dass freche Street Art, internationale Diplomatie und europäische Geschichtsaufarbeitung durchaus zusammenpassen können, bewies am 12. November ein Anlass im Garten der deutschen Botschaft in Bangkok, auf dem der designierte Botschafter der Bundesrepublik Deutschland, S.E. Georg Schmidt, und Thailands stellvertretender Außenminister, S.E. Virasakdi Futrakul, den geladenen Gästen aus Diplomatie, Politik, Kultur und Wirtschaft zwei Kunstwerke aus Originalteilen der Berliner Mauer präsentierten.

Axel Brauer schenkte die Fragmente der Botschaft.
Axel Brauer schenkte die Fragmente der Botschaft.

Die Berliner Mauer gilt als Symbol des Eisernen Vorhangs, der nicht nur Berlin teilte, sondern ganz Deutschland und das restliche Europa. 29 Jahre nach dem Mauerfall erreichten nun zwei Originalstücke die thailändische Hauptstadt, die von Graffiti-Sprayern aus Deutschland, Frankreich und Thailand anlässlich eines Streetart-Festivals in farbenfrohe Unikate verwandelt wurden.

In seiner Eröffnungsrede betonte Deutschlands designierter Botschafter Georg Schmidt die geschichtliche Bedeutung der friedlichen Revolution von 1989. Zu den Hauptbotschaften der Teilnehmer der Montagsdemons­trationen gehörte die Parole „Keine Gewalt!“ und völlig unerwartet wurden die friedlichen Proteste von den Sicherheitskräften geduldet. „Die Wende wurde frei von Gewalt, Hass und Rache vollzogen. Das war wirklich ein Wunder“, verdeutlicht Schmidt und führt fort, dass die Proteste exemplarisch das Potential für eine friedliche Revolution aufzeigten, wenn sich die Menschen einig sind, wie sie sich widersetzen wollen.

Mit Farbe gegen die Traurigkeit

Mehrere Studentinnen und Studenten nutzten die Chance, ein Stück deutsche Geschichte zum Anfassen zu erleben.
Mehrere Studentinnen und Studenten nutzten die Chance, ein Stück deutsche Geschichte zum Anfassen zu erleben.

Als die Mauer noch das Herz von Berlin durchtrennte, begannen Künstler auf Westseite der geteilten Stadt damit, sie zu bemalen. Jedoch illegal, denn das Schreckensbauwerk war Eigentum der DDR, weshalb Ostgrenzer die Bilder immer wieder übermalten. Erst als auf Westseite ein großangelegter Mauermal-Wettbewerb ausgerichtet wurde, um die Traurigkeit zu bekämpfen, die von dem völkertrennenden Bauwerk ausging, ließen die DDR-Grenzschützer die Künstler gewähren.

Die deutsche Botschaft in Bangkok entschloss sich, dem Beispiel der Mauermaler zu folgen und lud im Rahmen des Kunstfestivals „STREET – Urban Culture Highlights“ (www.french-highlights.com/street), das vom Goethe-Institut und der französischen Botschaft mit Mitteln aus dem Deutsch-Französischen Fonds für Kulturprogramme (Elyseé-Fonds) finanziert wird, drei Künstler aus Deutschland, Frankreich und Thailand ein, die Mauerteile zu bemalen. Dass die beiden zuvor mausgrauen Betonstücke in Bangkok schließlich von Julia Benz (Deutschland), Kashink (Frankreich) und Mue Bon (Thailand) in farbenreiche Kunstwerke verwandelt wurden, ist dem Berliner Unternehmer Axel Brauer zu verdanken, der sie der deutschen Auslandsvertretung als Geschenk kostenlos zur Verfügung stellte. Während seiner beruflichen Karriere in Deutschland hatte er zahlreiche Firmen gegründet, die später in der bekannten Investmentgesellschaft „Brauer Holding“ aufgingen.

Mauerteile als Symbol der Freundschaft

Der designierte deutsche Botschafter, S.E. Georg Schmidt, begrüßte mehrere Studentinnen in seiner Residenz.
Der designierte deutsche Botschafter, S.E. Georg Schmidt, begrüßte mehrere Studentinnen in seiner Residenz.

Brauer, der seit 10 Jahren in Pattaya lebt, erklärt, dass die beiden Mauerteile als Symbol der Freundschaft zwischen der Bundesrepublik Deutschland und seiner neuen Wahlheimat Thailand zu verstehen sind, weshalb ihm die Entscheidung nicht schwerfiel, sie der deutschen Botschaft in Bangkok zu schenken. Die beiden letzten Segmente aus seinem Privatbesitz hatte er als früherer Eigentümer einer Firma erstanden, die von der ehemaligen DDR-Regierung beauftragt wurde mit den Mauerstücken zu handeln. Bevor sie mit Hilfe des Logistikdienstes DB Schenker ihren Weg nach Bangkok fanden, lagerten sie 28 Jahre lang auf dem Grundstück einer seiner Gewerbeimmobilien in Deutschland.

Ein Stück Geschichte zum Anfassen

Politiker, Diplomaten, Unternehmer, Künstler und Kulturschaffende: Die Gästeliste präsentierte sich bunt gemischt.
Politiker, Diplomaten, Unternehmer, Künstler und Kulturschaffende: Die Gästeliste präsentierte sich bunt gemischt.

Als Berliner, der den Mauerfall mit eigenen Augen live miterlebt hat, kann Brauer so einige Anekdoten zum Besten geben, wovon sich die geladenen Gäste während seiner Ansprache im Botschaftsgarten überzeugen konnten. Eine davon ereignete sich am Abend des 9. November, am Tag des Falles der Berliner Mauer. Als er zum Checkpoint Bornholmer Straße fuhr beobachtete er, dass hunderte Trabbis und tausende Menschen vor dem Grenzübergang warteten. Doch der Schlagbaum blieb geschlossen. Da stieß ihm eine Diskussion zwischen einem DDR-Bürger und einem Grenzbeamten ins Ohr. „Du musst mich durchfahren lassen, das kam im Fernsehen“, forderte der Bürger, woraufhin der völlig ahnungslose Grenzer mit „Hast Du ne‘ Macke?“ konterte. „Eine Stunde später waren die Schlagbäume geöffnet und die DDR-Bürger strömten nach Westberlin. Das ist ein Erlebnis, das ich wohl nie vergessen werde“, erzählt Brauer.

Die angehenden Akademiker zeigten sich im Gespräch mit Axel Brauer sehr interessiert an der deutschen Geschichte.
Die angehenden Akademiker zeigten sich im Gespräch mit Axel Brauer sehr interessiert an der deutschen Geschichte.

Unter den Gästen im Botschaftsgarten befanden sich auch mehrere thailändische Studenten, die später die Chance für ein persönliches Gespräch mit Brauer nutzten und dem Zeitzeugen buchstäblich an den Lippen hingen. „Ich war sehr überrascht, wie wissbegierig die thailändischen Studentinnen und Studenten an der jüngeren deutschen Geschichte sind“, freut sich Brauer. Auf Einladung von mehreren Bangkoker Universitäten wird der Berliner Unternehmer schon bald als Gastdozent mehr über den Mauerfall referieren.

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