Streaming kompakt

​Weltweit herrscht Run auf Streamingserien

Foto: Pixabay/Mohamed Hassan
Foto: Pixabay/Mohamed Hassan

BERLIN: Neues von der Mafia, der Lockdown als Serie und ein warmherziger Kinderfilm: Was sich jetzt zu streamen lohnt.

Ein paar Streaming-Tipps für die nächste Zeit:

Durchgedreht: Sieben Familien sind in der Rue de l'Humanite 8 in Paris zu Hause und leben nebeneinander her. Doch dann kommt Corona und alle sind im Lockdown gefangen. Drei Monate, in denen die Hausbewohner die netten Seiten ihrer Nachbarn kennenlernen, aber auch ihre Eigenheiten, Verrücktheiten und Ängste. Der französische Komiker Dany Boon hat daraus eine turbulente Serie gemacht und neben der Regie auch eine Rolle übernommen. Als Familienvater würde er darin aus Angst vor dem Virus am liebsten alles und jeden mit Desinfektionsmittel besprühen. In weiteren Rollen spielen unter anderem Yvan Attal und Laurence Arné, die auch mit am Drehbuch geschrieben hat. «Rue de l'Humanite 8» läuft bei Netflix.

Brutal: In der Arte-Mediathek ist ab Montag (25. Oktober) das Drama «Dogman» zu sehen. Marcello betreibt in Neapel einen Hundesalon. Er ist ein Meister seines Fachs und bringt selbst bösartige Hunde zur Ruhe. Durch kleine heimliche Kokaingeschäfte kommt er in Kontakt mit einem skrupellosen Mafioso. Der zwingt ihn eines Tages, bei einer Straftat mitzumachen. Das Druckmittel des Verbrechers: Marcellos Tochter. Matteo Garrone («Gomorrha») hat den hochspannenden Film inszeniert - mit brutalen Einblicken in die kriminellen Machenschaften der Mafia. Hauptdarsteller Marcello Fonte erhielt dafür zahlreiche Auszeichnungen, ebenso wie der Film.

Für Familien: In den Ferien würde Thomas am liebsten die ganze Zeit zocken. Doch seine Mutter schickt ihn aufs Land zu seinem Vater. Der erforscht in der Camargue eine bedrohte Wildgänse-Art und hat eine verrückte Idee: Um eine Schar Fluggänse sicher von Norwegen nach Frankreich zu bringen, will er ihnen die beste Flugroute zeigen. Und Thomas soll ihm dabei helfen. Der Abenteuerfilm «Der Junge und die Wildgänse» erzählt eine warmherzige Geschichte, begleitet von großartigen Naturaufnahmen. Zu sehen ist der Film auf kika.de und im KiKA-Player.

Offenes Ohr: Detective Sergeant Lisa Armstrong (Morven Christie) leistet im Polizeialltag den Familien Beistand, die in schwere Verbrechen hineingezogen werden. In der zweiten Staffel der britischen Krimiserie «The Bay» ist sie wieder gefragt. Während einer Gartenparty wird der Anwalt Stephen Marshbrook vor den Augen seines zehnjährigen Sohnes Oliver (Leo Ashton) erschossen. Behutsam bringt Lisa den traumatisierten Oliver dazu, wieder zu sprechen. Er erinnert sich an ein Tattoo. Ab Samstag (23. Oktober) in der ZDF-Mediathek.

Kalte Krieger: Der britische Spion Fielding Scott wird im August 1961 wenige Wochen vor dem Bau der Mauer nach Berlin geschickt. Er soll in Zusammenarbeit mit dem amerikanischen und französischen Geheimdienst das Überlaufen eines ostdeutschen Wissenschaftlers organisieren. Seine Erlebnisse am Eisernen Vorhang zeigt die Hochglanz-Serie «Spy City» nach einer Idee und Drehbüchern von William Boyd. In den Hauptrollen: Dominic Cooper, Romane Portail, Leonie Benesch, Johanna Wokalek und Ben Münchow. Sechs Teile stehen in der ZDF-Mediathek.

Arthaus-Kino: Aharon hat sein Leben der Erziehung seines autistischen Sohnes Uri gewidmet. Sie leben zusammen in einer sanften Routine - weit weg von der realen Welt. Uri könnte eigentlich mittlerweile in einer auf ihn ausgerichteten Gemeinschaft leben. Doch auf dem Weg dahin kommen Aharon Zweifel. Nir Bergmans Familienporträt «Here we are» lief voriges Jahr im offiziellen Wettbewerb von Cannes und auf zahlreichen anderen Festivals. Im hebräischen Original ist er mit deutschen Untertiteln derzeit beim Streamingdienst Sooner zu sehen.


Weltweit herrscht Run auf Streamingserien - «Der Markt ist überhitzt»
Wilfried Urbe (dpa)

CANNES: Fernsehsender und Streamingportale haben noch nie so viel Geld in Spitzenware investiert wie heute. Doch wer soll das alles angucken? Und wer das alles bezahlen? Stimmen von der weltgrößten TV-Messe.

Noch nie waren Serien und Spielfilme so ein begehrtes und seltenes Gut wie 2021. Entsprechend wird auf der weltgrößten TV-Messe Mipcom in Cannes diese Woche mit Hochglanzproduktionen gehandelt wie noch nie. Denn durch die Lockdowns lagen Produktionen weltweit brach oder verzögerten sich erheblich, oft um einige Monate. «Vieles wurde zurückgehalten», sagte Mipcom-Chefin Lucy Smith, «aber für nächstes Jahr erwarten wir einen starken Nachholeffekt.»

Eine «Disruption», also eine Art Verdrängungswettbewerb, habe es schon vor dieser Pandemie gegeben, sagte dazu der Geschäftsführer der ZDF-Tochter ZDF Enterprises, Fred Burcksen. «Corona hat sie nur umso sichtbarer gemacht.» Der Wettbewerb der Sender und Portale wachse.

Netflix zum Beispiel hat vor kurzem angekündigt, in den nächsten drei Jahren allein für deutschsprachige Inhalte 500 Millionen Euro in die Hand zu nehmen. Derweil kündigte das ZDF als «größter Einzelauftraggeber der deutschen Produktionswirtschaft» an, nächstes Jahr 650 Millionen Euro zu investieren.

Schon mehren sich die Stimmen, die einen «Overkill» befürchten: denn wer soll sich das alles noch anschauen? «Die Sichtbarkeit von Inhalten geht immer mehr verloren», warnte Produzent René Jamm von Warner Bros. ITP Deutschland. Das deutsche Fernsehen habe sowieso im weltweiten Vergleich «ein enormes Content-Angebot», das sich nun noch mehr erhöhe, da auch die klassischen Sender eigene Mediatheken aufgebaut und mit zusätzlichen Inhalten gefüllt hätten.

Immer mehr Kreative, die bei dem erhöhten Arbeitsaufkommen in der Branche schon jetzt knapp sind, überlegen sich, ob sie noch für Streamingportale aktiv sein wollen: Sie befürchten zuweilen, mit ihrer Arbeit, in die sie ihr Herzblut gelegt haben, in einem Massenangebot unterzugehen. Damit genau das nicht passiert, müssten es schon «echte Programm-Highlights» sein, die in den Mediatheken Premiere feierten, gab RTL-Fiction-Chef Hauke Bartel zu bedenken.

Bleibt die Frage nach der Finanzierung dieser Leuchtturm-Projekte. «Der Markt ist überhitzt», ist sich Jan Mojto, der Geschäftsführer des Programmvertriebs Beta Film, sicher. Lange könne es mit den exorbitanten Ausgaben und dem extremen Ausstoß an audiovisueller Ware nicht mehr so weiter gehen. «Größere werden Kleinere aufkaufen», vermutet Mojto. Burcksen prognostiziert derweil, dass der Streaming-Markt letztlich nur Platz für vier große Player biete.

Die Mipcom, die an diesem Donnerstag endet, zeigt, was schon bald in Millionen Wohnzimmern über die Bildschirme flimmert. Normalerweise kommen an der Croisette mehr als 10.000 Verantwortliche von Sendern, Produktionsfirmen, Programmvertrieben, Internetplattformen und Medienkonzernen aus aller Welt zusammen. Nach zwei Jahren Zwangspause wegen Corona hatte sich die Besucherzahl in diesem Jahr halbiert.

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