Stoische Tennislegende mit Stirnband - Björn Borg wird 65

Der Schwede Björn Borg küßt die Trophäe, nachdem er das Herrenfinale beim Tennisturnier in Wimbledon zum fünften Mal in Folge gewonnen hat. Foto: Press Association/dpa
Der Schwede Björn Borg küßt die Trophäe, nachdem er das Herrenfinale beim Tennisturnier in Wimbledon zum fünften Mal in Folge gewonnen hat. Foto: Press Association/dpa

STOCKHOLM: Björn Borg dominierte den Rasen von Wimbledon wie nach ihm nur Pete Sampras und Roger Federer. So manchen Rekord luchsten der Schweizer und andere dem alten Schweden seitdem ab. Trotzdem bleibt Borg bis heute einer der ganz Großen der Tenniswelt. Nun wird er 65.

Elffacher Grand-Slam-Turnersieger, über 100 Wochen an der Spitze der Weltrangliste, Fünffach-Champion in Wimbledon, Stil-Ikone der 70er: Über zu wenig Bewunderung und Ehre konnte sich Björn Borg in seiner aktiven Profi-Laufbahn kaum beklagen. Der Beste sei seiner Meinung nach aber ein anderer, hat der Schwede vor einigen Jahren einmal gesagt. «Bis zu diesem Punkt ist er der größte Spieler, der das Spiel jemals gespielt hat», sagte er dem US-Sender CNN 2016 in einem seiner seltenen Interviews mit Pat Cash über einen Schweizer namens Roger Federer. Trotzdem - da sind sich die Experten einig - bleibt auch Borg einer der ganz Großen der Tenniswelt. Nun wird er an diesem Sonntag 65 Jahre alt.

Borg hat mit seinen Erfolgen den Grundstein dafür gelegt, dass Schweden über Jahre zur Großmacht im Tennis geworden ist. Er löste in seiner Heimat einen Tennisboom aus, wie ihn Deutschland etwa ein Jahrzehnt später durch Boris Becker und Steffi Graf erlebte. Dieser Boom brachte etliche schwedische Top-Ten-Spieler hervor, darunter Mats Wilander, Stefan Edberg, Thomas Enqvist und viele weitere.

Angefangen hat all das angeblich an einem Garagentor, das der junge Björn mit Vor- und Rückhänden bearbeitete, nachdem ihm sein Vater im Alter von neun Jahren einen Tennisschläger geschenkt hatte. Schon mit 16 feierte Borg 1972 sein Davis-Cup-Debüt - und siegte in fünf Sätzen. Seitdem ging es für das in Södertälje bei Stockholm aufgewachsene Talent steil bergauf, was bereits Mitte der 70er darin mündete, dass Schweden mit Borg zum ersten Mal den Davis Cup gewann.

Seine größten Erfolge feierte Borg in Wimbledon, obwohl er eigentlich als Sandplatzspezialist galt: Von 1976 bis 1980 gewann er das größte Rasenturnier der Welt fünfmal in Serie, dieses Kunststück gelang nach ihm nur der Amerikanerin Martina Navratilova und besagtem Federer. Seine sechs weiteren Grand-Slam-Siege sammelte der Schwede auf der roten Asche von Paris, wo er 1974, 1975 und von 1978 bis 1981 die French Open gewann. Auch die vier Titel in Serie in Roland Garros waren ein Rekord in der Open Era, den erst Rafael Nadal knackte.

Mit seiner variablen Griffhaltung - Vorhand im Western-, Rückhand im Eastern-Griff - und dem kräftigen Topspin beherrschte und revolutionierte Borg die Sportart, seine beidhändige Rückhand treibt noch heute manchem Tennisfan Tränen des Glücks in die Augen. Schon mit 26 hörte er auf, spätere Comebackversuche scheiterten. «Keine Karriere bei den Herren in der modernen Ära ist so kurz und strahlend gewesen», schreibt die ATP über ihn.

Nichts bleibt aber so sehr mit Borg verbunden wie die große Rivalität zu John McEnroe. Der Tiebreak des vierten Satzes im Wimbledon-Finale 1980 gehört zu den großen Momenten der Tennisgeschichte. Über die beiden ist 2017 sogar ein Film in die Kinos gekommen, «Borg/McEnroe» mit Sverrir Gudnason und Shia LaBeouf in den Hauptrollen. Dass mit Jimmy Connors und später auch Ivan Lendl noch zwei weitere diese Tennis-Ära prägten, wird heute häufig vergessen.

Borg und McEnroe wurden zu perfekten Gegenpolen stilisiert: McEnroe galt stets als angriffslustiger Hitzkopf, Borg als seine stoische, immer cool bleibende Nemesis. In den Medien brachte ihm das den Spitznamen «Eis-Borg» ein. «Der ruhigste Mann am Platz», sagte der Kommentator in besagtem Tiebreak gegen McEnroe über Borg, als es gerade 16:16 stand und der Schwede bereits mehrere Matchbälle vergeben hatte. Andere hätten in dieser Lage längst einen Eisenarm bekommen - Borg blieb ruhig und siegte mit 8:6 im Fünften.

Jeder Tennisspieler weiß: Die nach außen hin gezeigte Gelassenheit ist oft nur eine Fassade. Und das war selbst bei dem eiskalten Skandinavier so, wie er in einem Talk mit Federer und Tim Henman im Rahmen der ATP Finals 2020 offenbarte. «Natürlich ist man als Spieler manchmal so frustriert. Du willst schreien, aber trotzdem musst du das drinnen lassen», sagte Borg. Ihm selbst habe geholfen, im Alter von 13 Jahren nach einem Wutausbruch wegen schlechten Verhaltens eine dreimonatige Sperre erhalten zu haben. «Als ich davon zurückgekommen bin, habe ich den Mund gehalten, weil ich nicht wieder suspendiert werden wollte. Weil ich Tennis liebe und Tennis spielen wollte.»

Und McEnroe? Wurde letztlich zu einem guten Freund. In der skandinavischen Fernsehsendung «Skavlan» bezeichnete der Amerikaner ihn als «meinen besten Rivalen, meinen großartigen Freund Björn Borg», ehe er eine kleine Anekdote hinsichtlich der nach Borg benannten Unterwäsche- und Modemarke zum Besten gab. «Er ist ziemlich nett», sagte McEnroe. «Er gibt mir immer kostenlose Unterwäsche, wenn ich nach Stockholm komme.»

Heute genießt Björn Borg augenscheinlich das Leben als Tennisrentner an der Seite seiner dritten Ehefrau Patricia. Auf dem Instagram-Kanal der Familie posten die beiden fleißig Urlaubsbilder, auch ein Foto zusammen mit Boris Becker auf Ibiza findet sich dort. Und auch die nächste Tennisgeneration steht schon in den Startlöchern: Leo Borg, der gemeinsame Sohn von Björn und Patricia, ist gerade 18 Jahre alt geworden - und hat vor wenigen Wochen in der Türkei seinen allerersten Weltranglistenpunkt gewonnen.

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