Steinmeier zur Ermutigungstour auf dem westlichen Balkan

Der Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier spricht nach der Verleihung des Henry A. Kissinger-Preises im Metropolitan Club in New York. Foto: epa/Sarah Yenesel
Der Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier spricht nach der Verleihung des Henry A. Kissinger-Preises im Metropolitan Club in New York. Foto: epa/Sarah Yenesel

BERLIN: Der Bundespräsident bricht an diesem Dienstag nach Nordmazedonien und Albanien auf. Dort wird es zwar auch um das aktuelle Thema Nummer 1, den Ukraine-Krieg, gehen. Aber zentral wird eine ganz andere Frage sein. Eine, auf deren Beantwortung beide Länder schon lange warten.

Über eines können sich die Staaten des westlichen Balkans derzeit nicht beklagen: mangelnde deutsche Aufmerksamkeit. Im Gegenteil. Mitte Juni machte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) eine zweitägige Blitztour durch die Region, Anfang November veranstaltete er in Berlin ein Gipfeltreffen mit den Ministerpräsidenten von Albanien, Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Nordmazedonien, Montenegro und Serbien. Zwei von ihnen wird auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier treffen, wenn er jetzt nach Nordmazedonien und Albanien reist.

Seine Zielsetzung ist identisch mit der des Kanzlers. Im Bundespräsidialamt spricht man von einem Besuch der «Ermutigung». Ermutigung, um im Zuge der gerade begonnenen Beitrittsverhandlungen die Voraussetzungen für die EU-Aufnahme zu schaffen. Und wohl auch ein wenig Ermutigung, um den Glauben an die EU nicht zu verlieren. Denn beide Staaten warten schon fast zwei Jahrzehnte lang darauf, in den exklusiven EU-Club zu gelangen. Bereits 2003 hatte die EU dies allen sechs Westbalkan-Staaten in Aussicht gestellt.

Kanzler Scholz formulierte es beim Westbalkan-Gipfel in Berlin so: «Die sechs Staaten des westlichen Balkans gehören in die Europäische Union. Sie sind Teil Europas und Teil der europäischen Familie.» Der Kanzler belebte in diesem Jahr den «Berliner Prozess» neu, den seine Vorgängerin Angela Merkel (CDU) 2014 ins Leben gerufen hatte. Mit dem Format soll die EU-Annäherung der Westbalkan-Staaten vorangebracht werden. Doch jahrelang passierte so gut wie nichts.

Steinmeier sagte nun der Deutschen Welle mit Blick auf seinen Besuch in Skopje und in Tirana: «Ich verstehe manche Ungeduld, aber wie viele andere werde ich auch dort versichern, dass der westliche Balkan auf keinen Fall vergessen ist.» Die Reise in die zwei Länder sei als Botschaft an die gesamte Region zu verstehen. «Wenn die entsprechenden Fortschritte innerstaatlich erreicht werden, dann wird der Weg in Richtung Mitgliedschaft der Europäischen Union überschaubarer werden.» Es hänge «an der innerstaatlichen Reformbereitschaft und an der Bereitschaft, die Reformen umzusetzen.»

Wichtige Stichworte hierbei sind: Rechtsstaatlichkeit, Bekämpfung von Korruption und Wirtschaftsreformen. Steinmeier bescheinigte beiden Ländern, sie hätten bereits «entscheidende Schritte nach vorne getan». Diese Botschaften wird der Bundespräsident voraussichtlich auch setzen, wenn er an diesem Dienstag in Skopje mit Staatschef Stevo Pendarovski und Ministerpräsident Dimitar Kovacevski spricht sowie eine Rede im Parlament hält. Am Donnerstag folgt dann in Tirana das gleiche Programm mit Präsident Bajram Begaj und Ministerpräsident Edi Rama sowie wieder einer Rede im Parlament.

Für Nordmazedonien wie Albanien fiel der Startschuss zu den EU-Beitrittsverhandlungen am 19. Juli mit Regierungskonferenzen in Brüssel. Sie leiteten den Prozess des «Screenings» ein, in dessen Verlauf EU-Beamte prüfen, ob das nationale Recht der Kandidatenländer der Anpassung an die EU-Rechtsvorschriften bedarf.

Nordmazedonien, das unter dem Namen Mazedonien bis 1991 eine jugoslawische Teilrepublik war, ist in Hinblick auf Verwaltung, Justiz und Wirtschaft besser aufgestellt als Albanien. Für Albanien stellte die Europäische Kommission im letzten Länderbericht vom Oktober einen «mittleren Stand» des Vorbereitungsgrades in wichtigen Bereichen wie Justiz, öffentliche Verwaltung und Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft fest.

Nordmazedonien leidet aber unter nationalistischen Ambitionen seiner Nachbarn, die wie Bulgarien bis vor kurzem den EU-Prozess blockierten. Dabei ging es unter anderem um die Interpretation der teils gemeinsamen Geschichte sowie die Rechte der - wenigen - ethnischen Bulgaren in Nordmazedonien. Das Land muss dazu nun seine Verfassung ändern. Dazu bedarf es einer Zweidrittelmehrheit im Parlament. Diese ist aber mehr als fraglich, weil die dafür benötigte nationalistische Opposition ihre Zustimmung nicht geben will.

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