Steinhagel auf die Polizei

Indymedia-Demo in Leipzig eskaliert

Teilnehmer einer linken Demonstration zünden Pyrotechnik.  Foto: Sebastian Willnow/Dpa-zentralbild/dpa
Teilnehmer einer linken Demonstration zünden Pyrotechnik. Foto: Sebastian Willnow/Dpa-zentralbild/dpa

LEIPZIG (dpa) - Die Demonstration gegen das Verbot des Portals «Linksunten.Indymedia» ist in Leipzig eskaliert. Auf die Polizei geht ein Steinhagel nieder. Auch werden Journalisten bedroht - auf einer Demo für Pressefreiheit.

Die Androhung von Gewalt war in Leipzigs linksalternativem Stadtteil Connewitz vorab für jedermann zu lesen. «Rache für Linksunten 25.01. Bullen jagen» stand in Versalien zusammen mit einem Antifa-Zeichen an einer Hauswand. Am Samstagabend haben vermummte Randalierer die Drohung wahr gemacht. Aus einer Demonstration gegen das Verbot der Plattform «Linksunten.Indymedia» heraus flogen Steine auf die Polizei. Autoscheiben und das Glas eines Wartehäuschens der Straßenbahn gingen zu Bruch. Journalisten berichteten von Bedrohungen. 13 Polizisten wurden nach Angaben der Polizei leicht verletzt, sechs Verdächtige festgenommen.

Nach der Eskalation in der Silvesternacht am Connewitzer Kreuz steht Leipzig zum zweiten Mal innerhalb eines Monats wegen Ausschreitungen im Fokus. Sachsens Innenminister Roland Wöller (CDU) verurteilte die Gewalt auf das Schärfste. «Wer Journalisten und Polizisten angreift, greift die Meinungsfreiheit und unsere friedliche Gemeinschaft an», erklärte der Minister. «Dem werden wir mit allen rechtsstaatlichen Mitteln entgegentreten.»

SPD-Chefin Saskia Esken schrieb auf Twitter: «Gewalt gegen Menschen und Sachen ist inakzeptabel und muss ganz klar strafrechtlich verfolgt werden!» Den Polizistinnen und Polizisten dankte sie für ihr «besonnenes Verhalten». Ihr Parteikollege, der Leipziger Oberbürgermeister Burkhard Jung, zeigte sich entsetzt über den erneuten Gewaltausbruch in der Stadt. «Was geht in Menschen vor, die so hassen? Sie wüten gegen alles, alles, für das wir täglich eintreten: gegen Respekt, gegen Demokratie und Rücksicht und Toleranz.»

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig verhandelt an diesem Mittwoch (29.) über Klagen gegen das Verbot von «Linksunten.Indymedia». Das Bundesinnenministerium hatte 2017 ein Vereinsverbot erlassen, unter anderem weil auf der linksradikalen Seite auch Gewaltaufrufe publiziert wurden. Die Demonstration, für die bundesweit mobilisiert worden war, hatte vor dem Gericht zunächst friedlich begonnen. Redner kritisierten das «Linksunten»-Verbot als Anschlag auf «linke, emanzipatorische Projekte».

Danach setzte sich der Zug über die Südvorstadt in Richtung Connewitz in Bewegung und schwoll von 1300 auf rund 1600 Teilnehmer an. Die Aggressivität in Teilen der Demo nahm mit jedem gelaufenen Meter zu. Erst wurden einzelne Bengalos gezündet, dann flogen Böller, Nebeltöpfe und Raketen - und schließlich Steine. Vermummte rissen sie aus dem Pflaster des Fußwegs entlang der Demostrecke. Als an einer Kreuzung in der Südvorstadt ein regelrechter Steinhagel auf Polizeiautos niederging, stoppte die Demo.

Behelmte Polizisten mit Schutzschilden und Demonstranten standen sich nach den Steinwürfen eine ganze Weile gegenüber. Nach einigem Hin und Her wurde nach dem Stopp der ersten Demonstration eine Fortsetzung bis nach Connewitz angemeldet. Dort löste sich die inzwischen stark geschrupfte Versammlung schließlich auf.

Die Höhe des angerichteten Sachschadens könne noch nicht beziffert werden, sagte ein Stadtsprecher am Sonntag. Die Spuren der Eskalation waren auch da noch deutlich zu sehen. Neben dem Wartehäuschen wurden auch die Scheiben eines Sandwich-Imbiss' attackiert, zerbarsten aber nicht. An einer Konsum-Filiale überdeckten Pressspanplatten an der Tür und an einem Schaufenster die Schäden.

Die Polizei war mit einem Großaufgebot und Unterstützung aus mehreren Bundesländern im Einsatz - nicht zuletzt wegen der Eskalation in der Silvesternacht in Connewitz. Dabei waren nach Polizeiangaben mehrere Polizisten angegriffen und verletzt worden, ein 38 Jahre alter Beamter wurde tagelang im Krankenhaus behandelt. Die Ermittler gehen von Linksextremisten als Tätern aus, die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen versuchten Mordes gegen die unbekannten Angreifer.

Allerdings war nach Silvester auch Kritik am Einsatz und an der Öffentlichkeitsarbeit der Polizei laut geworden. Sie hat inzwischen ihren Pressesprecher ausgetauscht. Diesmal setzte die Polizei betont auf Deeskalation und hielt sich lange im Hintergrund. Erst nach den Aggressionen aus der Demo heraus schritt sie ein.

Die Linken-Landtagsabgeordnete Juliane Nagel, die nach Silvester eine der schärfsten Kritikerinnen des Polizeieinsatzes gewesen war, zeigte sich diesmal betroffen. Sie twitterte noch in der Nacht: «Kann mir mal jemand erklären warum #le2501 so gelaufen ist, wie es gelaufen ist. Ich verstehe es nicht. Ich verstehe nicht was das mit den inhaltlichen Zielen, die ich durchaus teile, zu tun hat.»

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Leserkommentare

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Thomas Sylten 27.01.20 23:32
Cui bono ??
Da haben vermummte Steine geworfen in einem Augenblick wo vor Gericht über eine Beschwerde gegen das "Linksunten"-Verbot verhandelt wird. "Wem nützt es?" - sicher nicht den Linken, denn angesichts dieser Ereignisse wird das Verbot ja vermutlich bestätigt. Es nützt ausschließlich den Gegnern der Linken - da sollte man doch nochmal drüber nachdenken wer wohl unter der Vermummung gesteckt hat, bevor man ohne Beweis etwas offenkundig Unlogisches behauptet..
Josef Reiter 27.01.20 23:30
Gefahr von Rechts ?
Hier ist deutlich zu sehen wo für uns Bürger die Gefahr herkommt , nicht von Rechts sondern von Links .
Finanziert aus den Kassen von wem ? Den Grünen !!!
Reagiert die Polizei mit Abwehrmaßnahmen und setzt den Schlagstock ein oder , mehr schreien doch die Grünen am lautesten , wie wir aus der Vergangenheit wissen .
Respekt muss man sich verdienen !!!! Und das geht nicht mit Fähnchen schwenken .
Jürgen Franke 27.01.20 22:39
Ein unglaublicher Zustand, dass sich die Polizei
von einem Mob der Straße verprügeln lassen muß, um das als Deeskalation zu bezeichnen. Es werden sicherlich zeitnah die Notstandsgesetze zum Einsatz kommen. Holt doch die Bundeswehr aus den Kasernen. Sollten die Wirtschaftsdaten weiter abwärts gehen, wird sich der Zustand auf den Straßen noch verschlimmern.
aurel aurelis 27.01.20 15:57
Schadensvermeidung
Verletzte Polizisten, das geht gar nicht! In Indien haben die Polizisten so 2,50 m lange 6 - 7 cm dicke Bambusstangen. Wenn das nicht reicht, dann Gummigeschosse und scharfe Wasserwerfer.