CAPE CANAVERAL: Astronauten sollten besser nicht mit dem «Starliner» zurückfliegen. Dann gelang dem Pannen-Raumschiff die Rückkehr doch ganz gut. Nun muss die Besatzung noch ein paar Monate im All bleiben.
Die Weltraum-Odyssee von Astronautin Suni Williams und Astronaut Barry Wilmore hätte schon zu Ende sein können - wenn alles nach Plan verlaufen wäre. Zumindest ihr Raumschiff «Starliner» landete am Samstag sicher auf der Erde - aber die beiden sind noch auf der Internationalen Raumstation ISS. Ein Rückflug mit dem Pannen-Raumschiff sah die US-Raumfahrtbehörde Nasa als zu unsicher an. Nun sollen die beiden Astronauten acht Monate im All verbringen - statt, wie ursprünglich geplant, acht Tage.
Als die Kapsel kontrolliert von der ISS abdockte und in der Wüste des US-Bundesstaats New Mexico sanft aufsetzte, gab es ein großes Aufatmen bei der Nasa. «Es ist großartig, dass der «Starliner» wieder da ist», sagte Nasa-Manager Steve Stitch bei einer Pressekonferenz. Und viele Menschen fragten sich: Hätte man die Astronautin und den Astronauten nicht doch in der Kapsel mitschicken können?
Auch beim Rückflug fiel ein Triebwerk aus
Allerdings gab es auch bei dem etwa sechsstündigen Rückflug der vom US-Konzern Boeing gefertigten Kapsel kleinere Ungereimtheiten. 2 der 28 Triebwerke zeigten eine etwas zu hohe Temperatur, und eines habe beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre nicht wie geplant gefeuert, erklärte Stitch. Die Kommunikation sei auf zwei verschiedenen Wegen probiert worden, aber das Triebwerk habe nicht reagiert. Da das System redundant angelegt sei, habe anderweitig gesteuert werden könnten.
Schon auf dem Hinflug überhitzten fünf Triebwerke und fielen aus, außerdem trat durch Lecks Helium aus. Die Kapsel dockte schließlich an die Raumstation an. Der eigentlich noch für Juni geplante Rückflug wurde um drei Monate verschoben. In dieser Zeit versuchten Fachleute, den Problemen auf den Grund zu gehen. Die Triebwerke wurden während der Zeit an der ISS zweimal probeweise gefeuert.
Sicherheit geht vor
Schließlich entschieden die Nasa-Verantwortlichen: Die Rückkehr der Kapsel erfolgt unbemannt. Außerdem wurde die Flugbahn verändert: Der «Starliner» flog, unter geringer Nutzung seiner Antriebe, nach dem Abdocken über die ISS und davon weg - um das Risiko eines Zusammenstoßes mit der Raumstation möglichst zu minimieren.
Dabei waren sich die Expertinnen und Experten von Boeing und Nasa uneinig, wie hoch bei einem bemannten Rückflug das Risiko für die Gesundheit der Mannschaft gewesen wäre. Es habe wirklich zwei Lager gegeben, erklärten Nasa-Manager. Beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre wirken enorme Kräfte auf Raumkapseln. Die Hitzeschilde müssen Temperaturen von bis zu 1650 Grad Celsius aushalten.
Analyse der Probleme wird noch Monate dauern
Zahlreiche Sensoren an Bord der Kapsel sollten messen, wie die Bedingungen für Menschen im Inneren des «Starliners» gewesen wären. Die Daten würden in einer Woche heruntergeladen, die Auswertung werde einige Zeit in Anspruch nehmen, sagte Manager Stitch. Untersucht wird die Kapsel im Kennedy Space Center in Florida.
«Obwohl das Raumschiff unbemannt zurückgebracht werden musste, haben die Nasa und Boeing in der extremsten Umgebung unglaublich viel über «Starliner» gelernt», ist sich Nasa-Fachmann Ken Bowersox schon sicher. Nach diesem ersten bemannten Testflug zur ISS solle das Raumschiff nun möglichst schnell die Zertifizierung erhalten, um regulär Menschen auf die Raumstation zu fliegen und zurückzubringen.
Einige Dinge, die an der Kapsel verändert werden sollen, wurden von den Verantwortlichen schon benannt. Zum Beispiel müssten Abdichtungen vergrößert und damit sicherer gemacht werden. Außerdem soll das Überhitzen der Triebwerke in Zukunft verhindert werden.
Der nächste Flug des «Starliners» ist nicht mehr für Februar angesetzt, sondern wurde auf August 2025 geschoben. Die Nasa-Verantwortlichen betonten aber, an der Zusammenarbeit mit dem Konzern festzuhalten. «Die Nasa freut sich auf die weitere Zusammenarbeit mit dem Boeing-Team», meinte Bowersox.
Anderes Unternehmen, andere Raumanzüge
Die im All gestrandeten Williams und Wilmore sollen mit einem anderen Raumschiff zurück zur Erde gebracht werden: mit dem von der privaten Raumfahrtfirma SpaceX entwickelten «Dragon». Bei einer ab Ende September geplanten Mission zur ISS hält die Nasa zwei der vier Plätze für sie frei. Der Rückflug ist allerdings erst für Februar geplant - so lange müssen die beiden also noch ausharren.
Die beiden «Starliner»-Raumanzüge von Williams und Wilmore hingegen sind schon jetzt zurück zur Erde geflogen, denn diese Boeing-Ausrüstung kann in der SpaceX-Kapsel nicht verwendet werden. Die neue «Dragon» soll zwei SpaceX-Anzüge für die beiden mitbringen.
Plan für Notfall auf der ISS entwickelt
Was aber, wenn auf der ISS etwas passiert, ehe die «Dragon» ankommt? Dafür wurden mit Gegenständen von der Raumstation zwei provisorische Sitze im Frachtraum der aktuell dort angedockten «Dragon» eingerichtet, wie die Nasa erklärte. Diese Sitze funktionierten auch ohne Raumanzug. Williams und Wilmore könnten bei einem Notfall zusammen mit vier anderen Raumfahrern der ISS dort einsteigen und zur Erde zurückfliegen.
Ansonsten, erklärten Nasa-Manager bei einer Pressekonferenz schon Mitte der Woche, arbeiteten die beiden mittlerweile als Teil des Wissenschafts- und Forschungsteams auf dem fliegenden Labor mit. «Sie haben ihre Rolle als «Starliner»-Testpiloten hinter sich gelassen und sind nun Teil der Expedition und arbeiten tagtäglich als Teil des Teams», sagte Stitch. Managerin Dana Weigel ergänzte, das Fitnessprogramm sei aufgestockt worden und entspreche nun dem der anderen Langzeit-Raumfahrer.
Voller Einsatz im Weltall
Tatsächlich weisen sowohl Williams als auch Wilmore viel Weltraum-Erfahrung auf. Sie waren beide schon früher längere Zeit auf der ISS, haben Weltraum-Spaziergänge absolviert und kennen sich mit Robotik aus. Seit ihrer Ankunft im Juni hätten sie zusammengenommen schon mehr als 100 Stunden gearbeitet und an mehr als 40 Experimenten mitgewirkt, sagte Weigel.
Mittlerweile haben die beiden auch persönliche Gegenstände erhalten. Mit einem ohnehin geplanten Flug des Herstellers Northrop Grumman sei die Ausrüstung speziell für die beiden hochgeschickt worden.