Sorgen holen die Briten wieder ein

Kater nach Traumhochzeit

Sicherheitskräfte halten Wache nahe des Anschlagsortes im Juni 2017. Foto: epa/Sean Dempsey
Sicherheitskräfte halten Wache nahe des Anschlagsortes im Juni 2017. Foto: epa/Sean Dempsey

WINDSOR/LONDON (dpa) - Am Wochenende feiern Zehntausende in Windsor die royale Hochzeit. Mit dem Jahrestag des Anschlags in Manchester, der Untersuchung der Grenfell-Katastrophe und dem Brexit hält die düstere Realität nun wieder Einzug.

Als Prinz Harry (33) und Meghan Markle (36) am Wochenende bei strahlendem Sonnenschein mit ihrer Kutsche durch Windsor fuhren, schienen die Themen Terror, Grenfell und Brexit ganz weit weg. Zehntausende jubelten ihnen zu und schwenkten Union-Jack-Fähnchen. Der US-Bischof Michael Curry rüttelte die royale Hochzeitsgesellschaft mit einem flammenden Plädoyer für die verändernde Macht der Liebe auf. Die Welt schien für einen Moment still zu stehen.

Doch nun kehren sie wieder zurück, die Sorgen. Am Dienstag jährt sich der Anschlag auf Konzertbesucher in Manchester zum ersten Mal. 23 Menschen starben und Hunderte wurden verletzt oder traumatisiert, als der Attentäter Salman Abedi seine selbstgebaute Bombe im Foyer der Manchester Arena zündete. Großbritannien war im vergangenen Jahr das Ziel von fünf Terroranschlägen mit insgesamt 36 Toten. Erst kürzlich warnte der Chef des britischen Inlandsgeheimdienst MI5, Andrew Parker, die Terrororganisation IS plane weitere «vernichtende» und «komplexere» Attentate.

Premierministerin Theresa May und Prinz William nehmen am Dienstag an einem Gedenkgottesdienst in der Kathedrale von Manchester teil. Die Regierungschefin muss sich quälenden Fragen stellen. Hätte der Anschlag verhindert werden können, wenn die Polizei besser aufgestellt gewesen wäre? Abedi war kein Unbekannter. May war als Innenministerin verantwortlich für beispiellose Einsparungen bei der Polizei. Auch zum Einsatz der Feuerwehr gab es Kritik. Spezialkräfte wurden aus Sicherheitsgründen erst nach Stunden zu den Opfern vorgelassen. Hotlines für Betroffene, die der Mobilfunkbetreiber Vodafone einrichten sollte, waren nicht erreichbar.

Zutiefst erschütternd sind auch Berichte der Angehörigen von Opfern der Grenfell-Brandkatastrophe, die seit dieser Woche in einer öffentlichen Untersuchung aussagen. Bei dem Feuer in einem Londoner Wohnturm im Juni 2017 waren 72 Menschen ums Leben gekommen. Die Zusammensetzung der Jury und die Berufung des leitenden Richters waren genauso heftig umstritten wie der Umfang der Untersuchung.

Auch der Brexit treibt den Briten Sorgenfalten auf die Stirn. Noch immer ist unklar, wie die Regierung in London verhindern will, dass am Ende der etwa zweijährigen Übergangsphase nach dem EU-Austritt nicht wieder Grenzkontrollen zwischen dem britischen Nordirland und dem EU-Mitglied Republik Irland eingeführt werden.

Der irische Premierminister Leo Varadkar spricht offen davon, dass Großbritannien bereits im März 2019 ohne Abkommen aus der EU krachen könnte, sollte es keine Lösung geben. Bis Ende Juni sollen die Briten konkrete Vorschläge machen, fordert Brüssel.

Premiermisterin Theresa May steht von allen Seiten unter Druck. EU-freundliche Rebellen in ihrer konservativen Partei wollen sich mit der Opposition verbünden, um May die Hände zu binden. Wenigstens eine Mitgliedschaft in der Zollunion soll so sichergestellt werden. Auf der anderen Seite drohen die Brexit-Hardliner in ihrer Partei damit, sie zu stürzen, solle sie nicht einen harten Brexit durchsetzen. Bereits in den kommenden Wochen könne es zum Showdown im Parlament kommen. Es gibt bereits Gerüchte über eine bevorstehende Neuwahl.

Gut möglich, dass sich dann viele Briten in den kollektiven Glückstaumel der Royal-Wedding zurückwünschen.

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Jürgen Franke 22.05.18 18:40
Herr Stevens, ein Glaube kann bekanntlich
keine Verträge ersetzen. Wenn sich der Erfolg bei den Briten einstellen würde, wäre das dann das Ende der EU, denn die würde dann auseinander fliegen. Ich bin nach wie vor für ein vereintes Europa, in dem wir friedlich neben einander leben können. Insbesondere vor dem Hintergrund einer USA, auf die man sich nicht mehr verlassen kann.
Jürgen Franke 22.05.18 18:40
Das ist nun mal die Realität in einer Demokratie
Auch wenn man später feststellt, falsch gewählt zu haben, da man uninformiert oder überhaupt nicht gewählt hat, muss mit den Konsequenzen gelebt werden, denn in einer Demokratie zählen nur die Wählerstimmen. Eine Neuwahl hätte lediglich zur Folge, dass die May weg ist, aber an der Brexit Entscheidung kann nicht gerüttelt werden. Die May hatte bereits ohne Not eine Wahl vorgezogen, in der Hoffnung, die nötige Mehrheit für harte Verhandlungen zu finden. Genau das Gegenteil trat ein.
Dracomir Pires 22.05.18 16:26
"Mit dem Brexit hält die düstere ...
… Realität nun wieder Einzug". Das ist starker Tubak. Das kann nur jemand schreiben, der EU-Fan ist und gleichzeitig die Demokratie ins Lächerliche ziehen will.