Soldaten, IS-Opfer und ein Mandat

Kramp-Karrenbauer im Irak

Foto: epa/Gailan Haji
Foto: epa/Gailan Haji

ERBIL (dpa) - Die neue Verteidigungsministerin schnuppert erstmals Einsatzluft und lässt sich beeindrucken. Die Reise nach Jordanien und in den Irak ist ihr Einstieg ins internationale politische Geschäft. Als CDU-Chefin sitzen ihr dabei die Berliner Wirren im Genick.

Am dritten Tag ihrer Einsatzreise in den Nahen Osten kommt Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer der menschenverachtenden Gewalt islamistischer Terroristen ganz nahe. Sie trifft jesidische Frauen, die von der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) versklavt und missbraucht wurden und sich nach ihrer Befreiung mit dem Schritt in die Öffentlichkeit auch von der Opferrolle befreien wollen. Schüchtern haben sie sich am Mittwoch in einem Hotelzimmer in Erbil aufgestellt. Kramp-Karrenbauer, der das Treffen ein Herzensanliegen war, bittet alle Männer aus dem Raum, um unter Frauen offener sprechen zu können.

Da ist die 13-jährige Martin, die als Achtjährige verschleppt wurde und vier Jahre in Gefangenschaft war. Nur ihren Vater hat sie nach der Terrorherrschaft des IS noch - von einer einst großen Familie. Und Melika (35) berichtet vor Journalisten, wie sie insgesamt zehn Mal von Mann zu Mann verkauft wurde - und schließlich von ihrer Schwester mit geliehenem Geld, 17.000 US-Dollar, freigekauft wurde.

Es seien immer noch 3.000 Frauen in der Gefangenschaft des IS in Syrien, sagt Melika. «Ich will, dass diese Frauen frei kommen.» Sie selbst sei geschlagen und vergewaltigt worden, habe hungern müssen und wolle sich nach all dem doch der Angst nicht beugen. Deswegen auch der Schritt in die Öffentlichkeit, den die Hilfsorganisation Hawar Help unterstützt. «Ich mache das, damit uns endlich geholfen wird. Für uns ist der Schritt in die Öffentlichkeit die einzige Alternative», sagt Melika.

Es ist ein Moment, der zeigt, worum es beim internationalen Militäreinsatz der Anti-IS-Koalition auch geht. Die Täter müssen weiter verfolgt werden, den Opfern und dem ganzen Land soll mit Stabilisierung eine Perspektive gegeben werden.

Einen Monat nach ihrer Vereidigung hat Kramp-Karrenbauer mit der Reise die internationale Bühne betreten und die Einsatzwelt des Militärs. Sie informiert sich über die taktische Luftaufklärung, die die Bundeswehr für die Anti-IS-Koalition im Luftraum über Syrien inzwischen zu fast 100 Prozent liefert. Immer dabei: Eine lange Kolonne gepanzerter Geländewagen, in denen die CDU-Chefin mit ihrer Delegation und Personenschützern von Station zu Station fährt.

Bereits am ersten Tag zeigt sie sich von Lageberichten und Einsatzinformationen gefesselt. «Einer der beeindruckendsten Tage, die ich in meinem Leben je erlebt habe», sagt Kramp-Karrenbauer auf dem Militärflugplatz Al-Asrak in Jordanien, von wo aus das deutsche Kontingent geführt wird. Es ist ein Satz, der auch eine entwaffnende Ehrlichkeit hat in einer politischen Arena, in der auch mit vermeintlichen Regionalkenntnissen oder militärischem Halbwissen gepokert wird.

Die CDU-Chefin tritt dagegen als Zuhörerin auf. In dem Transall-Transportflugzeug, mit dem die Delegation im Einsatzgebiet unterwegs ist, lässt sie sich die Funktionsweise im Cockpit erklären. Erstmals trägt sie eine kugelsichere Weste. Und erstmals überhaupt ist sie im arabischen Nahen Osten.

Sie besucht das Hauptquartier der Anti-IS-Koalition in Bagdad und den nahen Militärkomplex Tadschi, wo die Bundeswehr irakische Sicherheitskräfte und Militär ausbildet. Bei Erbil im nordirakischen Kurdengebiet wird ihr am Mittwoch gezeigt, was kurdische Einheiten von den Deutschen lernen - darunter den Feuerkampf nach einem Überfall auf eine Fußpatrouille.

Kramp-Karrenbauer will, dass die deutsche Beteiligung am Anti-IS-Einsatz weitergeht - mit einem neuen Mandat über den 31. Oktober hinaus. Sie äußert sich vorsichtig und tastet sich vor, als wollte sie die Wirksamkeit ihrer Argumentation erst noch austesten.

Formuliert sie deutliche Haltungen, verweist Sie auf Äußerungen ihrer Gesprächspartner: «Wir verteidigen hier nicht die Sicherheit Jordaniens. Wir verteidigen hier die Sicherheit im Kampf gegen islamistischen Terrorismus, gegen den Islamischen Staat. Die Sicherheit von Europa und auch unsers eigenen Landes wird auch hier verteidigt», sagt sie in Al-Asrak. Das sei aus dem Mund der Verantwortlichen nochmal ganz deutlich geworden. Den Koalitionspartner SPD muss sie für eine Fortsetzung in Gesprächen in Berlin erst noch gewinnen.

Die Hauptstadt-Politik hat sie in ihrer mächtigen Doppelfunktion als Ministerin und CDU-Chefin stets mit im Gepäck. In Fahrzeiten zwischen den Stationen wird der Kontakt in die Heimat gehalten. Dass sie zuletzt mehrere große Themen verstolpert hat, darunter eine Frage zu einem möglichen Ausschluss von Ex-Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen aus der CDU - sitzt es ihr im Genick?

Die Gesprächspartner in der Region merken davon nichts und lernen die Saarländerin nun in ihrer neuen Rolle als Befehlshaberin der deutschen Streitkräfte kennen. Das Verteidigungsministerium zitiert auf Twitter den kurdischen Innenminister Rebar Ahmed nach dem Gespräch mit Kramp-Karrenbauer in Erbil: «Unsere Bitte an die internationale Gemeinschaft und an Deutschland: stärken Sie Ihre Präsenz hier in der Region, denn der #IS ist weiter eine große Gefahr.»

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TheO Swisshai 23.08.19 20:58
@Michael Meier / VT
Haben Sie sich angesprochen gefühlt ? Bis die Lüge mit den Massenvernichtungswaffen ausgekommen ist, galt es auch als Verschwörungstheorie. Apropos Kuwait, da war doch die von den Amis erfundene Geschichte mit den Babys, die aus den Brutkästen genommen und auf den Boden geworfen wurden. Auch das hat sich nachträglich als Lüge herausgestellt. Man hatte eine Werbefirma damit beauftragt und ein Mädchen das angeblich Zeugin war, hat die Geschichte unter Tränen verbreitet. Sie hat sich dann als Tochter des Kuwaitischen Botschafters in den USA herausgestellt. Fakts.
Rüdiger Huber 23.08.19 15:57
die Zeiten ändern sich
Wir haben damals Anfang der 70er Jahren auf der Schule gelernt, daß die Bundeswehr nur zur Verteidigung des territorialen Gebiets der BRD und nur hier in D stationiert sein darf. So wurde es uns gesagt und wir mussten es so lernen . Hintergrund war der 2.WK . Es sollte von D aus nie mehr ein Krieg ausgehen . Uns wurde auch gesagt es steht so auch in irgendwelchen Grundgesetzen. OK .Die Gesetze wurden diese geändert ? Ich glaube nicht. Es wurde wie viele andere Gesetze nur anders ausgelegt bzw hingebogen . Wir auch immer.
Ingo Kerp 23.08.19 13:21
Der ganze IS Terror hätte nie tattgefunden, hätte es keinen Lügen-Krieg im Irak unter dem senilen Bush jr. gegeben.