Sojus-Start zur ISS gescheitert

Raumfahrer überleben Notlandung

Der NASA-Astronaut der USA, Nick Hague (M-r.), und der russische Kosmonaut Alexey Ovchinin (M.). Foto: epa/Roscosmos
Der NASA-Astronaut der USA, Nick Hague (M-r.), und der russische Kosmonaut Alexey Ovchinin (M.). Foto: epa/Roscosmos

BAIKONUR (dpa) - Über der ISS-Mission von Alexander Gerst scheint kein guter Stern zu stehen. Erst gibt es ein rätselhaftes Leck an seinem Raumschiff. Nun scheitert der Start neuer Kollegen zum Außenposten der Menschheit im All. Muss der Deutsche länger oben bleiben?

Zwei Raumfahrer haben den ersten Fehlstart einer russischen Sojus-Rakete seit Jahrzehnten dank einer Notlandung überlebt. Retter bargen den russischen Kosmonauten Alexej Owtschinin und seinen US-Kollegen Nick Hague am Donnerstag aus ihrer Kapsel, die an Fallschirmen nahe der Stadt Dscheskasgan im Zentrum Kasachstans niedergegangen war. Nasa-Chef Jim Bridenstine schrieb auf Twitter, beide seien in einem guten Zustand. Die Trägerrakete hatte sich 119 Sekunden nach dem Start vom Weltraumbahnhof Baikonur wegen technischer Probleme abgeschaltet und aufgelöst.

Auf der Internationalen Raumstation ISS bleiben Kommandant Alexander Gerst aus Deutschland und seine Kollegen nun zunächst ohne neue Kollegen. Gerst zeigte sich erleichtert, dass der Fehlstart für die Besatzung vergleichsweise glimpflich ausging. «Schön, dass es unseren Freunden gut geht», schrieb er einige Stunden nach dem Vorfall auf Twitter. «Raumfahrt ist schwer», ergänzte er. Die Mühen seien aber wichtig für das Wohl der Menschheit.

Über eine mögliche Verlängerung von Gersts Aufenthalt wegen des Unfalls sei noch nicht entschieden, sagte Europas Raumfahrtchef Jan Wörner der Deutschen Presse-Agentur. «Dafür ist es jetzt zu früh, es hängt ganz wesentlich davon ab, wie schnell man die Ursache findet und für die Zukunft ausschließen kann.» Gersts Mission läuft bis Dezember. Falls er länger im All bleiben müsse, wäre dafür alles vorhanden, sagte Wörner, der Europas Raumfahrtbehörde Esa leitet.

Russische Raumfahrtexperten zeigten sich nach dem Vorfall zuversichtlich, dass der nächste Start zur ISS im Dezember stattfinden könne. Eine Rückkehr der jetzigen Crew zur Erde kann nicht ewig hinausgezögert werden, weil Sojus-Kapseln aus Sicherheitsgründen, vor allem wegen des Treibstoffs, nur rund sechs Monate an der ISS angedockt bleiben sollen. Gerst ist seit Anfang Juni im All.

«Alexander Gerst wird sicherlich noch einmal drei Monate länger da oben bleiben», sagte der frühere Astronaut Ulrich Walter der Deutschen Presse-Agentur in München. Der Professor für Raumfahrttechnik rechnet damit, dass Gerst und die zwei weiteren Besatzungsmitglieder erst Anfang 2019 zurückkehren können.

Für die russische Raumfahrt ist der Unfall ein schwerer Rückschlag. Er kommt auch zu einer Zeit, in der das sonst gute Verhältnis zu den US-Kollegen gespannt ist. Der neue Nasa-Chef Jim Bridenstine verfolgte den Start von Baikonur aus und vereinbarte mit den Russen eine Fortsetzung der Zusammenarbeit. Die USA hatten ihr Space-Shuttle-Programm im Jahr 2011 eingestellt. US-Astronauten können seither nur noch mit der Sojus zur ISS gelangen.

Bemannte Sojus-Starts wurden nach dem Fehlschlag ausgesetzt. «In einer solchen Situation gibt es vorerst keine weiteren Starts, bis die Ursache endgültig geklärt worden ist», sagte der für Raumfahrt zuständige Vizeregierungschef Juri Borissow. Zur Ursachenforschung wurde eine Kommission eingerichtet. «Andererseits hat sich gezeigt, dass die Notfall- und Rettungssysteme funktionieren, und das ist sehr wichtig», sagte Borissow der Agentur Interfax zufolge.

Die Sojus-Trägerrakete, eigentlich das bewährte Arbeitspferd der russischen Weltraumfahrt, hatte um 14.40 Uhr Ortszeit (10.40 Uhr MESZ) in Baikonur abgehoben. Nach vorläufigen Angaben von Experten traten schon beim Brennen der ersten Raketenstufe Probleme auf. Die Nasa sprach von einer «Anomalie» an der Stufe. Deswegen zündete die zweite Stufe nicht, sondern die Rakete löste sich auf.

Die Kapsel «Sojus-MS10» mit Owtschinin und Hague ging in eine flachere Flugbahn über. Es folgten bange Minuten bis zur Notlandung etwa 400 Kilometer vom Startpunkt entfernt. «Die Besatzung ist gelandet. Alle leben», gab schließlich Dmitri Rogosin, Leiter der russischen Raumfahrtbehörde Roskosmos, auf Twitter Entwarnung. Owtschinin und Hague wurden nach Baikonur geflogen. Sie sollten bis Freitagmorgen im Krankenhaus bleiben.

Die Suche nach den Raketenteilen dauerte indes an. Laut russischen Behörden richteten sie aber keine Schäden an Gebäuden an. Ein ähnlicher Unfall beim Start hatte sich zuletzt 1975 ereignet.

Über Gersts zweitem Raumflug und seiner Zeit als erstem deutschen Kommandanten der ISS scheint damit kein guter Stern zu stehen. An der Raumkapsel «Sojus-MS09», mit der er zur ISS kam, war kürzlich ein kleines Loch entdeckt worden. Zwar konnte das Leck geschlossen werden, doch die Ursache ist ungeklärt. Russische Experten verstiegen sich sogar zu der These, US-Astronauten hätten im Kosmos die Wand angebohrt.

Über das Frühjahr 2019 hinaus gibt es derzeit noch keine Verträge zwischen Roskosmos und den USA über Flüge von US-Astronauten zur ISS. Bridenstine sagte aber, er habe mit Rogosin eine fortgesetzte Kooperation auf der ISS vereinbart. Auch wollten beide Seiten gemeinsam nach Leben im All suchen und bei einer künftigen Mondstation kooperieren.

Auf der ISS arbeiten neben Gerst derzeit noch der Russe Sergej Prokopjew und die Amerikanerin Serena Aunon-Chancellor. Erst am vergangenen Donnerstag war eine russische Sojus-Kapsel von der ISS zur Erde zurückgekehrt. Die Kapsel mit den drei Raumfahrern Oleg Artemjew, Drew Feustel und Ricky Arnold hatte sicher in der Steppe von Kasachstan aufgesetzt.

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