So nah und doch so fern

Große Konjunktion 2020 @ NARIT Thailand in Chiang Mai

Das 1m-Teleskop des Observatoriums wird auch international zu Forschungszwecken genutzt. Gemessen wird hauptsächlich im sichtbaren Frequenzbereich des Lichtes. Foto: National Astronomical Research Institute Of Thailand (public Organization)
Das 1m-Teleskop des Observatoriums wird auch international zu Forschungszwecken genutzt. Gemessen wird hauptsächlich im sichtbaren Frequenzbereich des Lichtes. Foto: National Astronomical Research Institute Of Thailand (public Organization)

CHIANG MAI: Hobbyastronomen hatten sich den 21. Dezember 2020 schon lange vorgemerkt. War doch an diesem Tag die sogenannte Große Konjunktion von Jupiter und Saturn zu beobachten. Dieses seltene Ereignis war mit bloßem Auge gerade noch sichtbar, doch offenbarte ein Teleskop wesentlich mehr Details. So geschehen am National Astronomical Institut of Thailand (NARIT) in Chiang Mai.

„Du hast Glück“, sagt Khun Tim. „Wir haben am Nachmittag zwei freie Stunden für Teleskopzeit am großen 2.4m-Spiegelteleskop“. Das war ein Schock. Um dies zu verstehen, muss man folgendes wissen: Khun Tim ist Mitarbeiter beim NARIT. Er ist Koordinator in der Öffentlichkeitsarbeit und leitet die Nutzung des großen Forschungsteleskops auf dem Doi Intanon auf ca. 2.500 Meter Höhe.

Dieses Teleskop wird hauptsächlich genutzt, um thailändischen Wissenschaftlern, aber auch Astronomen weltweit, Beobachtungszeit zur Verfügung zu stellen, die das Teleskop für stolze Preise mieten können.

Die Aussicht, ein solches Teleskop auch einmal quasi privat nutzen zu können, ist tatsächlich überwältigend. Solche Möglichleiten gibt es so gut wie nie.

Von wegen hoher Stuhl und Okular! Viel technisches Equipment dient zur Steuerung des 2.4m-Telescops. Foto: Dunsbach
Von wegen hoher Stuhl und Okular! Viel technisches Equipment dient zur Steuerung des 2.4m-Telescops. Foto: Dunsbach

Bei dem Treffen am frühen Morgen des 21. Dezember 2020 eröffnet Khun Tim also jene einzigartige Chance, die größte Annäherung der beiden Gasriesen unseres Sonnen­systems zu beobachten, wenn auch noch bei Tageslicht vor der Dämmerung.

Sternstunde auf dem Doi Inthanon

Vom vor einem Jahr eröffneten Astronomiemuseum und Planetarium (Princess Sirinhorn AstroPark) in Chiang Mai sind es dann doch noch gut zwei Stunden bis auf die Höhenzüge des Doi Inthanon, wo sich gleich unterhalb des Gipfels, der ja strategisch von Militär besetzt ist, das Observatorium an den Berg schmiegt.

Es ist bereits der vierte Besuch dort, der leider nur mit Voranmeldung und Genehmigung möglich ist (für weitere Informationen bitte wenden an: Khun Toey, +66 (0)97-136.9995, siratchakorn@gmail.com ). „Normalerweise öffnen wir nur zweimal im Februar und März unser Observatorium für die interessierte Öffentlichkeit, um einen Einblick in unsere Instrumente und Forschungen zu geben.

Die Wissenschaftler freuen sich aber immer, wenn sternenbegeisterte Besucher ihnen bei der Arbeit über die Schulter schauen wollen. „Unser 2.4m-Teleskop wird vor allem genutzt, um die Spektren von sogenannten Veränderlichen sowie von planetaren Nebeln, Supernovaüberresten und fernen Galaxien zu erforschen. Mithilfe einer speziellen Kamera leiten wir die Lichtsignale in einen Spektographen. In diesem Jahr haben wir sogar ein 40m-Radioteleskop in der Nähe von Chiang Mai installieren können“, lässt Khun Tim mit strahlenden Augen wissen. Damit erweitert NARIT seinen eigenen Beobachtungshorizont hinein in den Radiowellenbereich. Quasare, Pulsare, Neutronensterne und aktive Galaxienkerne, sowie das Schwarze Loch im Zentrum unserer eigenen Milchstraße werden dann auch von Thailand aus beobachtet werden können.

Sternen-Okular hat lange ausgedient

Damit hat der Wissenschaftler kurz umschrieben, was man mit einem Teleskop eigentlich so macht. Obwohl die Forscher auf dem Doi Inthanon hauptsächlich im sichtbaren Frequenzbereich des Lichtes messen, ist es nicht mehr so, wie man sich das vielleicht noch landläufig vorstellt. Die Astronomen sitzen nicht mehr auf einem hohen Stuhl und schauen durch ein Okular in die Sterne. Heutzutage werden die elektromagnetischen Wellen mit flüssigem Stickstoff tiefgekühlten CCD-Kameras empfangen, aufbereitet und in empfindlichen Hochpräzisionsgeräten in ihr Spektrum zerlegt. Wir kennen das alle von Prismen oder vom Regenbogen – allerdings in wesentlich verfeinerter Form.

Der winterliche Sternenhimmel überstrahlt das Observatorium – Mars links oben. Foto: Dunsbach
Der winterliche Sternenhimmel überstrahlt das Observatorium – Mars links oben. Foto: Dunsbach

Bei der Aufbereitung der Signale werden in den unterschiedlichen Frequenzbändern kleine schwarze Linien sichtbar – die sog. Frauenhoferschen Spektrallinien. Diese entstehen, wenn unterschiedliche Elemente in den Sternen verschiedene Frequenzen absorbieren, also verschlucken. Im Spektrum fehlt sozusagen ein Stück Licht. Aus den Rückschlüssen, welche Elemente sich nun in den beobachteten Objekten befinden, kann man Aussagen machen über die Zusammensetzung einer Galaxie oder eines Sterns und berechnen, wie alt jener ist und in welcher Phase seiner Entwicklung er sich befindet, bzw. welche Elemente in welcher Konzentration bei einer Supernovaexplosion entstanden sind.

Im Laboratorium arbeiten studentische Hilfskräfte. Einer davon ist Khun Khai: „Als Kind bin ich mal im Bus an einem Observatorium vorbeigefahren und ich wollte unbedingt wissen, was das ist. Nachdem ich das erfahren hatte, ist meine Leidenschaft zu den Sternen und dem Universum entbrannt“. In dieser Nacht ist er verantwortlich für die Steuerung des Teleskopes, die Kontrolle der Wetterdaten, und die Online-Verbindungen zu den Wissenschaftlern, die von ihren eigenen Forschungsstätten aus auf das Teleskop zugreifen werden. Schnelles Internet macht´s möglich.

Der heute 30-Jährige hat bereits sein Bachelor- und Masterstudium hinter sich und beobachtet beim Weiterstudium auch sogenannte „Veränderliche“. Das sind Sterne, die ihre Helligkeit periodisch ändern. Vor allem in der Endphase eines Sternenlebens spielt dies eine große Rolle. Mithilfe dieser Beobachtungen kann man die tatsächliche Helligkeit und Größe des Sternes errechnen und Rückschlüsse auf dessen Entfernung ziehen. Somit sind solche Sterne sogenannte „Standardkerzen“, die in der Astronomie wie interstellare Entfernungsanzeiger funktionieren. Mit deren Hilfe lässt sich die bisher noch nicht erklärbare, aber sich beschleunigende Ausdehnung des Universums erforschen.

Lichtschwankungen ohne Erklärung

„In meiner Masterarbeit hatte ich ein Doppelstern-System beobachtet, das wiederum um einen weiteren Hauptstern kreist. Die primäre periodische Helligkeitsveränderung war uns ziemlich schnell klar. Allerdings beobachteten wir weitere Lichtschwankungen, für die wir bisher noch keine Erklärung haben“, führt er stolz aus und verweist zugleich auf die Veröffentlichung seiner Arbeiten in den „Monthly Notices of the Royal Astronomical Society“ (MNRAS 429, 256-268; 2013; MNRAS 456, 2446–2456, 2016).

Viel Sachverstand und technisches Wissen und Liebe zur Astrologie bedarf es zur Kalibrierung des Teleskops. Foto: Dunsbach
Viel Sachverstand und technisches Wissen und Liebe zur Astrologie bedarf es zur Kalibrierung des Teleskops. Foto: Dunsbach

Jene sogenannten Magnitudenschwankungen dienen ebenfalls dazu, sogenannten Exoplaneten zu entdecken, die in anderen Sonnensystemen um ihren Heimatstern kreisen. In Verbindung mit weltraumgestützten Teleskopen (z.B. das Kepler-Teleskop), erkennt man beim Transit eines Planeten vor dem Stern die regelmäßige Ab- und Zunahme seiner Leuchtkraft. Zum einen lassen sich dann die Umlaufbahn des Planeten bestimmen, sowie dessen Masse und Umlaufgeschwindigkeit. Ziel ist es, mit immer besseren Beobachtungen festzustellen, ob sich im Spektrum des Lichtes, das dabei durch die eventuell vorhandene Atmosphäre eines solchen Exoplaneten fällt, Ozon nachweisen lässt. Dies wäre ist der Beweis für das Vorhandensein von Sauerstoff auf diesem Planeten – eine wesentliche bio-chemische Voraussetzung für die Entstehung von Leben.

Königsklasse Tageslichtastronomie

Am späten Nachmittag begeben sich die Studenten in die Kuppel des Observatoriums in unmittelbare Nähe zum zentralen Spiegelteleskop. Für die Tageslichtobservation von Jupiter und Saturn muss es eigens kalibriert werden. Die Karemas werden noch mit Kühlflüssigkeit nachgetankt, die Kuppel geöffnet und mit dem Computer auf die richtige Stelle ausgerichtet. Hobbyastronomen ist klar, dass Tageslichtastronomie zur Königsklasse gehört. Aber bei einem Königlichen Observatorium versteht sich das wohl von selbst.

Klar heben sich im Hobbyteleskop die Krater und Konturen des Halbmondes von den Schattenzonen ab. Foto: Dunsbach
Klar heben sich im Hobbyteleskop die Krater und Konturen des Halbmondes von den Schattenzonen ab. Foto: Dunsbach

Und tatsächlich – nach einigen Justierungen erscheint vor einem blau-grauen Hintergrund der König der Planeten: Jupiter. Wer sich noch immer davon begeistern lassen kann, bekommt Tränen in die Augen. Die farblich unterschiedlichen, atmosphärischen Bänder aus Methan, Wasserstoff, Kohlendioxid und anderen Gasen werden langsam sichtbar. Selbst der Große Rote Fleck hat sich eingefunden – ein jahrhundertealtes, kompaktes und stabiles Sturmsystem.

Etwa ein Fünftel des optischen Monddurchmessers am Himmel entfernt: sein Halbbruder Saturn. Der Hula-Hoop-Planet zeigt sich im ausreichenden Winkel, um die Pracht seiner Ringe erahnen zu können. Selbst sein größter Mond, Titan, stellt sich ein. Die Cassini-Teilung – eine Spalte inmitten des Ringsys­tems – ist gut erkennbar.

Doch viel interessanter: Nach erneuter Kalibrierung von Teleskop und Kamera – die Aufnahme dessen, was man erst wieder in 400 Jahren beobachten kann: Die Große Konjunktion: Beide Planeten scheinen sich im Blickfeld ganz nahe zu kommen und stehen dicht beisammen. Als Schwarzweiß-Aufnahme und in sehr hoher Auflösung erkennt man die beiden Gasriesen bei ihrem himmlischen Rendezvous, bevor sie auf ihren eigenen Bahnen wieder ihre Wege ziehen. Jupiter prahlt mit seinen gut sichtbaren vier Galiläischen Monden, Saturn neigt sich dem großen Bruder ehrergiebig zu. Zwar überholt Jupiter den Saturn auf seiner Umlaufbahn etwa alle 20 Jahre, doch diese scheinbare Nähe, wie sie sich dem Erdbewohner diesmal bot, lässt nun wieder sehr lange auf sich warten.

Besucherteam und Wissenschaftler sind begeistert. Bevor sich aber das Riesenpaar hinter den Bäumen dem Horizont zuneigt und untergeht – noch schnell ein Blick mit eigenen Augen, die kaum mehr das optische Unterscheiden beider Planeten zulassen.

Im Kontrollraum werden Teleskop und Kameras gesteuert und die Forschungsdaten verarbeitet. Foto: Dunsbach
Im Kontrollraum werden Teleskop und Kameras gesteuert und die Forschungsdaten verarbeitet. Foto: Dunsbach

Der Rest der Nacht eröffnet trotz leuchtendem Halbmond einen ausgezeichneten Blick in den mit Sternen übersäten Himmel. Der prominente Orion, der mythologische Himmlische Jäger, geht im Osten auf, die anderen Wintersternbilder gesellen sich dazu. Bei der strahlenden Sternenvielfalt fällt es sogar dem geübten Astrofreund nicht leicht, die Strukturen zu erkennen, die sich sonst nur aus den hellen Himmelskörpern ergeben. Der Stier steht schützend zwischen dem Jäger und dem Siebengestirn, der Plejaden – ein Ensemble von sieben mythischen Nymphen. Das Winter-Sechseck, bestehend aus dem hellsten Stern Sirius, gefolgt von Prokyon, Pollux, Capella, Aldebaran und Riegel im Orion, gibt dennoch Orientierung. Unsere Nachbargalaxie Andromeda leuchtet diffus und kaum erkennbar am östlichen Horizont.

Mit Anstrengung zu den Sternen

Bei solchen Nächten schlägt das Herz des Hobby-Astronomen höher. Selbst mit eigenen, deutlich kleineren Teleskopen lassen sich die Planeten einfangen, ja sogar weit entfernte Nebel innerhalb unserer Milchstraße, wie auch andere Galaxien im unendlichen Weltraum.

Per Aspera Ad Astra – mit Anstrengung zu den Sternen: Wer Astronomie – auch als Hobby - betreibt, muss kälteresistent sein. Sogar mit warmer Kleidung und gut geschützt kriechen die knapp zwei Grad langsam die Beine hoch, sodass ein Heimweg durch die Nacht zwar trauriger Abschied bedeutet, aber mit ergreifenden Einblicken in den brillanten Sternenhimmel und unser eigenes Sonnensystem, in dem wir unsere galaktische und wunderbare Heimat haben.

Galaktisches im Netz

• Große Konjunktion von Jupiter und Saturn 21.12.2020 @ NARIT auf YouTube: https://youtu.be/rFfxU0vRFls.

• Webseite vom Astro Parc Chiang Mai: www.museumthailand.com/en/museum/NARIT.

• Webseite vom NARIT: www.narit.or.th/index.php/en-home.

• Video über NARIT: www.youtube.com/watch?v=uuDBvH7kjr8.

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