Sloweniens EU-Ratspräsidentschaft beginnt mit Eklat

​Ein Foto zu viel  

Sloveniens Premierminister Janez Jansa trifft zu einem EU-Gipfel in Brüssel ein. Foto: epa/Johanna Geron
Sloveniens Premierminister Janez Jansa trifft zu einem EU-Gipfel in Brüssel ein. Foto: epa/Johanna Geron

LJUBLJANA: Der slowenische Ministerpräsident Janez Jansa ist einer der umstrittensten Staats- und Regierungschefs in der EU. Jetzt übernimmt sein Land den EU-Ratsvorsitz. Gleich zum Auftakt kommt es zu einem Eklat.

Zum Auftakt der EU-Ratspräsidentschaft Sloweniens ist es bei einem Treffen zwischen der EU-Kommission mit Ministerpräsident Janez Jansa zu einem Eklat gekommen. EU-Kommissionsvize Frans Timmermans boykottierte am Donnerstag nach den Gesprächen im Brdo Congress Center demonstrativ den Termin für das Familienfoto, weil sich der rechtsnationale Jansa zuvor in einer Arbeitssitzung über angeblich kommunistische Richter und Abgeordnete in seinem Land beschwert hatte. Dabei wurde nach Angaben von Teilnehmern sogar ein Foto gezeigt, auf dem von Jansa kritisierte Richter eingekreist waren.

Der Sozialdemokrat Timmermans sagte dazu der «Süddeutschen Zeitung», er habe einfach nicht auf demselben Podium mit Jansa stehen können, nachdem dieser zwei Richter und zwei Abgeordnete der sozialdemokratischen Fraktion im EU-Parlament «inakzeptabel angegriffen und diffamiert» habe. Die Unabhängigkeit der Justiz und die Achtung der Rolle der gewählten Abgeordneten seien ein Grundpfeiler der Rechtsstaatlichkeit, ohne die die EU nicht funktionieren könne.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wies Jansa nach Angaben von Teilnehmern des Treffens darauf hin, dass Richter durchaus eine Biografie haben dürften und dass man mit ihnen respektvoll umgehen müsse, auch wenn sie eine andere politische Meinung hätten. Ein Sprecher der slowenischen Präsidentschaft wollte sich zunächst nicht zu der Sache äußern. Er verwies darauf, dass die Gespräche vertraulich gewesen seien.

Auch von der Leyen hatte den Vorfall in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Jansa zunächst nicht erwähnt. Sie mahnte ihn allerdings, sich an rechtsstaatliche Standards zu halten. Vertrauen sei das wertvollste Kapital der EU. Dazu gehöre auch Vertrauen in ein unabhängiges Justizsystem. Ein EU-Beamter sprach von einer «überflüssigen Provokation» Jansas.

Slowenien hatte den alle sechs Monate wechselnden EU-Ratsvorsitz wenige Stunden zuvor von Portugal übernommen. Die frühere jugoslawische Teilrepublik will sich in ihrer Präsidentschaft unter anderem für schnellere Fortschritte bei EU-Beitrittsgesprächen mit den noch nicht aufgenommenen Balkanländern einsetzen. Wegen des umstrittenen politischen Kurses von Jansa muss das Land allerdings fürchten, dass andere Themen die Präsidentschaft überschatten.

Der Politiker steht unter anderem in der Kritik, weil er die Arbeit der neuen Europäischen Staatsanwaltschaft behindert, indem er die Entsendung zweier slowenischer Ankläger blockiert. Zudem werden ihm Angriffe gegen die Pressefreiheit und Zivilgesellschaft sowie eine Unterstützung des umstrittenen ungarischen Gesetzes zur Einschränkung von Informationen über Homosexualität vorgeworfen.

Als kleines Land mit nur rund 2,1 Millionen Einwohnern hat Slowenien bei europäischen Entscheidungsprozessen normalerweise keinen besonders großen Einfluss. Als EU-Vorsitzland kommt ihm nun aber für eine halbes Jahr eine wichtige Vermittlerrolle bei Meinungsverschiedenheiten zwischen den EU-Staaten zu. Slowenien ist seit 2004 Mitglied der EU und auch der Nato.

Wegen der Behinderung der Europäischen Staatsanwaltschaft forderten Europapolitiker die EU-Kommission zum Start der Ratspräsidentschaft auf, ein neues EU-Sanktionsinstrument zu nutzen, um Zahlungen an Slowenien aus dem Gemeinschaftshaushalt auszusetzen. Die jüngsten Entwicklungen im Land erforderten ein sofortiges Handeln der EU, heißt es in einem Brief, der von den deutschen Grünen-Abgeordneten Daniel Freund, Franziska Brantner und Sergey Lagodinsky initiiert wurde.

Scharfe Kritik kam auch von dem linken Europaabgeordneten Martin Schirdewan. «Der jetzige Regierungschef Jansa schüchtert im eigenen Land Journalistinnen und Journalisten ein und streicht nicht regierungstreuen Medienhäusern Gelder», sagte er. Ein inhaltliches Programm für die Ratspräsidentschaft, das über «sicher aus der Pandemie» hinaus gehe, gebe es hingegen nicht.

Der Vizechef der SPD-Fraktion im Bundestag, Achim Post, sagte: «Natürlich gilt es jetzt, die slowenische EU-Ratspräsidentschaft so gut es geht dabei zu unterstützen, dass Europa in der Krise weiter zusammenhält.» Das dürfe aber keineswegs bedeuten, dass man Jansa in den nächsten Monaten mit Samthandschuhen anfasst.

Bei der Pressekonferenz mit von der Leyen wies Jansa am Donnerstag alle Vorwürfe zurück und warb um Unterstützung für seine Prioritäten der EU-Ratspräsidentschaft. Die EU-Erweiterung sei eine strategische Antwort auf wichtige Herausforderungen, sagte er. Wenn die EU sich nicht erweitere, würden das andere tun, warnte er mit Blick auf Interesse von Ländern wie China und Russland auf dem Balkan.

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Frank Matthias 02.07.21 14:40
Ratspräsidentschaft
Sloweniens Ratspräsidentschaft ist ein verlorenes halbes Jahr.
Die Osterweiterung der EU stellt sich immer mehr als großer Pferdefuß europäischer Politik heraus.
Die Regeln für wirkungsvolle Zusammenarbeit nach dem Grundlagenvertrag und der Charta der Menschenrechte müssen reformiert werden, um auch sanktionieren und ausschließen zu können.
Urs Widmer 02.07.21 14:10
Jansa? Der hat doch Trump als Erster zur grandiosen Wiederwahl gratuliert und sich damit bis auf die Knochen blamiert …….. .
Ingo Kerp 02.07.21 13:50
Soweit die vielbeschworene Einigkeit innerhalb der EU. Klar moechte jedes Land in die EU, die bietet viele Vorteile und man kann lieb oder hetzend weitermachen, wie bisher. Auch die nationale Karte kann man spielen, einen Rauswurf sieht die EU vertragl. nicht vor, wen man einmal drin ist. Da ist die Satzung von jedem Kegelverein gerechter.
Beat Sigrist 01.07.21 17:10
Kaffeetassensatz lesen
Habe ich geträumt oder ist Folgendes wirklich geschehen: In meiner leeren Kaffeetasse stand heute geschrieben, dass die Balkanländer welche bereits heute zur demokratischen EU gehören die alleinige Macht über alle EU Länder übernommen haben! Ist dieser Gedankengang so unrealistisch oder könnte dies eines Tages Wirklichkeit werden? Fast jedes Balkanland in der EU hat schon heute im Jahr 2021 EU Gesetze gestrichen und durch Ihre eigenen Gesetze aus der ehemaligen Warschauer Pakt-Zeiten wieder eingeführt. Menschenrechte, welche in der EU zugesichert sind, werden dort abgeschafft und durch Diktatoren-Gesetze ersetzt. Bürger, welche nicht nach deren Pfeife tanzen, verschwinden von der Bildfläche oder werden irgendwo tot aufgefunden(was mehreren Journalisten bereits jetzt 2020/21 passiert ist). Europa ist Europa aber die EU ist nicht Europa, sondern nur ein Teil von Europa. Im Grundgesetz der EU steht, dass die EU nicht eigenständig ein anderes EU-Land aus der EU herauswerfen kann, sondern nur deren EU Rechte verweigern können. Diese Klausel sollte dringendst ersetzt werden um Länder, welche sich nicht an die Grundrechte der Menschheit hält, von der EU entfernt werden können. Man liest immer wieder, dass die EU viele Balkanländer nur als Puffer zu Russland aufgenommen hat. Schon mal daran gedacht liebe EU, dass Russland, falls es dies möchte, einfach über den Puffer hinwegfliegt, oder etwas über diese Länder rüberfliegen lässt?