Skulpturen, Schismen und Skandale

Franziskus' schwerer Reformkurs

Foto: epa/Claudio Peri
Foto: epa/Claudio Peri

ROM (dpa) - Die Weltkirche wird südlicher. Der Papst aus Argentinien stößt mit seinem Reformkurs vor allem im Norden auf Widerstand. Nach der Amazonas-Synode steht er nun vor einer wichtigen Entscheidung.

An diesen Skulpturen schieden sich in Rom die Geister: Fünf Holzfiguren aus Südamerika, die eine unter Indigenen verehrte Muttergöttin darstellen sollen. Zwei Wochen lang standen sie wenig beachtet in der Seitenkapelle einer Kirche nahe dem Petersplatz. Dann kam ein junger Österreicher, packte sie unter den Arm, warf sie in den Tiber und stellte ein Video davon ins Internet. Götzenbilder, so der Mann, gehörten nicht in eine katholische Kirche. Konservative Katholiken applaudierten, der Vatikan verurteilte die Tat.

Der Tiberwurf der Pachamama-Figuren während der Amazonas-Synode im Oktober machte auf seine Weise deutlich, wie in der katholischen Kirche die Frontlinien verlaufen: Reformkräfte um Papst Franziskus auf der einen Seite und konservative Hardliner auf der anderen.

Während Franziskus als Bischof von Rom um Verzeihung bat, begrüßte der deutsche Kardinal Walter Brandmüller die Aktion des Wieners als «zeichenhaftes Tun». Die Synode, die über die Probleme der Amazonas-Region beriet und dabei eben auch eine gewisse Öffnung für indigene Spiritualität zeigte, war konservativen Papstkritikern wie Brandmüller schon vor Beginn ein Dorn im Auge.

Sieben Jahre ist Franziskus im kommenden März im Amt. Der erste Pontifex aus Südamerika, der Papst «vom Ende der Welt», wie er nach seiner Wahl 2013 scherzte, steht vor einer wichtigen Entscheidung. In einem postsynodalen Schreiben wird er seine Schlussfolgerungen aus der Synode ziehen und in eine für die Weltkirche verbindliche Form bringen. Ihm liegt ein Abschlussdokument vor, das es in sich hat. Die Synodenväter - meist Bischöfe aus Lateinamerika - empfehlen darin, wegen des Priestermangels im Amazonasgebiet in Einzelfällen auch verheiratete Diakone zu Priestern zu weihen. Hardliner wie Brandmüller oder der deutsche Kardinal Gerhard Ludwig Müller sehen darin einen Angriff auf den Zölibat, die Pflicht zur Ehelosigkeit katholischer Priester.

Wird Franziskus verheiratete Priester zulassen? Wenn er nicht «als Papst der bloßen Ankündigungen» in die Geschichte eingehen wolle, werde er zumindest für die Amazonasregion eine Lockerung des Pflichtzölibats beschließen müssen, schreibt der Wiener Theologieprofessor Jan-Heiner Tück in einem Beitrag der «Neuen Zürcher Zeitung».

Nach Einschätzung des Vatikan-Experten und Buchautoren Marco Politi hat sich bei der Amazonas-Synode - anders als bei der Familiensynode 2015 - die Reformlinie in der Kirche klar durchgesetzt, ein Erfolg für Franziskus. «Dieses Mal gibt es eine Zwei-Drittel-Mehrheit für eine grundlegende Reform in der katholischen Kirche mit lateinischem Ritus», sagt Politi der Deutschen Presse-Agentur in Rom.

Franziskus' Reformkurs hat mächtige Gegner, unter anderem in den USA. Das italienische Magazin «L'Espresso» sprach - in Anlehnung an die Neokonservativen («Neocons») - von den US-amerikanischen «Teocons», an ihrer Spitze Kurienkardinal Raymond Leo Burke. Im Spätsommer sorgte in dem Zusammenhang auch ein Buch des französischen Vatikankorrespondenten Nicolas Senèze mit dem Titel «Wie Amerika den Papst verändern will» für Aufsehen. Und schon machte das Wort von einem drohenden Schisma, einer Kirchenspaltung, die Runde. «Ich habe keine Angst vor Schismen. Aber ich bete, dass sie nicht passieren», sagte der Papst im September auf dem Rückflug von Mosambik.

Die Reise nach Südostafrika, wie auch die jüngste nach Thailand und Japan, stand für die vielen Reisen, die Franziskus weit weg von Rom geführt haben. Der Pontifex reagiert damit auf die Verschiebungen in der Weltkirche. Von den 1 313 278 000 Katholiken - so die zuletzt vom Vatikan verbreitete offizielle Zahl - lebt der größte Teil in Lateinamerika, Afrika und Asien. Während die Zahl der Katholiken in Afrika 2017 im Vergleich zum Vorjahr um 2,47 Prozent auf gut 234 Millionen stieg, stagnierte sie in Europa bei etwa 285,7 Millionen. Noch ist «der Norden» unter den Kardinälen überrepräsentiert. Europa stellt 54 von 128 wahlberechtigten Kirchenfürsten, Nordamerika 16. Zur Papstwahl berechtigt sind Kardinäle bis zur Vollendung des 80. Lebensjahrs.

«Die Machtverschiebung in der Kirche weg vom Norden hin zum Süden verschärft die Spannungen innerhalb der Institution», schreibt das britische Magazin «The Economist». Dass auch bei der Kurienreform daheim in Rom noch viel zu tun ist, zeigt ein neuer Finanzskandal.

Die Justiz des Vatikanstaats ermittelt gegen Mitarbeiter des Staatssekretariats und der Vatikan-Finanzaufsicht. Es geht laut Medienberichten um einen - wohl verlustreichen - Immobiliendeal in London. «Es ist eine hässliche Sache», sagte Franziskus auf dem Rückflug von Japan. «Die Reform der Vatikan-Finanzen, die dieser Papst eingeleitet hat, ist noch lange nicht abgeschlossen», sagt der Vatikan-Experte Iacopo Scaramuzzi der dpa.

Nach Einschätzung des «Vaticanista» Politi werden die Franziskus-Kritiker weiter versuchen, den Papst zu delegitimieren. «Diese Eskalation der Aggressivität wird weitergehen», sagt Politi der dpa. Eine Kirchenspaltung erwartet er aber nicht. «Ich glaube nicht, dass es zu einem Schisma kommt. Jetzt sammeln sich die konservativen Kräfte für das nächste Konklave, um Einfluss zu nehmen auf die Wahl des nächsten Papstes», sagt er.

Überzeugen Sie sich von unserem Online-Abo:
Die Druckausgabe als voll farbiges PDF-Magazin weltweit herunterladen, alle Artikel vollständig lesen, im Archiv stöbern und tagesaktuelle Nachrichten per E-Mail erhalten.