Silvester-Anschlag im Ruhrgebiet

Täter muss in die Psychiatrie

Der Angeklagte kommt mit einem Briefumschlag vor dem Gesicht in den Gerichtssaal. Foto: Marcel Kusch/Dpa
Der Angeklagte kommt mit einem Briefumschlag vor dem Gesicht in den Gerichtssaal. Foto: Marcel Kusch/Dpa

Essen (dpa) – ES WAR LAUT GERICHT KEINE TERROR-TAT: Dass ein Mann in der Silvesternacht im Ruhrgebiet sein Auto mitten in feiernde Menschen steuerte, lag demnach an einem akuten Schub von Geisteskrankheit. Der Täter kommt nun in die Psychiatrie.

Es waren dramatische Szenen: In der Silvesternacht steuerte ein Autofahrer seinen Wagen in Bottrop und Essen plötzlich in feiernde Menschengruppen - und wählte Menschen aus, die er für Ausländer hielt. Insgesamt wurden 14 Menschen verletzt. Am Mittwoch ist der 50-jährige Deutsche nun auf unbestimmte Zeit in die geschlossene Psychiatrie eingewiesen worden. Die Taten selbst werteten die Richter unter anderem als Mordversuch.

Einen terroristischen Hintergrund sah das Essener Landgericht nicht. «Die Geschädigten sind nicht Opfer eines rechtsradikalen Täters geworden», sagte Richter Simon Assenmacher in der Urteilsbegründung. «Es ist vielmehr die Tat eines schwer erkrankten Menschen.»

Der Angeklagte leide seit Jahren unter paranoider Schizophrenie. Schon Stunden vor der Tat sei er von Wahnvorstellungen verfolgt worden. Gegen Mitternacht sei er schließlich völlig ohne Grund ins zehn Kilometer entfernte Bottrop und später zurück nach Essen gefahren.

Die Irrfahrt führte über Plätze, durch Fußgängerzonen und über Bürgersteige. Wahllos habe er seine Opfer aber nicht ausgesucht. «Seine Fahrt richtete sich gezielt gegen Menschen mit ausländischem Aussehen», so Assenmacher. Dabei habe er den Tod der Opfer billigend in Kauf genommen.

Dennoch könne dem Essener abseits seiner Wahnvorstellungen kein Ausländerhass unterstellt werden. Ausgelöst durch einen akuten Schub seiner paranoiden Schizophrenie, habe er in der Silvesternacht geglaubt, dass ein Anschlag vorbereitet werde oder schon im Gange sei. In dieser Situation habe er sich beauftragt gefühlt, dies zu verhindern. «Er wähnte sich in einer Mission, die Straßen wie mit einem Staubsauger langsam zu reinigen», sagte Assenmacher.

Eine Frau wurde dabei zweimal über und schwebte vorübergehend in akuter Lebensgefahr. Nur dem Glück und dem medizinischen Können der Ärzte sei es zu verdanken gewesen, dass sie nicht verblutete. Die Opfer litten zum Teil bis heute unter den physischen und psychischen Folgen der Tat, sagte der Richter.

Bei dem 50-Jährigen war die Fähigkeit, das Unrecht einzusehen, laut Urteil komplett aufgehoben. Eine klassische Bestrafung komme angesichts der sicher feststehenden Schuldunfähigkeit deshalb nicht in Frage. Wegen seiner Gefährlichkeit müsse der Täter in der geschlossenen Psychiatrie untergebracht werden.

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