Selenskyj fordert mehr Hilfe nach Dammexplosion 

Anwohner evakuieren ihr Haus in einem überschwemmten Gebiet von Kherson. Foto: epa/George Ivanchenko
Anwohner evakuieren ihr Haus in einem überschwemmten Gebiet von Kherson. Foto: epa/George Ivanchenko

KIEW: Der ukrainische Präsident Selenskyj empfängt Kanadas Premier Trudeau. Angesichts schwerer Gefechte im Süden des Landes spricht er von ukrainischen Gegenangriffen. Im Folgenden ein Überblick zum Geschehen in der Nacht und ein Ausblick auf den Tag.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat sich nach einem überraschenden Besuch von Kanadas Premierminister Justin Trudeau für neue Militärhilfe aus Ottawa bedankt. Wichtig sei vor allem die Lieferung von Artilleriemunition, sagte er am Samstag in seiner täglichen Videoansprache. Er lobte zudem Kanadas Einsatz für eine internationale Koalition, die der Ukraine bei der Beschaffung westlicher Kampfjets helfen soll.

Im Gegenzug sei Kiew bereit, Kanada bei der Bekämpfung der dortigen Waldbrände zu helfen, falls eine solche Unterstützung nötig sei, sagte Selenskyj. Zugleich rief er internationale Hilfsorganisationen erneut dazu auf, sich angesichts der verheerenden Überschwemmungen nach der Staudamm-Zerstörung in der Südukraine auf von Russland besetztem Gebiet zu engagieren. Am rechten, ukrainisch kontrollierten Dnipro-Ufer seien inzwischen 3000 Menschen vor den Wassermassen in Sicherheit gebracht worden. Im russisch kontrollierten Gebiet erhielten die Menschen aber keine wirkliche Hilfe aus Moskau, sagte Selenskyj.

Kanada kündigt neue millionenschwere Militärhilfen für Kiew an

Mit Blick auf die Zerstörung des Kachowka-Staudamms stelle Kanada weitere zehn Millionen Kanadische Dollar (knapp sieben Millionen Euro) für humanitäre Hilfe bereit, sagte Trudeau bei seinem Besuch in Kiew. Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Selenskyj bekräftigte er am Samstag die fortlaufende Unterstützung für das von Russland angegriffene Land. «Kanada steht an der Seite der Ukraine mit allem, was nötig ist und solange es nötig ist», sagte er. «Das ist ein folgenreicher Moment für die Ukraine, aber auch ein folgenreicher Moment für die Welt.»

Trudeau sagte der Ukraine weitere Militärhilfen im Umfang von etwa 500 Millionen kanadischen Dollar (knapp 350 Millionen Euro) zu. Außerdem werde sich Kanada dem multinationalen Ausbildungsprogramm für ukrainische Kampfpiloten und der Wartung von Kampfpanzern des Typs Leopard anschließen. Der nordamerikanische Nato-Staat hat Kiew nach eigenen Angaben seit Beginn des russischen Angriffskriegs bereits Militärhilfen im Umfang von mehr als einer Milliarde Dollar zur Verfügung gestellt.

Selenskyj: Ukrainische Gegenangriffe laufen

In seiner Videobotschaft ging Selenskyj nur am Rande auf die Gefechte im Süden des Landes ein, nachdem er zuvor den Beginn von ukrainischen Gegenangriffen entlang der Front bestätigt hatte. Im Rahmen der Verteidigung liefen Gegenangriffe in der Ukraine, sagte er am Samstag bei einer Pressekonferenz in Kiew. «In welchem Stadium sie sind, werde ich detailliert nicht sagen.» Er ließ damit offen, ob es sich um den Beginn der seit Monaten erwarteten ukrainischen Gegenoffensive handelt.

Zugleich widersprach Selenskyj Russlands Präsident Wladimir Putin, der am Vortag erklärt hatte, die ukrainische Gegenoffensive habe begonnen, jedoch habe Kiew seine selbst gestellten Ziele dabei nicht erreicht. Er würde weder Telegram-Kanälen noch Putin glauben, die das Scheitern der Offensive erklärten, sagte Selenskyj. Er sei täglich im Gespräch mit seinen Generälen und die seien «in guter Stimmung». «Das können Sie Putin so mitteilen.» Vertrauen könne man nur dem ukrainischen Militär.

Der ukrainische Generalstab hat bislang öffentlich noch nichts zum Beginn der Gegenoffensive mitgeteilt. Die Offensive wird seit März erwartet. Kiew hat von westlichen Verbündeten zahlreiche Waffensysteme bekommen, unter anderem deutsche Kampfpanzer vom Typ Leopard. Mit der Großoffensive will die ukrainische Führung von Russland besetzte Territorien zurückerobern. Zuletzt gab es Berichte über schwere Gefechte im Süden der Ukraine.

Russisches Militär will vier weitere Leopard-Panzer zerstört haben

Das russische Militär hat nach eigenen Angaben weitere Vorstöße der Ukrainer im Gebiet Saporischschja und im südlichen Donezk abgewehrt und den Angreifern dabei hohe Verluste zugefügt. «Die Gesamtverluste der ukrainischen Streitkräfte in den genannten Gebieten innerhalb eines Tages beliefen sich auf bis zu 300 Soldaten, 9 Panzer, darunter 4 Leoparden, und 11 Schützenpanzer, darunter 5 amerikanische Bradley», sagte der Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow, am Samstag. Auch eine französische Haubitze vom Typ Cesar sei zerstört worden. Unabhängig lassen sich die Angaben nicht überprüfen.

Angriffe habe es nahe der Stadt Orichiw und an der Grenze zwischen den Gebieten Saporischschja und Donezk südlich der Ortschaft Welyka Nowosilka gegeben, sagte Konaschenkow. «Alle Attacken des Gegners wurden zurückgeschlagen», hieß es weiter - zudem seien zwei ukrainische Marschkolonnen von der russischen Artillerie getroffen worden. Das Verteidigungsministerium präsentierte anschließend Bilder zerstörter Panzer. Angaben des Ministeriums zu Verlusten der ukrainischen Seite haben sich in der Vergangenheit oft als übertrieben herausgestellt.

Was am Sonntag wichtig wird:

Im Gebiet Cherson laufen angesichts des Hochwassers die Rettungs- und Hilfsaktionen weiter. Teilweise sinkt der Wasserspiegel bereits wieder. Mit Spannung wird außerdem auf mögliche weitere Informationen über die ukrainische Gegenoffensive gewartet, nachdem Selenskyj erstmals von Gegenangriffen gesprochen hat.

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