Seehofer verlängert Grenzkontrollen

Deutschlands Innenminister Horst Seehofer. Foto: epa/Felipe Trueba
Deutschlands Innenminister Horst Seehofer. Foto: epa/Felipe Trueba

LUXEMBURG (dpa) - Reisen ohne Grenzkontrolle - das garantiert in Europa der Schengen-Raum. Seit Jahren weichen einige Länder dieses System jedoch auf, auch Deutschland. Seehofer will die Kontrollen nun verlängern. Ist die Reisefreiheit langfristig gefährdet?

Ungeachtet der Kritik aus der EU verlängert Deutschland seine Kontrollen an der Grenze zu Österreich für ein weiteres halbes Jahr. «Die Voraussetzungen für eine Aufhebung der Binnengrenzkontrollen sind derzeit noch nicht gegeben», sagte Innenminister Horst Seehofer (CSU) am Freitag laut Mitteilung. Ziel sei jedoch, zum kontrollfreien Schengen-Raum zurückzukehren. Deutschland und andere Staaten stoßen wegen der Grenzkontrollen im eigentlich kontrollfreien Schengen-Raum EU auf deutlichen Widerstand in der EU.

Seehofers Ministerium begründete die Entscheidung damit, dass immer noch viele Migranten von einem EU-Land ins nächste weiterzögen und der EU-Außengrenzschutz unzureichend sei. Die EU-Kommission sollte noch am Freitag darüber informiert werden. Durch die Verlängerung laufen die Kontrollen an der Grenze zu Österreich nun bis zum 11. Mai 2019. Ein Staatssekretär informierte die anderen europäischen Länder am Freitag während eines Treffens der EU-Innenminister in Luxemburg über Seehofers Entscheidung.

Deutschland hatte die Kontrollen an der Grenze zu Österreich im Herbst 2015 eingeführt, nachdem sich Zehntausende Flüchtlinge und andere Migranten von Griechenland über die Balkan-Route auf den Weg nach Westeuropa gemacht hatten. Derzeit gibt es drei stationäre Kontrollen an Autobahnübergängen und zudem unregelmäßige Kontrollen an kleineren Grenzübergängen. Außerdem werden in Grenznähe Schleierfahnder eingesetzt. Eigentlich gibt es im Schengen-Raum, dem 26 europäische Länder angehören, keine stationären Personenkontrollen an den Grenzen.

Neben Deutschland kontrollieren derzeit fünf weitere europäische Länder zumindest Teile ihrer Schengen-Grenzen: Österreich, Schweden, Frankreich, Dänemark sowie das Nicht-EU-Land Norwegen. Sie begründen das mit Sicherheitsproblemen, die aus der Flüchtlingskrise resultierten. Die Frist für derlei Kontrollen beträgt sechs Monate, kann aber verlängert werden. Dies muss in jedem Fall neu bei der EU-Kommission begründet werden.

Frankreich und Österreich hatten dies bereits getan. Am Freitag bestätigte ein Sprecher der Behörde auch, das Schreiben Dänemarks sei eingegangen. Den Eingang der deutschen Notifizierung konnte er zunächst nicht bestätigen.

Die Grenzkontrollen sind im Kreis der EU-Staaten nicht unumstritten. EU-Innenkommissar Dimitris Avramopoulos forderte Deutschland und die anderen Staaten beim Treffen der Innenminister dazu auf, sie möglichst bald zu beenden. «Die Bürger Europas müssen weiterhin das Gefühl haben, frei herumreisen zu können.» Er könne sich ein Europa mit geschlossenen Binnengrenzen nicht vorstellen. Luxemburgs Minister Jean Asselborn sagte, er glaube, «dass man sehr schnell zurückkommen soll zu der Normalität, dass Schengen Schengen ist und nicht ein System, was verbogen werden kann».

Diesem Ziel schließt sich auch Seehofer an: «Grenzkontrollfreies Reisen zählt zu den größten Errungenschaften der Europäischen Union überhaupt», sagte er. Als Innenminister sei es jedoch seine Pflicht, «alles in meiner Macht stehende zu tun, um verantwortungsvoll und angemessen auf die Herausforderungen im Bereich der Migration und Sicherheit zu reagieren». Die Grenzkontrollen sollten an die Lage angepasst werden und mit Rücksicht auf den Grenzverkehr erfolgen. Auch Österreichs Innenminister Herbert Kickl von der rechten FPÖ bemängelte erneut Defizite im Außengrenzschutz.

Eigentlich waren die Innenminister in Luxemburg zusammengekommen, um genau darüber zu beraten. Die EU-Kommission hatte zuletzt auf Drängen aller EU-Spitzen vorgeschlagen, die EU-Grenzschutzagentur Frontex bis 2020 auf 10.000 Einsatzkräfte auszubauen und ihre Befugnisse deutlich auszuweiten. Dies soll auch die Binnenkontrollen innerhalb Europas überflüssig machen.

Allerdings gibt es unter den EU-Staaten Vorbehalte, Befugnisse auf eigenem Hoheitsgebiet an Frontex abzugeben. «Letztendlich muss die Verantwortung immer im Bereich des jeweiligen Landes liegen», sagte Kickl. Asselborn hingegen kritisierte den Widerstand. «Was mich sehr enttäuscht, ist, dass die Länder, die diese Kontrolleure bräuchten - wie Italien oder Ungarn - dann sagen, sie hätten ein Problem mit der Souveränität.»

Die Zahl der übers Mittelmeer nach Europa kommenden Migranten ist in diesem Jahr um 40 Prozent zurückgegangen. Bis zum 10. Oktober seien es 88.000 gewesen, verglichen mit gut 144.000 im Vorjahr, wie die UN-Organisation für Migration (IOM) am Freitag in Genf berichtete. Über die Landroute kamen hingegen wieder deutlich mehr Menschen überwiegend nach Ost- und Mitteleuropa: knapp 19.000 bis Anfang Oktober, etwa sieben Mal so viele wie im vergangenen Jahr.

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Leserkommentare

Vom 11. bis 21. April schließen wir über die Songkranfeiertage die Kommentarfunktion und wünschen allen Ihnen ein schönes Songkran-Festival.

TheO Swisshai 13.10.18 18:07
Volker Picard / Flüchtlingswelle
Sie haben recht, die Flüchtlingswelle ist ein riesen Problem. Das wissen aber schon alle, nur eben die Lösungen fehlen. Um Probleme zu lösen, muss man die Ursache bekämpfen, wie ein tropfender Wasserhahn, den kann man auch nicht mit Kübel und Waschlappen reparieren kann. Das heisst, man muss dafür sorgen, dass sich der Flüchtlingsstrom erst gar nicht auf den Weg macht. Die Lage in den Ursprungsländer der Flüchtlinge, ist dabei der Wasserhahn den es zu reparieren gilt. Natürlich muss das ausgelaufene Wasser auch aufgewischt werden, aber solange der Wasserhahn weitertropft, wird der Boden dadurch nie trocken. Auch das Aufstellen von Kübeln, um die Tropfen einzufangen, hilft nur kurze Zeit, bis das Wasser wieder überläuft. Europa hat jedoch meiner Meinung nach, bisher nur aufgewischt und Kübel hingestellt. Bei Fällen, wo Wasserhähne vorsätzlich beschädigt werden, sollten die Verursacher für die Reparatur und die entstandenen Schäden vollumfänglich aufkommen. Mit dieser Massnahme könnte vermutlich sogar der eine oder andere Kriegseinsatz verhindert werden.
Volker Picard 13.10.18 16:36
Man hat so langsam das Gefühl,
es gibt nur noch ein Problem in der EU: Die Flüchtlingswelle, die von den Schleppern organisiert wird, hört nicht auf. Wenn die EU ernsthaft etwas dagegen unternehmen will, muss sie die Schlepper-Mafia so hart bekämpfen, wie das Italien schon mit der Mafia unternommen hat. Jeder Flüchtling, der einen Verbrecher für die Einreise nutzte, muss umgehend zurückgeführt werden, sonst hört das nicht auf. Wenn er nach Europa will, muss er einen Antrag in seinem Herkunftsland stellen. Die "Naivos" in Deutschland (wir sind ja so gut) sind grenzenlos naiv und demolieren unser Rechtssystem und unser Sozialsystem.