Schweizer AfD-Vorbild SVP muss bei Wahl Federn lassen

Foto: epa/Anthony Anex
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BERN (dpa) - Ein sensationelles Ergebnis ist bei der Parlamentswahl in der Schweiz zu erwarten, zumindest gemessen an den jüngsten Wahlergebnissen in Deutschland. Die Sensation liegt in dem, was nicht passieren wird.

Man stelle sich vor: eine rechtspopulistische Partei ist seit Jahren die wählerstärkste im Land. Es gibt keine Gesetze gegen ausländische Einmischung bei Wahlen oder zur Parteienfinanzierung. Und trotzdem läuft's, die Wirtschaft floriert. Der Wahlsonntag steht an, aber anders als in Deutschland legen die Populisten nicht zu, sondern sie müssen Federn lassen. Anders als in Deutschland brechen die bürgerlichen Parteien der Mitte nicht ein. So ist die Lage vor der Parlamentswahl am Sonntag im Nachbarland Schweiz, wo die Schweizerische Volkspartei (SVP) als Rechtsaußen seit 1999 die stärkste Kraft im Parlament ist, seit 2015 mit 29,4 Prozent.

Die SVP ist das große Vorbild der AfD. Die Co-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel bestätigt der Wochenzeitung «Weltwoche», dass sie einst als Programmchefin das SVP-Programm kopiert habe. Das jüngste SVP-Wahlplakat findet sie super. Darauf ist die Schweiz als gesunder Apfel zu sehen, der von Ungeziefer zerfressen wird: gemeint sind andere Parteien und die EU. Kritiker sehen Parallelen zu einstiger Nazi-Propaganda.

Die SVP setzt mit ihren Plakaten immer gezielt auf Provokation: Ausländer wurden einst bei einer Volksabstimmung als schwarze Schafe dargestellt, Minarette wie Raketen auf der Schweizer Fahne. 2015 auf der Höhe der Flüchtlingskrise schaffte die Partei des steinreichen Unternehmers Christoph Blocher ein Rekordergebnis. Nach Umfragen muss sie nun aber mit 2,1 Prozentpunkten weniger rechnen. 2019 verfangen SVP-Themen wie «Ausländer raus» und «Abschottung» nicht.

Vielmehr reden alle vom Klimawandel. Die «Weltwoche», deren Chefredakteur und Verleger Roger Köppel für die SVP in der großen Kammer (Nationalrat) sitzt, tut das als «Wohlstandsthema» ab. SVP-Nationalrat Claudio Zanetti spricht genervt von «Hysterie und Panik». «Wer mit den Leuten spricht, merkt: Das Klimathema ist nicht wichtig», sagt er der dpa. «Das Thema beackern die Linken.»

Blocher nimmt den erwarteten Stimmrückgang gelassen, bleibt die SVP doch sowieso die mit Abstand wählerstärkste Partei. «Churchill sagte in schwierigeren Situationen: Wer eine Niederlage im Kampf für das Richtige erleidet, steht wieder auf. Wer sich anpasst und nachgibt, ist für immer erledigt», sagte er in einem Zeitungsinterview.

Die Grünen sind im Aufwind. «Der Schweiz steht ein Linksrutsch bevor», sagt der öffentlich-rechtlichen Rundfunks SRG nach seiner Umfrage Mitte Oktober voraus. Danach legen die Grünen und die Grünliberalen GLP, die auf liberale Wirtschaftspolitik mit strikten Umweltauflagen setzen, um mehr als sechs Punkte auf rund 18 Prozent zu.

Damit wären sie nach der Umfrage drittstärkste Kraft hinter der SVP und den Sozialdemokraten mit etwas über 18 Prozent. Dahinter lägen die FDP mit 15,2 und den Christdemokraten CVP mit 10,6 Prozent. Bei der Wahl werden beide Kammern neu besetzt: der Nationalrat mit 200 und der Ständerat auf Kantonsebene mit 46 Sitzen.

Aber was bedeutet das für die Regierung und die künftige Politik? Bei den Schweizer Verhältnissen: nichts. «Wir würden die Regierung niemals nach nur einer Wahl verändern», sagt Politologe Andreas Ladner. Das räumt selbst GLP-Präsident Jürg Grossen ein: «Man muss seine Stärke über zwei, drei Wahlen beweisen», sagt er.

Die Schweiz wird von sieben Bundesräten regiert. Sie vertreten die vier stärksten Parteien im Verhältnis 2:2:2:1. Diese «Zauberformel» gilt seit 60 Jahren. Die Grünen, zumal gespalten in zwei Parteien, sind außen vor. Im Kabinett tritt die Parteizugehörigkeit in den Hintergrund. Bundesräte amtieren im Schnitt zehn Jahre und bestimmen ihren Rücktritt selbst. Nur vier wurden je vom Parlament entlassen.

Die Wahlbeteiligung lag zuletzt bei unter 50 Prozent. Dabei sind die Schweizer sehr wahlaffin. «Nur zehn Prozent der Schweizer wählen nie», sagt Politologe Pascal Sciarini. Allerdings tun die Menschen ihre Meinung vor allem bei lokalen, kantonalen und nationalen Volksabstimmungen kund. Dafür gibt es jedes Jahr vier Wahltermine.

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