Schweiz lässt Rahmenabkommen platzen

Foto: epa/Peter Klaunzer
Foto: epa/Peter Klaunzer

BERN (dpa) - Die Schweizer bleiben störrisch: vorerst keine engere Bindung an die EU. Der von Brüssel geforderte Rahmenvertrag wird noch nicht unterschrieben. Börsenhändler sind die ersten Leidtragenden.

Die Schweizer Regierung lässt das von der EU verlangte umstrittene Rahmenabkommen vorerst platzen. Sie wolle das EU-Angebot erst mit alle betroffenen Kreisen besprechen, ehe sie im Frühjahr über eine Unterzeichnung entscheide, teilte sie am Freitag in Bern mit. Die EU hatte auf eine Zusage noch in diesem Jahr gepocht.

Das Abkommen soll einen Rechtsrahmen für alle bilateralen Verträge etwa über die Personenfreizügigkeit, den Luftverkehr oder den Agrarhandel schaffen. Die Schweiz sieht darin aber inakzeptable neue Auflagen der EU für die Teilhabe am EU-Binnenmarkt.

Damit werden die Beziehungen zwischen Bern und Brüssel deutlich frostiger. Die EU-Kommission teilte am Abend mit: «Wir werden nun den Prozess genau verfolgen. Wir erwarten daher, dass die Konsultierung zügig durchgeführt wird und hoffen auf ein positives Ergebnis.» Dies sei wichtig, um die Beziehungen zwischen der EU und der Schweiz auf eine solide, institutionelle Grundlage zu stellen.

Die EU hat schon angekündigt, dass sie ohne Rahmenabkommen den Börsenplatz Zürich ab 1. Januar nicht mehr als gleichwertig anerkennen will. Ohne diese Börsenäquivalenz können EU-Wertpapierhändler dort keine Geschäfte mehr machen.

Allerdings hat die Schweiz vorgebaut: die Börsenäquivalenz ist nur nötig, wenn Papiere auch in der EU gehandelt werden. Sie will deshalb den Handel mit den wichtigsten Schweizer Aktien an EU-Börsen ab Januar verbieten. EU-Händler würden für Geschäfte in Zürich aber eine Lizenz bekommen.

Die EU verhandelt seit fünf Jahren mit der Schweiz über das Abkommen. Kritiker monieren, dass damit zusätzliche Zugeständnisse gemacht werden müssen. So sollen Anpassung an EU-Richtlinien künftig praktisch automatisch übernommen werden, EU-Bürger sollen mehr Ansprüche auf Sozialleistungen haben und die Schweiz müsste bisher erlaubte Maßnahmen zum Schutz des hohen Lohnniveaus aufweichen.

Das bringt sowohl die rechte EU-kritische SVP als auch die eher linke und gewerkschaftsnahe SP dagegen auf. Die SVP spricht von einem «Kolonialvertrag». Die Regierung riskiere bei der Annahme des Rahmenabkommens «eine Zerreißprobe» im Land, schrieb der «Tages-Anzeiger». Der Chefökonom des Gewerkschaftsbundes SGB, Daniel Lampart, sprach von einen Angriff auf den Lohnschutz. «Wir werden das niemals dulden», sagte er der «Neuen Zürcher Zeitung».

Zusätzlich hat die Schweiz auch einen freiwilligen EU-Beitrag von rund einer Milliarde Euro zum Aufbau der EU-Mitglieder in Mittel- und Osteuropa in Frage gestellt.

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Rüdiger Huber 09.12.18 15:02
noch (!) Demokratie
Die jetzt noch bestehende Demokratie in der Schweiz wird langsam aber sicher von der EU demontiert. Wie ? .... mit der Salamitaktik ! Scheibchen für Scheibchen !
Dracomir Pires 09.12.18 10:37
Erpressungsversuch pariert
Was heisst da despektierlich "störrisch"? Es handelt sich um Notwehr. Ganze 83 % der Schweizer wollen nichts vom undemokratischen, überdehnten und maroden Moloch in Brüssel wissen. Dennoch zahlen wir FREIWILLIG Kohäsionsmilliarden an die EU. Jetzt will Brüssel, dass wir EU-Recht übernehmen, unser Lohnniveau massiv sinkt, unsere bewährte direkte Demokratie verschwindet und dass auch noch alle EU-Bürger in unser Sozialsystem einwandern können. Die EU wird so lange auf die Schweiz eindreschen, bis sie den starken Nettozahler geschluckt hat. Wir haben die Schnauze wirklich randvoll. Wenn es nach bestimmten Leuten in der Schweiz ginge, würden wir die Grenzgänger abweisen und den Gotthard sperren und das Wasser ...
Norbert Schlegel 09.12.18 10:36
Was heisst hier störrisch, die EU will (mehr Geld), die Industrie will(mehr Umsatz und Gewinn für die Aktionäre), ein Teil der Schweizer Regierung wollte helfen. Aber zum Glück haben wir noch eine funktionierende gute Demokratie und der schweizer Bürger ist das Zünglein an der Waage. Ich hoffe noch lange!
Beat Sigrist 08.12.18 11:10
Freiwillig ist wohl die falsche Bezeichnung
für die vielen Milliarden welche die Schweiz schon an die EU bezahlt hat - dies war ein Wunsch oder besser gesagt eine Bedingung der EU an die Schweiz damit die Schweiz freien Handel mit der EU betreiben kann und dem Schengenabkommen beitreten kann und noch ein paar weitere Gudis dafür bekommt.Ich bin weder links noch rechts politisch aktiv - und denke jedes Land soll doch machen was es möchte solange man keinem anderen Land damit Schaden bereitet.Irgendwann wird es einen grossen Knall geben und dann müssen wir alle wegen unserer Dummheit wieder bei Null anfangen - ist dies der Sinn des Lebens ?