ABU DHABI: Vor einem halben Jahr reiste Wirtschaftsminister Habeck auf der Suche nach Ersatz für russisches Gas in die Golfregion. Bisher haben sich seine Bemühungen noch nicht ausgezahlt. Jetzt versucht es der Kanzler persönlich.
Am zweiten Tag seiner Reise auf die arabische Halbinsel besucht Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Sonntag die Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) und Katar. Dabei wird es vor allem um die weitere Zusammenarbeit im Energiebereich gehen, die Deutschland den Weg aus der Abhängigkeit von russischem Gas erleichtern soll. Katar verfügt nach Russland und dem Iran über die drittgrößten Gasreserven weltweit und ist der führende Exporteur von Flüssiggas (LNG). Die VAE liegen bei den Ölvorkommen auf Rang sechs und beim Erdgas auf Platz sieben. Scholz geht es aber auch um die Kooperation bei der Produktion von Wasserstoff.
Mit den Emiraten soll während des Besuchs eine gemeinsame Erklärung unterzeichnet werden, mit der die Energiepartnerschaft vor allem um Klimaschutzaspekte erweitert werden soll. Außerdem wird erwartet, dass dort Flüssiggaslieferungen vereinbart werden. Wirtschaftsminister Robert Habeck hatte das vor wenigen Tagen bereits angekündigt. Der Grünen-Politiker war im März selbst in der Golfregion, um den Weg für Gaslieferungen zu ebnen. Bisher mündete das aber nicht in konkrete Vereinbarungen.
Ist die Fußball-WM in Katar gut aufgehoben?
In Katar werden keine Vertragsabschlüsse erwartet. Bei den Gesprächen des Kanzlers in Doha könnte es auch um die Fußball-Weltmeisterschaft gehen, die ab 20. November in dem Emirat stattfindet. Die Wahl des Austragungsorts ist wegen der Menschenrechtslage dort umstritten. Katar wird dabei immer wieder wegen systematischer Verstöße und der Ausbeutung von Migranten kritisiert. Die Regierung weist die Vorwürfe zurück und führt Reformen zugunsten der Arbeiter an.
Bundestrainer Hansi Flick hatte die Vergabe der WM nach Katar erst vor wenigen Tagen kritisiert. «Diese Frage hätte schon viel früher beantwortet werden müssen. Und zwar mit einem Nein», sagte er der «Süddeutschen Zeitung». «Dass in Katar beim Thema Menschenrechte, beim Thema Nachhaltigkeit vieles nicht stimmt, ist ja offensichtlich.»
Scholz sprach saudischen Kronprinzen auf Khashoggi-Mord an
Scholz hatte seine zweitägige Reise auf die arabische Halbinsel am Samstag in Saudi-Arabien begonnen und dort Kronprinz Mohammed bin Salman getroffen. Dabei sprach er auch den Mord am Journalisten Jamal Khashoggi an. Man habe «alle Fragen besprochen», die sich um Bürger- und Menschenrechte drehen, sagte er nach dem Gespräch in der Hafenstadt Dschidda auf eine entsprechende Journalisten-Frage. «Das gehört sich so. Und da können Sie von ausgehen, dass nichts unbesprochen geblieben ist, was zu sagen ist.»
Der Kronprinz wird vom US-Geheimdienst für den brutalen Mord an dem saudischen Regierungskritiker und Journalisten Khashoggi im saudischen Generalkonsulat in Istanbul vor vier Jahren verantwortlich gemacht. Der Thronfolger bestreitet, Drahtzieher der Tat zu sein. Der Mord hatte zu einer internationalen Isolierung Mohammeds geführt und die deutsch-saudischen Beziehungen in eine jahrelange Krise gestürzt.
Begrüßung im Palast des Friedens mit einem freundlichen Lächeln
Der Kronprinz und der Kanzler begrüßten sich im königlichen Palast des Friedens (Al-Salam-Palast) mit kräftigem Handschlag und freundlichem Lächeln. Mit seinem Besuch setzt Scholz ein Zeichen der Normalisierung. Mit Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron, dem inzwischen zurückgetretenen britischen Premier Boris Johnson und US-Präsident Joe Biden waren vor ihm schon die wichtigsten Bündnispartner Deutschlands in Saudi-Arabien. Der Kronprinz war im Juli erstmals seit dem Mord auch wieder zu offiziellen Treffen in die EU gereist.
Scholz knüpft daran an und will auch mit Blick auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und seine Folgen den Gesprächsfaden wieder aufnehmen. Für ihn geht es darum, auch mit schwierigen Partnern im Dialog zu bleiben, um sie nicht an Länder wie Russland oder China zu verlieren.
Biden wurde deutlicher als Scholz
Biden hatte den Kronprinzen bei seinem Besuch im Juli in Dschidda ebenfalls auf den Mord an Khashoggi angesprochen. Er wurde anschließend deutlicher, was die Verantwortung des Kronprinzen für den Mord angeht. «Er (Mohammed) sagte im Grunde, dass er nicht persönlich dafür verantwortlich sei. Ich deutete an, dass ich glaube, er ist es», sagte Biden damals.