Scholz startet viertägige Asien-Reise

Der vietnamesische Premierminister Pham Minh Chinh (R) und der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz (L) geben sich vor einem bilateralen Treffen im Regierungsbüro in Hanoi die Hand. Foto: epa/Luong Thai Linh
Der vietnamesische Premierminister Pham Minh Chinh (R) und der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz (L) geben sich vor einem bilateralen Treffen im Regierungsbüro in Hanoi die Hand. Foto: epa/Luong Thai Linh

HANOI/SINGAPUR: Es ist die längste Reise von Kanzler Scholz seit seinem Amtsantritt vor elf Monaten. Vier Tage lang ist er in Vietnam, Singapur und Indonesien unterwegs. Die Botschaft: Asien ist viel mehr als nur China. An seiner ersten Station geht es aber auch um Russland.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat Vietnam aufgefordert, sich eindeutig gegen den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine zu stellen. Er wünsche sich eine «klare Positionierung» der Regierung in Hanoi in dieser Frage, sagte Scholz am Sonntag nach einem Gespräch mit Ministerpräsident Pham Minh Chinh in der vietnamesischen Hauptstadt. «Es handelt sich bei dem russischen Angriffskrieg um einen Bruch des Völkerrechts mit gefährlicher Präzedenzwirkung. Kleine Länder können nicht mehr sicher sein vor dem Verhalten ihrer größeren, mächtigeren Nachbarn.»

Der Kanzler sagte das auch mit Blick auf China, das im Südchinesischen Meer mit Vietnam, Malaysia, Brunei und den Philippinen um Inseln, Riffe und Meeresgebiete streitet. Peking beansprucht dort auch Territorium, das mehr als 800 Kilometer entfernt liegt - obwohl das internationale Schiedsgericht in Den Haag 2016 chinesische Ansprüche als unrechtmäßig abgewiesen hat. «Auch in der Region des Indopazifiks muss die Stärke des Rechts gelten, nicht das Recht des Stärkeren», betonte Scholz. Eine klare Botschaft in Richtung Peking, wo der Kanzler erst vor gut einer Woche zu Besuch war.

Bewusster Kontrapunkt zur China-Reise

Mit seiner viertägigen Reise nach Südostasien - der längsten seiner Amtszeit - will er nun einen Kontrapunkt setzen. Die Botschaft: Asien ist viel mehr als China. Das Ziel: Die Abhängigkeit der deutschen Wirtschaft von China verringern und die Partnerschaften mit asiatischen Ländern breiter aufstellen.

Anders als seine Vorgänger hatte Scholz deswegen auch den demokratischen G7-Partner Japan als erstes asiatisches Land besucht - und erst ein halbes Jahr später das autokratisch geführte China. Mit dem wirtschaftlich zweitstärksten Land Asiens - Indien - gab es im Mai in Berlin Regierungskonsultationen. Jetzt also Vietnam. Das Land mit seinen fast 100 Millionen Einwohnern zählt zu den am rasantesten wachsenden Volkswirtschaften der Welt und ist Deutschlands wichtigster Handelspartner in Südostasien.

Deutschland müsse infolge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine Absatzmärkte, Lieferketten, Rohstoffquellen und Produktionsstandorte bereiter aufstellen, betonte Scholz in Hanoi. «Da spielt die Zusammenarbeit mit Vietnam eine ganz, ganz zentrale Rolle.»

Russland weiterhin größter Waffenlieferant Vietnams

Das kommunistisch geführte Land pflegt aber weiterhin auch enge Beziehungen zu Moskau. Russland ist der wichtigste Waffenlieferant Vietnams. Beide Länder kooperieren auch bei der Erschließung von Gas- und Ölfeldern vor der vietnamesischen Küste. Außerdem gibt es in Vietnam mehr als 150 Investitionsprojekte mit Beteiligung russischer Unternehmen.

Vietnam hat den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine vor diesem Hintergrund anders als die große Mehrheit der UN-Mitglieder bisher nicht verurteilt, sondern sich in Abstimmungen dazu in der Generalversammlung der Vereinten Nationen enthalten. Scholz hat auf seinen Reisen und bei Gesprächen in Berlin immer wieder versucht, diese Länder umzustimmen - bisher mit mäßigem sichtbaren Erfolg.

Habeck: «Wir müssen unsere Handelspolitik neu aufstellen»

Auch am zweiten Tag der Reise wird es für Scholz in Singapur um die breitere Aufstellung der deutschen Wirtschaft in Asien gehen. Zusammen mit Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) wird er dort an einer Asien-Pazifik-Konferenz teilnehmen, bei der es um eine Vertiefung der Handelsbeziehungen in der Region geht. «Wir müssen unsere Handelspolitik neu aufstellen», forderte Habeck dort bereits am Samstag. «Wir brauchen andere Länder, andere Partner.»

Gleichzeitig betonte Habeck, dass es eine Abkopplung von China nicht geben könne. Die Abhängigkeit von China liege in bestimmten Bereichen wie bei wichtigen Rohstoffen bei fast 100 Prozent, sagte er n-tv. «Bräche China als Absatzmarkt weg, wäre das für einige deutsche Branchen nicht verkraftbar.» Lange habe man die niedrigen Produktionskosten für «allein seligmachend» gehalten. Außerdem habe China riesige Rohstoffvorkommen günstig auf den Markt geworfen.

Die südasiatischen Märkte außerhalb Chinas, die sich sehr stark entwickelten, seien für die deutsche Wirtschaft nun aber von hohem Interesse. Habeck mahnte zügige Gespräche etwa über ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und Indien an. «Die Welt wartet nicht darauf, dass Europa oder Deutschland in die Hufe kommt.»

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Dieter Goller 14.11.22 14:20
@Mr.Litschi-Warum wohl nicht?
Bei Betrachtung der 3 zu besuchenden Laender koennte man zur Schlussfolgerung kommen, dass diese entweder Demokratien oder Deutschlands wichtigster Handelspartner in Suedostasien sind. Anscheinend faellt Thailand - zumindest derzeit und aus Sicht der Bundesregierung - unter keine diese Kategorien.