Scholz erkennt keinen Sinneswandel bei Putin

Bundeskanzler Olaf Scholz äußert sich zu seinem Besuch bei einem Ukraine Hilfsverein. Scholz hat den deutsch-ukrainischen Verein «Blau-Gelbes Kreuz» in Köln besucht und sich mit der Mannschaft des Krywbass getrof... Foto: Oliver Berg/dpa-pool/dpa
Bundeskanzler Olaf Scholz äußert sich zu seinem Besuch bei einem Ukraine Hilfsverein. Scholz hat den deutsch-ukrainischen Verein «Blau-Gelbes Kreuz» in Köln besucht und sich mit der Mannschaft des Krywbass getrof... Foto: Oliver Berg/dpa-pool/dpa

BERLIN: Mehr als eine Stunde telefoniert der Kanzler am Freitag mit dem russischen Präsidenten. Eine Änderung des Kurses Moskaus kann Scholz nicht erkennen. Auch Kritik an seinem Auftritt im Verteidigungsausschuss nicht.

Zweieinhalb Monate nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine hat Bundeskanzler Olaf Scholz keinen Sinneswandel bei Kremlchef Wladimir Putin entdeckt. Dies sagte der SPD-Politiker in einem am Samstag veröffentlichten Interview des Nachrichtenportals «t-online». Dabei sei klar, dass Russland keines seiner zu Beginn genannten Kriegsziele erreicht habe. Die Ukraine sei nicht erobert worden, sondern verteidige sich mit viel Geschick, Mut und Aufopferungswillen. «Die Nato hat sich nicht zurückgezogen, sondern ihre Kräfte an der östlichen Flanke des Bündnisses sogar verstärkt. Und die Allianz wird noch stärker, wenn Finnland und Schweden der Nato beitreten.» Das russische Militär selbst habe erhebliche Verluste erlitten, weit mehr als in den zehn Jahren des Afghanistan-Feldzugs der Sowjetunion.

Scholz sagte: «Langsam sollte Putin klar werden, dass ein Ausweg aus dieser Situation nur über eine Verständigung mit der Ukraine führt.» Er machte klar, eine Vereinbarung könne kein Diktatfrieden Russlands sein. Scholz hatte am Freitag mehr als eine Stunde lang mit Putin telefoniert.

Scholz sagte zugleich der Ukraine erneut weitere Unterstützung zu, etwa durch Waffenlieferungen. «Ja, wir werden weitermachen. Auch mit Sanktionen. Weil es unser Ziel ist, dass der russische Invasionsversuch scheitert. Das ist der Maßstab für unser Handeln.»

Der Kanzler betonte: «Für Putins wahnwitzige Idee, das russische Imperium vergrößern zu wollen, zahlen Russland und die ganze Welt gerade einen sehr hohen Preis.» Viele Länder litten darunter, dass die Ukraine als einer der Hauptlieferanten von Getreide ausfalle. «Da geht es um echten Hunger - nicht wie bei uns nur darum, ob ausreichend Sonnenblumenöl in den Supermarktregalen steht.»

Scholz stellte sich in dem Interview auch vor die wegen eines Mitflugs ihres Sohnes in einem Regierungshubschrauber in die Kritik geratene Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (beide SPD). Auf die Frage, ob sie eine Belastung für seine Regierung sei, sagte Scholz in dem Interview: «Ich bin sehr sicher: Wenn man in drei Jahren auf die Wahlperiode zurückblickt, wird es heißen: "Sie ist die Verteidigungsministerin, die dafür gesorgt hat, dass die Bundeswehr endlich ordentlich ausgestattet ist."» Auf die Festellung, dass dies eine kühne Prognose sei, entgegnete der Kanzler: «Nein.»

Lambrecht hatte in einem Regierungshubschrauber zu einem Truppenbesuch in Norddeutschland Mitte April ihren 21-jährigen Sohn mitgenommen, ohne dass dieser an dem Militärbesuch selbst teilnahm. Am nächsten Tag und nach einer Hotelübernachtung ging es mit Auto und Personenschützern auf die nahe Insel Sylt.

Lambrecht hatte am Mittwoch Verständnis für öffentliche Kritik an dem Mitflug geäußert. Zugleich kündigte sie Konsequenzen an, damit solche Vorwürfe künftig nicht mehr möglich seien. Details nannte sie nicht. Das Verteidigungsministerium hatte darauf verwiesen, dass Lambrecht den Flug regelkonform beantragt und die Kosten voll übernommen habe.

Die Bundesregierung will die Bundeswehr mit einem Sonderprogramm von 100 Milliarden Euro stärken und damit Ausrüstungslücken schließen. Dieses Sondervermögen soll im Grundgesetz verankert werden, wozu eine Zwei-Drittel-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat erforderlich ist. Zunehmend umstritten ist jedoch, wofür das Geld ausgegeben werden soll.

Scholz sagte in dem Interview, er wünsche sich zur Realisierung des Vorhabens eine «patriotische Mehrheit». Einen radikalen Sparkurs der Union machte er für den Zustand der Bundeswehr verantwortlich. Mehrere Unionspolitiker wiesen dies bei «t-online» zurück. CDU-Generalsekretär Mario Czaja sagte dem Portal: «Scholz wünscht sich jetzt eine patriotische Mehrheit, weil es keine Kanzlermehrheit gibt. Das ist die Wahrheit.»

Angesprochen auf die von Wirbel begleitete Sitzung des Verteidigungsausschusses des Bundestags am Freitag, in der Scholz zu Gast war, sagte Scholz: «Ich habe da keine Kritik wahrgenommen, im Gegenteil: Die Ausschussvorsitzende hat sich bei mir für meinen Auftritt und die Auskünfte ausdrücklich bedankt.»

Der FDP-Politiker Marcus Faber hatte die Sitzung vor dem offiziellen Ende verlassen und dann kritisiert, Scholz habe eine Chance gehabt, sich zur Ukraine zu erklären. «Leider wurden viele Antworten nicht gegeben. Ich hoffe, dass wir dies nachholen können», schrieb er auf Twitter und fing sich selbst scharfe Kritik aus den eigenen Reihen ein. Die Ausschussvorsitzende Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) hatte Scholz eingeladen. Scholz war im Zuge des Ukraine-Kriegs bisweilen Zögerlichkeit vorgeworfen worden, auch aus den Reihen der eigenen Ampel-Koalition.

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Tim Beam 15.05.22 18:10
@Thomas Sylten 15.05. 15.40 h
Der Olaf ist eben ein ganz stiller Macher. Der kann sich überall einschummeln, meist merkt man gar nicht, dass er schon da ist.
Thomas Sylten 15.05.22 15:40
mein erster Beitrag:
der ging natürlich an @Peter -
weiß nicht wie sich da der Olaf wieder einschummeln konnte.. ;)
Thomas Sylten 15.05.22 15:30
Sinneswandel bei Putin
Wie diese Bedingungen bei Putin aussehen, wird merkwürdigerweise nie richtig ausformuliert:
Es geht ihm nämlich NICHT um eine Ausweitung des Konflikts auf Nato-Gebiet - im Gegenteil will er dies unbedingt vermeiden. Weshalb er die Ukraine auch angegriffen hat, BEVOR sie der Nato beitreten konnte - eben um den Bündnisfall zu verhindern.

Es geht Putin AUSSCHLIEßLICH um die Krim, die für ihn objektiv unverzichtbar ist: Sie ist Stützpunkt der Schwarzmeerflotte und Russlands einziger ständig eisfreier Hafen. Zudem ist die Bevölkerung russisch: Die Krim gehörte seit Jahrhunderten zu Russlands Kerngebiet - und wurde erst 1962 vom ukrainischen (!) Sowjetführer Chruschtow völkerrechtswidrig (!) der Ukraine zugeschlagen - ganz ohne die Bevölkerung zu fragen. Diese Befragung wurde erst 2014 durch das vom Westen bezeichnender Weise nicht anerkannte Referendum nachgeholt - in welchem sich die Bevölkerung der Krim (und auch im Donbass) ganz überwiegend zu Russland bekannte.

Diese Feststellung wird bei uns als russische Propaganda denunziert - entspricht aber der historischen Wahrheit.

Wie auch immer: Würde man Putin die Krim vertraglich zusichern, wäre der Krieg vorbei - sogar unter Aufgabe von Donbass und Landverbindung, die freilich Verhandlungsmasse sind: Da kommt es sicher auch auf den Frontverauf bei Waffenstillstand an.

Es geht also nur um den politischen Willen, wann das Töten aufhört: Erkennt der Westen an, dass die Krim für Russland unverzichtbar ist - oder nicht.
Thomas Sylten 15.05.22 15:10
@Olaf
Ihre nicht ganz unberechtigte Kritik kann man freilich nahtlos auch auf die Vorgängerregierung unter CDU-Führung anwenden -
und die "Flintenuschi" ist ja auch von dieser Versagerpartei. Denn so muss man sie nennen, angesichts der versenkten und verschenkten Energiewende zur Unzeit, der korrupten Maskendeals und der von ihr verantworteten Entwaffnung der Bundeswehr - dies trotz Milliardenzuwendungen: Da dürften noch einige "Provisionsleichen" im Keller liegen.

Was die Ampel betrifft, sehe ich hier vor allem zwei Fehlbesetzungen: Verteidigung und Verkehr. Meine Lösung sähe da einen "Ringtausch" innerhalb der Regierung vor:
- Verteidigung geht an Fr. Strack-Zimmmermann von der FDP (ich halte ihre Politik zwar für falsch - sie aber persönlich für fähig, dieses Amt zu füllen);
- dafür geht Verkehr an die SPD: dort dürfte jede Besetzung (außer Fr. Lambrecht) besser sein als der amtierende Wissing. Am Liebsten sähe ich dort freilich Herrn Hofreiter von den Grünen - aber das würde einen weiteren Ringtausch voraussetzen.

Warum wird eigentlich das sinnvolle Instrument einer Kabinettsumbildung nicht mehr angewandt -
auch diese Regierung scheint (wie die vorherige) jede/n Versager:in im Amt halten zu wollen: Nicht sehr zukunftsfähig, leider.
Derk Mielig 15.05.22 13:10
Schön gescholzt
"... der russische Invasionsversuch ..."
Aufwachen, McFly, die sind schon einen Schritt über die Versuchsphase hinaus.