Schlimmste «Gota fría» seit 1987 hält Spanien in Atem

Sechs Tote

Foto: epa/Manuel Lorenzo
Foto: epa/Manuel Lorenzo

MADRID (dpa) - Heftige Herbstunwetter ist man in Spaniens Mittelmeerregion gewohnt. Das Phänomen «Gota fría» schlug diesmal aber so hart wie lange nicht mehr zu. Es gab Tote und «höllische Zerstörungen». Die Gefahr war am Sonntag noch nicht gebannt.

Die schwersten Herbst-Unwetter seit mehr als 30 Jahren haben die Rettungsteams, Einwohner und Touristen in Spanien auch am Wochenende kräftig auf Trab gehalten. Obwohl das Wetter an der Mittelmeerküste und auch auf Mallorca und den restlichen Balearen deutlich besser wurde, musste am Sonntagmorgen ein Campingplatz nahe der Gemeinde Crevillent in der ostspanischen Provinz Alicante geräumt werden. Rund 1.500 Menschen, darunter auch sehr viele Besucher aus dem Ausland, wurden in Sicherheit gebracht, weil ein Überlaufen des Flusses Segura erwartet wurde. Die Zahl der Todesopfer im Land war zuletzt auf sechs angestiegen.

Verteidigungsministerin Margarita Robles sah am Sonntag beim Besuch betroffener Gemeinden «höllische Zerstörungen». Sie sei «tief erschüttert», sagte sie im Badeort Los Alcazares (Murcia) vor Journalisten und Betroffenen. Die Sachschäden unter anderem für die Landwirtschaft bezeichneten Regionalpolitiker als gewaltig.

Am schwersten betroffen waren die Provinzen Murcia, Alicante und Valencia im Osten sowie die andalusischen Provinzen Almería, Málaga und Granada im Südosten des Landes. Aber auch auf Mallorca gab es «verheerende Zerstörungen», wie die Wochenzeitung «Diario de Mallorca» feststellte. Bäume stürzten um, Häuser, Straßen, Discos und Restaurants wurden überflutet, Stromverbindungen gekappt und Boote losgerissen.

Auf Mallorca fielen aufgrund der heftigen Gewitter allein am Freitag 32 Flüge aus. Die Stadt Palma sperrte alle Stadtstrände und auch alle Parks, um Verletzungen durch umstürzende Bäume oder herabfallende Äste vorzubeugen. Auf Videos sind viele Panikszenen zu sehen. «Raus hier, raus hier!», schreit zum Beispiel ein Mann in einem Restaurant, das vom Wasser blitzschnell überflutet wird.

Die Unwetter hatten am Mittwochabend begonnen. An einigen Orten fielen nach Angaben von Meteorologen innerhalb von nur 15 Stunden mehr als 600 Liter Regen pro Quadratmeter. Das entspricht ungefähr dem Jahresniederschlag in Berlin. Ähnlich schwere Herbst-Unwetter habe es in der Region zuletzt 1987 gegeben, hieß es.

Es gab Hagel, zahlreiche Überschwemmungen und auch Erdrutsche. Flüsse traten über die Ufer. Straßen verwandelten sich in reißende Ströme. Die Wassermassen rissen Autos mit sich, Mauern und Bäume nieder. Bis Sonntagmittag mussten nach Behördenangaben insgesamt knapp 6.000 Menschen in Sicherheit gebracht werden. Zahlreiche Ortschaften waren zum Teil tagelang von der Außenwelt abgeschnitten. Flughäfen wurden zeitweilig geschlossen, der Zugverkehr wurde unterbrochen, einige Landstraßen waren noch am Sonntag gesperrt.

Einige Minister und auch Ministerpräsident Pedro Sánchez überflogen im Hubschrauber die am stärksten betroffenen Gebiete. Der Sozialist besuchte Rathäuser und sprach mit Menschen auf der Straße. «Wir werden hier bei euch sein», versicherte er am Samstag einem älteren Mann in Orihuela (Alicante). Auf Twitter versprach er, man werde «alle Mittel und alle Hilfe einsetzen, um der Bevölkerung beizustehen und die Normalität wieder herzustellen».

Unter den Opfern der Unwetter war ein Rentner-Ehepaar, das am Donnerstag im Dorf Caudete im Auto ums Leben kam. Die Leiche des sechsten und vorerst letzten Todesopfers, eines 41 Jahre alten Mannes, sei am Samstag in einem ländlichen Gebiet der Gemeinde Orihuela gefunden worden, teilten die Behörden mit. Einsatzkräfte des Militärs und der Polizei hätten im überschwemmten Gebiet auch das Motorrad geborgen, mit dem der Mann unterwegs gewesen sei.

Am Sonntag schien an der spanischen Mittelmeerküste bei Temperaturen von bis zu 31 Grad bereits fast überall wieder die Sonne. Ministerin Robles mahnte aber weiter zur Wachsamkeit: «Vorsicht ist weiterhin sehr wichtig, auch wenn man jetzt schönes Wetter sieht. Das Risiko ist noch nicht gebannt», warnte sie. Für 14 Provinzen gilt bis Montag noch die dritthöchste Alarmstufe.

Das in der spanischen Mittelmeerregion in den Monaten September und Oktober sehr häufige Phänomen «Gota fría» zog am Sonntag abgeschwächt ins Landesinnere der iberischen Halbinsel. Der «kalte Tropfen» basiert auf den stark schwankenden Temperaturen von Meer und Luft und entsteht, wenn sich die ersten atlantischen Tiefausläufer mit feuchtkalter Luft über das warme Mittelmeer schieben.

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