Sensationssieg von Gasly

Ferrari-Totalschaden im Monza-Chaos

Deutscher Formel-1-Pilot Sebastian Vettel von der Scuderia Ferrari im Einsatz beim Qualifying zum Großen Preis von Italien. Foto: epa/Mark Thompson
Deutscher Formel-1-Pilot Sebastian Vettel von der Scuderia Ferrari im Einsatz beim Qualifying zum Großen Preis von Italien. Foto: epa/Mark Thompson

MONZA: Mamma Mia! Sebastian Vettels letztes Monza-Heimspiel für Ferrari wird zum Debakel. Die Bremsleitung seines Wagens explodiert. Schluss. Aus. Ende. Charles Leclerc hat einen Crash beim Chaos-Rennen. Lewis Hamilton erhält eine Zeitstrafe. Pierre Gasly gewinnt sensationell.

Sensationssieger Pierre Gasly wippte beim Ertönen der Marseillaise auf dem Podest nach seinem Coup im Monza-Chaos ungläubig mit. Sebastian Vettel flüchtete sich nach dem Ferrari-Totalschaden im High-Speed-Drama in bitteren Sarkasmus. «Am Dienstag bin ich im Simulator, das Auto hält wenigstens», sagte der viermalige Formel-1-Weltmeister nach seiner desaströsen Abschiedsvorstellung für die Scuderia in der Lombardei.

An Vettels Dienstwagen explodierten die Bremsen - hochgefährlich, bei einem Crash standen zum Glück nur Styropor-Aufsteller im Weg. Stallrivale Charles Leclerc krachte einige Runden nach dem frühen Vettel-Aus beim 999. Rennen der Scuderia brutal in die Reifenstapel, blieb aber unverletzt.

«Schlimmer geht immer in diesem Jahr», meinte der Deutsche am Sonntag. «Aber was bleibt mir denn übrig?». Ferrari-Teamchef Mattia Binotto zog ein vernichtendes Urteil: «Das ist der schlimmste Ausgang eines schwierigen Wochenendes.» Man müsse das Rennen «als Lektion» betrachten und wieder nach vorne schauen. «Wir versuchen in Mugello besser zu werden und wieder Punkte zu holen.»

Im irren Spektakel mit zwei Safety-Car-Phasen, einer Unterbrechung von 21 Minuten nach dem Leclerc-Unfall und einer Zeitstrafe gegen WM-Spitzenreiter Lewis Hamilton triumphierte völlig unerwartet der Franzose Gasly von Alpha Tauri vor Vettels Ferrari-Nachfolger Sainz und Lance Stroll im Racing Point.

«Unglaublich, ich weiß noch nicht, ob ich das schon realisiere. Es war so ein verrücktes Rennen», stammelte Gasly, der erstmals seit Olivier Panis 1996 in Monaco wieder einen Grand Prix für Frankreich gewann und von Leclerc im Ziel umarmt wurde. «Ich komme damit noch gar nicht richtig klar, ich habe keine Worte.»

Zwölf Jahre nach Vettels Formel-1-Premierensieg im Toro Rosso war erstmals das Nachfolgeteam erfolgreich. Gasly ist nun der 109. Grand-Prix-Gewinner der Geschichte. Mercedes-Mann Hamilton kämpfte sich nach einer Aufholjagd als Siebter immerhin noch in die Punkte zurück. «Wir werden ein bisschen herumgrölen und feiern, aber sonst ist Arbeit angesagt», beschied Alpha-Tauri-Teamchef Franz Tost betont nüchtern. In einer Woche steht schon der Mugello-Grand-Prix an.

Au weia, Ferrari. Das Wochenende hatte schon schlecht begonnen. Erstmals seit 1984 stand kein Scuderia-Mann unter den Top Ten der Startaufstellung. Nach dem Erlöschen der Roten Ampeln im 999. Grand Prix der Italiener hielt Vettel noch seinen 17. Rang, Stallrivale Leclerc den 13. «Es sind harte Zeiten», hatte Sportdirektor Laurent Mekies schon zuvor festgestellt.

Fern an der Spitze verteidigte Hamilton souverän die 94. Pole seiner Karriere. Mercedes-Teamkollege Valtteri Bottas bekam dagegen sofort Druck von den starken McLaren-Fahrern Carlos Sainz und Lando Norris. Bis auf Platz sechs fiel der Finne in seinem Silberpfeil zurück.

Im Hinterfeld erlebte dagegen Vettel sein nächstes Formel-1-Drama in diesem Jahr. Erst explodierte die Bremsleitung an seinem Ferrari, dann krachte er durch die Styropor-Absperrung ausgangs der ersten Kurve. «Wir haben es schon die Runden zuvor gemerkt, dass etwas nicht stimmt», bemerkte der mitleiderregende Vettel.

Erst sei hinten links etwas schief gelaufen, dann hinten rechts. Die Hydraulikflüssigkeit fing sogar Feuer. Vettel rollte mit seinem lahmenden Wagen zurück in die Box und stellte ihn in der achten Runde ab. «Ich weiß im Moment auch nicht weiter», sagte der ratlose Heppenheimer, der in Monza 2008 mit Toro Rosso seinen ersten Formel-1-Sieg geholt hatte. «Das Ferrari-Auto ist unfahrbar», kommentierte Nico Rosberg im TV-Sender RTL.

Vettel zwängte sich später mit schwarzem Rucksack durch die blickdichten Glastüren am Ferrari-Motorhome. «Im Moment ist der Spaßfaktor nicht auf dem Höhepunkt», räumte der 33-Jährige gefasst ein. «Der Drops ist aber gelutscht. Nächstes Jahr betrifft mich nicht.» Vettel muss Ferrari im Winter verlassen.

Sein Stallrivale Leclerc hat einen Vertrag bis Ende 2024 - in der 25. Runde war aber auch für ihn nach einem Crash in der Parabolika Schluss. Der Monegasse konnte aber selbst wieder aus seinem Auto steigen, die Mediziner checkten ihn durch. «Ich hatte einen harten Einschlag, aber ich fühle mich schon okay», befand Leclerc. Der Grand Prix musste nach dem Unfall unterbrochen werden, die Fahrer kehrten kurz danach in die Garagen zurück.

Hamilton bekam Ärger nach der ersten Safety-Car-Phase. Der Brite war nach dem Ausfall von Haas-Pilot Kevin Magnussen sofort zum Reifenwechsel reingekommen. Die Boxeneinfahrt war zu diesem Zeitpunkt im 21. Umlauf aber nicht freigegeben. Hamilton erhielt eine Strafe von zehn Sekunden, die er später an der Box absitzen musste.

Vor 250 Ärzten und Krankenschwestern auf den Tribünen als Zeichen des Danks in der Corona-Krise blieb Hamilton auch nach dem Neustart ganz vorne. Er kam aber umgehend an die Box. Die Standstrafe warf ihn auf den 17. und letzten Platz zurück. Der sechsmalige Weltmeister rettete sich aber noch in die Punkte. Im Fahrerlager lobte er dann Sensationssieger Gasly und klatschte ihn ab.

Überzeugen Sie sich von unserem Online-Abo:
Die Druckausgabe als voll farbiges PDF-Magazin weltweit herunterladen, alle Artikel vollständig lesen, im Archiv stöbern und tagesaktuelle Nachrichten per E-Mail erhalten.
Pflichtfelder

Es sind keine Kommentare zum Artikel vorhanden, bitte schreiben Sie doch den ersten Kommentar.