BRÜSSEL: Seit über zwei Jahren verhängt die EU Sanktionen gegen Personen wegen des russischen Angriffskriegs. Dabei gehe es nicht immer mit rechten Dingen zu, sagen prominente Anwälte.
Teile der europäischen Russland-Sanktionen sind nach Ansicht prominenter Rechtsanwälte nicht mit rechtsstaatlichen Grundsätzen vereinbar. Die derzeitigen Sanktionen griffen mitunter unzulässig weit in die Grundrechte des Einzelnen ein, heißt es in dem Brief, der unter anderem von dem ehemaligen Bundesinnenminister und Rechtsanwalt Otto Schily und einem knappen Dutzend Kollegen unterzeichnet wurde.
Kritisiert wird etwa, dass Personen nicht für aktuelle Aktivitäten bestraft würden, sondern auch für Handlungen, die Jahrzehnte zurücklägen. Außerdem seien Sanktionierte nach erfolgreichen Klagen nicht von den Sanktionslisten gestrichen worden. Stattdessen hätten die Regierungen der Mitgliedsstaaten neue Kriterien für Strafmaßnahmen aufgestellt und so «Sanktionen durch die Hintertür» ermöglicht.
So sei nun die Familienzugehörigkeit ein möglicher Grund für Sanktionen, obwohl das EU-Gericht etwa Strafmaßnahmen gegen die Mutter des inzwischen verstorbenen Chefs der russischen Privatarmee Wagner Jewgeni Prigoschin für rechtswidrig erklärt hatte. «Der Rat hat damit eine Befugnis in das EU-Recht eingeführt, die nur als «Sippenhaftung» bezeichnet werden kann», heißt es in dem Brief.
Die EU sollte davon absehen, «jedes Mal das Gesetz zu ändern, wenn die Unionsgerichte nicht zu den vom Rat erwarteten Ergebnissen führen», heißt es weiter. Eine solche Art der korrigierenden Gesetzgebung schwäche das Rechtsschutzniveau in der Union, verstoße gegen die Gewaltenteilung und untergrabe die Rechtsstaatlichkeit.
Wegen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine erließ die EU bislang gegen mehr als 2000 Personen und Organisationen Sanktionen. Derzeit sind mehrere Dutzend Klagen gegen die Strafmaßnahmen vor Gerichten anhängig. Einige Klagen waren erfolgreich. Andere Sanktionierte wie etwa der ehemalige Besitzer des FC Chelsea, Roman Abramowitsch, sind vor Gericht vorläufig gescheitert.