«Schattenkrieg» zwischen Israel und Iran - droht Eskalation?

Fotomontage: DER FARANG
Fotomontage: DER FARANG

TEL AVIV/TEHERAN: Zwei Menschen sterben bei einer Attacke auf ein Schiff im Norden des Indischen Ozeans. Mehrere Länder beschuldigen den Iran, der heftig dementiert. Was steckt hinter dem Angriff? Und hinter dem neuesten Zwischenfall?

Drohnen sollen den Öltanker «M/T Mercer Street» im Persischen Golf attackiert haben. Der rumänische Kapitän und ein britisches Besatzungsmitglied sterben bei dem Vorfall. Neben Irans Erzfeind Israel machen Rumänien, Großbritannien und die USA Teheran für den Angriff am Donnerstag verantwortlich. Sie drohen mit einer harten Reaktion. Der Iran wiederum dementiert kategorisch eine Verwicklung in den Angriff. Was steckt hinter dem Vorfall? Und droht nun eine militärische Eskalation?

Das Schiff wird von der Firma Zodiac Maritime mit Sitz in Großbritannien verwaltet. Vorsitzender der Zodiac-Gruppe ist der israelische Geschäftsmann Ejal Ofer, der nach Medienberichten auch Anteile der Gruppe besitzt. Bereits in den vergangenen Monaten waren in der Region mehrfach Schiffe mit Verbindungen zu Israelis angegriffen worden - Israel machte dabei immer wieder den Iran verantwortlich.

Der ehemalige Chef des israelischen Militärgeheimdienstes, Amos Jadlin, sagt: «Es ist kein Geheimnis (...), dass es zwischen Israel und dem Iran einen verborgenen Schattenkampf gibt.» Dies sei kein ausgewachsener Krieg, aber ein «Schattenkrieg» an allen Fronten, auf dem Wasser, in der Luft, im Internet und manchmal auf dem Boden. «Beide Seiten greifen sich gegenseitig an, meistens ohne die Verantwortung dafür zu übernehmen, weil dies ein Teil des Spiels ist.» Wer keine Verantwortung übernehme, zwinge die andere Seite nicht zu einer Reaktion.

Der Iran baue Truppen im ganzen Nahen Osten auf, im Irak, in Syrien, im Libanon und im Jemen, sagt Jadlin - irantreue Kräfte, die wiederum Israel angreifen sollen.

Israel werden dafür immer wieder Angriffe auf iranische Atomanlagen zugeschrieben. Der jüdische Staat sieht sich durch das Atom- und Raketenprogramm seines Erzfeindes in der Existenz bedroht. Außerdem bombardiert Israels Armee regelmäßig Ziele in Syrien um zu verhindern, dass der Iran seinen Einfluss in dem Bürgerkriegsland ausbaut.

So schreibt die linksliberale israelische Zeitung «Haaretz», die Attacke auf den Öltanker sei eine Reaktion auf angeblich israelische Angriffe in Syrien zwei Wochen zuvor gewesen. Bei einem der Angriffe sei ein Offizier der Al-Kuds-Brigaden der iranischen Revolutionsgarden verwundet worden.

Die iranische Führung und die Revolutionsgarden (IRGC) hatten Israel auch Rache geschworen wegen der Sabotageoperationen in der Atomanlage Natans sowie der Ermordung des Atomphysikers Mohsen Fachrisadeh im November vergangenen Jahres. «Das waren Terrorakte und Irans Rache wird kommen, zum richtigen Zeitpunkt und am geeigneten Ort», sagte Außenamtssprecher Said Chatibsadeh im April.

Der Iran hat die Schuldzuweisungen seitens Israel, Großbritannien und den USA für den Angriff auf den Tanker trotzdem als politische Provokation bezeichnet. Keines der drei Länder könne Beweise liefern, dass der Iran hinter dem Angriff stehe. Außerdem warnte das Außenministerium in Teheran, dass falls diese «Abenteuerspielchen» die Sicherheit des Landes gefährden sollten, der Iran konsequent reagieren werde. Zudem wirft Teheran Israel vor, mit diesen «Szenarien» einen Erfolg der Atomverhandlungen und eine eventuelle Aufhebung der US-Sanktionen gegen den Iran zu sabotieren.

Auch nach dem neuesten Zwischenfall am Dienstag - einer möglichen Schiffsentführung im Golf von Oman - übt sich Teheran in Unschuldsbeteuerungen. Das Außenministerium bezeichnete den Vorfall als «verdächtig» und warnte vor erneut grundlosen Unterstellungen gegen den Iran. «Diese kontinuierlichen Vorfälle für die Schiffe im Persischen Golf sind äußerst fragwürdig und verdächtig», sagte Außenamtssprecher Said Chatibsadeh am Dienstag. Vor allem sollten die Vorfälle nicht als Vorwand für die Umsetzung von bestimmten politischen Zielen in der Region instrumentalisiert werden.

Israel galt unter dem langjährigen Ministerpräsident Benjamin Netanjahu als schärfster Kritiker des Atomabkommens. Doch auch der neue Regierungschef Naftali Bennett erklärte gleich zum Amtsantritt Mitte Juni, er lehne eine Rückkehr zu dem Abkommen ab. Israel werde es dem Iran nicht erlauben, Nuklearwaffen zu erlangen und behalte sich «volle Handlungsfähigkeit» vor, sagte er damals.

Sicherheitsexperte Jadlin erwartet allerdings aktuell keine Eskalation der Lage. Er sagt, die erste Reaktion der israelischen Verantwortlichen nach dem Angriff auf das Schiff sei gewesen: «Wir können die Attacke nicht ignorieren, wir müssen uns rächen.» Doch offenbar sei man nun der Ansicht, diesen Vorfall besser diplomatisch zu nutzen. «Er zeigt der Welt, dass der Iran ein Terrorstaat ist.»

Regierungschef Bennett sagte am Sonntag, das aggressive Vorgehen Teherans gefährde «nicht nur Israel, sondern globale Interessen, die freie Schifffahrt und den internationalen Handel». Man erwarte von der internationalen Gemeinschaft, «dem iranischen Regime deutlich zu machen, dass es einen schweren Fehler begangen hat».

Außenminister Jair Lapid und Verteidigungsminister Benny Gantz forderten bei einem Treffen mit Botschaftern von Ländern aus dem UN-Sicherheitsrat die internationale Gemeinschaft zum Handeln auf. «Es ist Zeit für diplomatische, wirtschaftliche und sogar militärische Taten - sonst werden die Angriffe weiter gehen», sagte Gantz.

Jadlin ist jedoch der Ansicht, dass weder der Iran noch Israel Interesse an einem ausgewachsenen Krieg haben. «Sie sind beide sehr vorsichtig, nicht zu einem Punkt zu eskalieren, an dem sie die Eskalation nicht mehr kontrollieren können.»

Außerdem will der Gottesstaat alles, was den Amtsantritt des neuen Präsidenten Ebrahim Raisi diese Woche überschatten könnte, vermeiden. Raisi wird zwar voraussichtlich eine noch heftigere Anti-Israel-Politik führen als sein Vorgänger Hassan Ruhani, aber jeglichen Spannungen mit dem Erzfeind bei seiner Amtseinführung doch lieber vorerst aus dem Weg gehen.

Mit Wirtschaftskrise, Corona-Pandemie, Wassermangel, Stromausfällen und Protesten in verschiedenen Teilen des Landes hat er schon genug am Hals. Eine politische oder gar militärische Konfrontation mit Israel und seinen Verbündeten kann sich der 60-jährige Kleriker in dieser Phase zumindest nicht leisten.

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