Sanfter Tourismus zum Schutze der Dickhäuter

In „Bodos Elefantencamp“ die grauen Riesen hautnah erleben

Abenteuer Elefantenführerschein
Abenteuer Elefantenführerschein

Motorradfahren war gestern, Autofahren zu gewöhnlich. Zwischen dichtem Bambus und blühenden Urwaldriesen im Dschungel des hohen Nordens erhalten Urlauber die einzigartige Möglichkeit, die Führerscheinprüfung für das Manövrieren eines asiatischen 5-Tonners zu absolvieren. Doch nicht etwa für einen Hino-Lastkraftwagen oder Mitsubishi-Schaufelbagger, sondern für einen ausgewachsenen Elefanten. Der Deutsche Bodo Förster initiierte ein beispielloses Projekt, das darauf abzielt, Tourismus und Elefantenschutz auf vernünftige und liebevolle Art und Weise zu kombinieren.

Elefantencamps gibt es in Thailand wie Sand am Meer. Oftmals einem skurrilen Disneyland ähnelnd, wird Dumbo dazu genötigt Fußball zu spielen, Dartpfeile zu werfen oder peinlich geschminkt mit einem Tutu bekleidet, die johlende Touristenmasse mit Tanzaufführungen zu unterhalten. Die drei Camps von Elephant Special Tours des Deutschen Bodo Förster, am Rande des Doi-Inthanon-Nationalparks, 60 Kilometer südwestlich von Chiang Mai gelegen, sind anders. Hier kommt zuerst der Elefant und dann der Mensch.

„Huuu, huuu...!“ („Vorwärts!“) schallt es durch den dichten Dschungel. Gemächlich und aufgrund ihrer Größe majestätisch wirkend, stapft eine Gruppe Elefanten durch den Wald. Doch irgendetwas erscheint ungewöhnlich an der dargebotenen Szenerie. Denn auf den Köpfen der grauen Riesen sitzen nicht etwa die Elefantenführer, in Thailand „Mahout“ genannt, sondern deutschsprachige Urlauber, die auf den ersten Blick so gar nicht in das thailändisch-burmesische Grenzgebiet zu passen scheinen. Doch was haben ein Schweizer Stadtrichter, eine Tierärztin, eine deutsche Erzieherin, eine Hotelkauffrau und ein Journalist aus Pattaya-City gemeinsam? Ganz einfach: Sie alle absolvieren einen zweiwöchigen Kurs mit dem Abschlussziel „Elefantenführerschein“ oder wollen in kürzerer Zeit Einblick in das Handwerk eines Mahouts bekommen.

Was erzählt man beim ersten Date?

Plauderstunde beim ersten Date mit Mae Geo II.
Plauderstunde beim ersten Date mit Mae Geo II.
Urlauber beim Schlagen von Palmen und Elefantengras.
Urlauber beim Schlagen von Palmen und Elefantengras.

Am Anfang der Ausbildung steht das Kennenlernen mit den Elefanten. Eine Mutprobe, die es in sich hat. Die noch etwas aufgeregt gestimmten Teilnehmer setzen sich auf den lehmigen Boden, die Dickhäuter werden losgebunden und bilden eng aneinandergerückt einen Kreis um die Urlauber. Zwischen den mächtigen Füßen der Drei- bis Fünftonner sitzend, werden die Touristen von den Rüsseltieren beschnüffelt und abgetastet. Eine Begegnung, die dazu dient, Vertrauen zwischen Mensch und Tier zu schaffen. Natalie Pla, am heutigen Tag die deutsche Betreuerin der Gäste, beobachtet die Gruppe und weiß binnen weniger Minuten genau, welcher Elefant zu welchem Teilnehmer passt. Knapp zehn Minuten später steht der Autor dieser Zeilen Mae Geo II, mit 55 Jahren eine Elefantenkuh fortgeschrittenen Alters gegenüber. „Erzähl ihr was“, empfiehlt Natalie. So erfährt die betagte Dame beim ersten Date so einiges über die Touristenmetropole am Golf von Thailand, die Vor- und Nachteile des Reporterjobs und die ärgerlichen Flugverspätungen der Bangkok Airways. Dann beginnt die erste Fahr- oder besser gesagt Reitstunde. Mae Geo II senkt ihren Kopf, und mit einem gekonnten Bocksprung (hoch lebe der schulische Sportunterricht!), hechtet man auf das borstig behaarte Haupt des Elefanten. Zweimal drehen, und schon sitzt man reisefertig auf dem Dickhäuter. Nun finden auch die im vorherigen Theorieunterricht erlernten Befehle erste Anwendung: „Hu“ bedeutet „Vorwärts“, „hau“ heißt „stopp“, und mit einem kräftigen „kwae“ lenkt man das Großkaliber. Der erste Tag auf dem Elefantenrücken endet nach einer abenteuerlichen Dschungeltour mit einem gemeinsamen Bad im campeigenen Fluss samt Wasserfall, wo die Elefantenkuh von Schlamm und Dreck befreit wird. Denn Mae Geo II liebt es, sich mit Schlamm und kleinen Steinchen zu bepudern und dabei natürlich auch dem Reiter zu einer neuen Farbe zu verhelfen. Spätestens hier wird allen Teilnehmern unmissverständlich bewusst, dass Elefanten für ihr Leben gerne baden. „Melo!“, „runter!“, lautet der nächste Befehl, und meine neue, liebgewonnene Bekanntschaft taucht einem U-Boot ähnelnd ab ins kühle Nass.

Ein geländegängiger Dickkopf

Am zweiten Tag geht's auf Trekkingtour. Doch bevor es losgeht, holen die Kursteilnehmer „ihre“ Elefanten aus der Schlafstätte im Dschungel ab und zeigen sich beeindruckt über die Geländegängigkeit der tonnenschweren Tiere auf einem alten Pfad der Karen zurück ins Camp, auf dem früher Opium geschmuggelt wurde. Äußerst behutsam und doch bestimmt klettern die grauen Riesen die steilen Bergpisten rauf und runter. „Kwae, kwae“, brüllt der Journalist sich heiser, doch Mae Geo II scheint sich heute mehr für das Fressen anstatt für die Befehle des winzigen Mahouts in spe zu interessieren und steckt ihren Dickkopf trotzig ins Gebüsch.

Doch Mahout sein bedeutet nicht nur Spaß, sondern auch harte Arbeit. So führt am dritten Tag der erste Weg hinauf aufs Feld, um mit einer Machete bewaffnet frisches Elefantengras zu schlagen. Schließlich ist der Hunger der Dickhäuter enorm. Bis zu 300 Kilogramm Nahrung kann ein ausgewachsener Elefant pro Tag vertilgen. Auch ein paar junge Palmen werden geschlagen. „Da sie besonders saftig sind und süß im Geschmack, stellen sie eine beliebte Nascherei an heißen Tagen dar“, erklärt Natalie. Der Schweiß fließt in Strömen, bis das knapp drei Meter lange Grünzeug auf dem geländegängigen Jeep verstaut ist, mit dem die Gäste dann in knapp 30 Minuten über eine abenteuerliche Buckelpiste hinauf ins Elefantencamp auf knapp 900 Metern Höhe transportiert werden. Auf dem Programm steht ein weiteres Highlight oder besser gesagt die Königsdisziplin des Elefantenführens: das Stapeln von Baumstämmen. Dabei probieren je zwei Teilnehmer auf zwei Elefanten Baumstämme zu rollen, um sie dann übereinanderzustapeln. Das ganze klingt natürlich einfacher als es tatsächlich ist, denn die Paare müssen dabei synchron Befehle erteilen und stets beobachten, was der andere tut. Dennoch stapeln nach einer kurzen Trainingsphase alle Urlauber mit ihren Rüsseltieren Baumstämme um die Wette, nach jedem erstellten Stapel ist die Freude groß.

Elefantenphilosoph und Ost-Hippie

Elefanten baden für ihr Leben gerne (links). Bodos Camps befinden sich mitten im Dschungel, wodurch eine artgerechte Haltung der Dickhäuter gewährleistet ist (rechts).
Elefanten baden für ihr Leben gerne (links). Bodos Camps befinden sich mitten im Dschungel, wodurch eine artgerechte Haltung der Dickhäuter gewährleistet ist (rechts).

Neben den unvergesslichen Begegnungen mit den Elefanten bleiben jedoch auch die beinahe philosophisch anmutenden Gespräche mit Bodo Förster noch lange in bester Erinnerung. Bodo ist ein echter Haudegen, im thüringischen Saalfeld geboren und ein Bär von einem Mann. Der charismatische 50-Jährige besitzt ein ausgesprochen lautes Organ und nimmt kein Blatt vor den Mund. Bereits mit 14 Jahren arbeitete er mit Tieren und absolvierte später die Ausbildung zum Landwirt. „Hätten die Kommunisten sich nicht so angestellt mit mir, wäre ich in dem Beruf sicher alt geworden“, lacht er. Mit 25 Jahren siedelte er nach Ostberlin über und arbeitete in der Futtermühle des Tierparks Friedrichsfelde, wo er seine erste Elefantenbegegnung vollzog. Kurzentschlossen ließ er sich zum Zootierpfleger ausbilden und arbeitete ab 1986 mit dem „Viehzeug“, wie er es liebevoll nennt. Als 1989 in der Nacht zu seinem Geburtstag die Mauer fiel, zwischenzeitlich agierte Bodo bereits als Revierchef für asiatische Elefanten, stand für ihn fest: „In einem Jahr bin ich in Asien.“ Die Entscheidung wurde besonders durch den Erhalt einer Postkarte bestimmt, die er von einem schwedischen Kollegen aus einem Elefantencamp in Nordthailand erhielt.

Das erst vier Wochen alte Elefantenkalb will spielen.
Das erst vier Wochen alte Elefantenkalb will spielen.

Mit eben dieser Postkarte in der Hand flog er nach Thailand und reiste zielbestimmt in den Norden, seinem Schicksal entgegen. Bodo erklärt: „Ich kam einzig und allein wegen der Elefanten. Ich wusste weder was Chilis sind noch was es mit den thailändischen Frauen auf sich hat. Ich wollte hierher, um das althergebrachte Handwerk der Mahouts zu erlernen, die seit tausenden Jahren mit Elefanten leben und arbeiten. Die Zeit im Zoo betrachtete ich lediglich als ersten Schritt, denn ich wollte mehr.“ In der königlichen Elefantenaufzuchtstation in Lamphang ließ er sich zum Mahout ausbilden. Auf die Frage, wie die Einheimischen reagierten, als der „große, weiße Mann“ in den Dschungel kam, um mit Elefanten zu arbeiten, obwohl sie ganz genau wussten, dass es in seiner Heimat keine wildlebenden Dickhäuter gibt, erklärt Bodo: „Das ist genau der Unterschied. Ich war nicht der große, weiße Mann, sondern setzte mich hin und hörte den Menschen zu, denn es ist ihr Land. Natürlich musste auch ich Lehrgeld zahlen, doch schließlich gelang es mir, mein Unternehmen aufzubauen. Anfangs haben die Leute viel gelacht, besonders als meine erste Frau weglief, nach der zweiten Frau umso mehr. Tierliebe und Beziehungen sind eben schwer vereinbar. Doch ich bin immer noch hier. Egal wo man ist, ob in einem kleinen Dorf in Thüringen oder hier im ländlichen Nordthailand, die Menschen akzeptieren immer anständige Arbeit. Wenn man sich selbst nicht so wichtig nimmt, sondern sich anständig und mit etwas Liebe seinem Projekt widmet, dann klappt das auch. Elephant Special Tours wurde Step-by-Step aufgebaut, und heutzutage bin ich stolz zu sagen, dass wir das ehrgeizige Ziel verfolgen, Weltmarktführer für Elefantenreisen zu werden.“

Elefanten sind Herdentiere. Wer sieht, wie frei die grauen Riesen in Bodos Camps leben dürfen, reagiert begeistert.
Elefanten sind Herdentiere. Wer sieht, wie frei die grauen Riesen in Bodos Camps leben dürfen, reagiert begeistert.

Inzwischen befinden sich in Bodos Camp 14 Elefanten inklusive zweier kleiner Kälber und einem größeren Kalb. Die Verantwortung ist groß. Bodo erklärt: „Bei mir bekommt der Begriff Nachhaltigkeit eine ganz neue Bedeutung. Ich habe gerade nicht nur ein Kalb geboren, sondern auch eine 14-jährige Elefantenkuh gekauft, die mindestens noch 50 Jahre lebt. Ich weiß nicht, ob ich 100 Jahre alt werde, doch zumindest laufe ich dann nicht mehr über die Berge. Dafür habe ich die Tong-Bai-Stiftung gegründet, um das vorzubereiten. Nicht nur für die Elefanten, sondern auch für die Einheimischen. Denn es ist nicht mein Lebenswerk, sondern unseres.“ Doch wie gelingt es Bodo, Elefantenschutz und Tourismus harmonisch miteinander zu verbinden? „Ich denke, das ist kein Elefantenschutz, sondern gesunder Menschenverstand. Elephant Special Tours ist ein Projekt für Elefanten, finanziert durch Touristen. Denn nur mit Träumen können wir nicht leben und nur durch Wirtschaften ebenfalls nicht. Natürlich ist das nicht immer einfach, besonders wenn man bedenkt, dass in meinen drei Camps Menschen dreier verschiedener Religionen aus fünf verschiedenen Nationen arbeiten. Doch ich habe jeden immer so genommen, wie er ist, niemand ist perfekt. Oder wie wir Elefantenleute sagen: Wir sterben jeden Tag 1.000 Tode, aber es ist noch lange nicht Abend!“

Elefanten und klassische Musik

Bodo Förster gilt als Elefantentourismus-Pionier.
Bodo Förster gilt als Elefantentourismus-Pionier.

Bodo vergleicht seine Faszination für Elefanten gerne mit klassischer Musik: „Musik erzeugt in uns ein bestimmtes Gefühl, und Gefühle sind das einzige auf der Welt, was nicht erkennbar ist. Dabei neigt der Mensch immer nach Erkennbarkeit. Doch wie schon Goethes Faust wusste, eine Erklärbarkeit der Welt gibt es nicht. Wenn man auf einem Elefanten sitzt und diesen spürt, mag man sagen: Es ist mir egal, was da ist, aber es ist einfach geil Ähnlich ist das bei der Musik. Ich kann erklären, warum ich keinen amerikanischen Hip-Hop mag, doch nicht, warum mein Vater bei einem Song der Hardrockband Slayer rief, mach den verdammten Krach aus Kurz: wenn man sich auf den Elefanten richtig einlässt und ihn spürt, dann ist das wie eine Melodie der Natur.“

So philosophisch diese Worte klingen, wenn man Bodo richtig auf die Palme bringen möchte, fragt man ihn nach dem Ausspruch „Elefantenflüsterer“, mit dem ihn eine große deutsche Zeitung verglich. „Den Elefantenflüsterer gibt es nicht Ich habe eine bestimmte Fähigkeit mit Tieren umzugehen, und ich habe auch Menschen kennengelernt, die mit ihnen reden können, doch ich kann das nicht. Siddharta war so ein Mensch, doch bin ich Buddha? Nein. Ich habe Elefanten lange studiert, und selbst die Einheimischen nennen mich Adjan Chang. Das ehrt mich natürlich sehr, dennoch habe ich dafür kein Magister.“

Nachhaltigkeit und soziales Engagement

Alle Mahouts im Camp gehören dem Bergvolk der Karen an. Sie leben Tag und Nacht mit den Elefanten zusammen.
Alle Mahouts im Camp gehören dem Bergvolk der Karen an. Sie leben Tag und Nacht mit den Elefanten zusammen.

Elephant Special Tours unterstützt im Landkreis Mae Wang die thailändische Bevölkerung und das Bergvolk der Karen durch die Wirkung gezielter sozialer Projekte. Durch sanften Tourismus und mit Rücksicht auf die Umwelt wird eine Sozialverträglichkeit geschaffen, die den Menschen zugutekommt und ihre Individualität bewahrt. Bodo und sein Team unterstützen in der dünn besiedelten Landregion die Bevölkerung durch ihr Angebot, das auf eine ausgewogene Implementierung touristischer Strukturen in historisch gewachsene Gegebenheiten ausgerichtet ist. Veränderungen, die nur der Gewinnmaximierung dienen, gehen an den Menschen vor Ort oft vorbei und schüren aus gutem Grund Missbilligung. Daher ist ein ständiger Austausch und ein vitales Miteinander im Alltag dieses kleinen Tals für alle Seiten förderlich. Durch den Einkauf aller täglichen Gebrauchs- und Lebensmittel vor Ort, durch die Beteiligung an traditionellen Feierlichkeiten, durch regen Austausch mit den örtlichen Behörden und nicht zuletzt durch die Gewissheit, einer der größten Arbeitgeber der Region zu sein, engagiert sich Elephant Special Tours aktiv in der Entwicklung der Region. So wurde unter anderem im Januar 2012 das erste Haus im Camp gebaut, um den Mahouts die Möglichkeit zu geben, Familie und Beruf zu vereinen. Denn bisher wohnten die jungen Männer unter sich und teilten sich ein Haus. Bedingt durch den Beruf müssen die Elefantenführer immer in unmittelbarer Nähe von ihrem Elefanten leben, um ihn regelmäßig mit Futter und Wasser zu versorgen - ein Hindernis zur Familiengründung und ein gemeinsames Leben mit Frau und Kind.

Mae Sapok 47/3 Moo 5

T. Mae Win, A. Mae Wang Chiang Mai

Tel.: 086-193.0377

elephant-tours@gmx.de

www.elephant-tours.de

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