Belarus will angeblich Ukraine angreifen

​Trotz Friedensgesprächen

Ein Mann filmt ein gepanzertes Fahrzeug in der von prorussischen Kämpfern kontrollierten Region Donezk im Osten der Ukraine. Foto: Uncredited/Ap/dpa
Ein Mann filmt ein gepanzertes Fahrzeug in der von prorussischen Kämpfern kontrollierten Region Donezk im Osten der Ukraine. Foto: Uncredited/Ap/dpa

MINSK/KIEW/MOSKAU: In der belarussischen Region Gomel sollen Verhandlungen zwischen Moskau und Kiew stattfinden. Für Friedensgespräche wird in der Regel ein neutraler Ort gewählt. Belarus ist aber Russlands Partner. Machthaber Lukaschenko könnte sogar offiziell Kriegspartei werden.

Trotz der geplanten Friedensgespräche zwischen Moskau und Kiew in Belarus gibt es Spekulationen, dass der dortige Präsident Alexander Lukaschenko auf Seiten Russlands in den Krieg eingreifen könnte. Belarus könnte sich Berichten zufolge schon am Montagmorgen offiziell mit Soldaten in den Krieg einschalten. Belarussische Fallschirmjäger sollen den Befehl bekommen haben, am frühen Morgen in die Ukraine zu fliegen, schreibt die ukrainische Agentur Unian. Sie beruft sich dabei auf Informationen von Andrej Strischak von der Nichtregierungsorganisation Bysol. Diese Informationen ließen sich nicht unabhängig prüfen.

Sollte Belarus die Ukraine angreifen, würde das dem widersprechen, was Lukaschenko dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj noch am Sonntag zugesagt haben soll. Selenskyj hatte erklärt, der belarussische Präsident habe ihm versichert, nicht in den Krieg eingreifen zu wollen. Am Montagmorgen sollten in der belarussischen Region Gomel an der Grenze zur Ukraine Gespräche zwischen den Regierungen in Moskau und Kiew über eine mögliche Friedenslösung beginnen.

Im Schatten des Krieges im Nachbarland hatte sich Lukaschenko am Sonntag in einem Referendum weitere Macht zusichern lassen. Nach einer Mitteilung der Wahlkommission in Minsk stimmten rund 65 Prozent der Wähler für eine Verfassungsänderung, bei zehn Prozent Gegenstimmen, wie die Agentur Tass am Montagmorgen berichtete. Die Verfassungsänderung soll dem seit 1994 mit harter Hand regierenden Lukaschenko weitere Amtszeiten ermöglichen und ihm nach einem eventuellen Rückzug aus der Politik lebenslange Straffreiheit garantieren. Daneben soll auch eine künftige dauerhafte Stationierung russischer Truppen und Atomwaffen im Land möglich werden.

Die Ukraine hatte zunächst Friedensgespräche in Russlands Partnerland Belarus abgelehnt. Das Land beteilige sich an Kampfhandlungen gegen die Ukraine, sagte Selenskyj. Er sei offen für alle Orte, «von denen aus keine Raketen auf die Ukraine geschossen werden». Später ging der Präsident dann doch auf das Angebot der Russen ein. «Ich glaube nicht an ein Ergebnis dieses Treffens, aber lasst es uns versuchen», sagte Selenskyj. Er versuche, den Krieg zu stoppen, solange es eine minimale Chance gebe. Daran dürfe kein einziger Ukrainer zweifeln, sagte Selenskyj.

Lukaschenko hatte am Sonntag eingeräumt, dass russische Truppen von seinem Land aus die Ukraine angegriffen hätten. Zwei Raketen seien abgefeuert worden, «weil Kiew drei bis vier Raketendivisionen an der Grenze» zu Belarus stationiert habe, sagte Lukaschenko Staatsmedien zufolge in Minsk.

Belarus war schon in der Vergangenheit ein wichtiger Schauplatz in der Krise um die Ukraine gewesen: Im Jahr 2015 wurde in der Hauptstadt Minsk unter deutsch-französischer Vermittlung ein Friedensplan für die Ostukraine ausgehandelt, der allerdings - vor allem zum Ärger Russlands - in den darauffolgenden Jahren weitgehend auf Eis lag.

Nach der mutmaßlich gefälschten belarussischen Präsidentenwahl im Sommer 2020 geriet Machthaber Alexander Lukaschenko zunehmend unter Druck. Die EU etwa erkennt den oft als «letzten Diktator Europas» kritisierten 67-Jährigen nicht mehr als Präsidenten an und verhängte weitreichende Sanktionen. An der Seite Lukaschenkos verblieb am Ende vor allem Moskau, wo Minsk mit Milliardenkrediten in der Kreide steht. Dass Lukaschenko nun zuletzt Belarus als Ort für russisch-ukrainische Verhandlungen mit Nachdruck anbot, dürfte auch daran liegen, dass er darin eine Chance auf ein Comeback auf die weltpolitische Bühne wittert.

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