Russland meldet fast 800 getötete ukrainische Soldaten

Ein ukrainischer Soldat schießt auf eine Position in der Stadt Severodonetsk im Gebiet Luhansk. Foto: epa/Oleksandr Ratushniak
Ein ukrainischer Soldat schießt auf eine Position in der Stadt Severodonetsk im Gebiet Luhansk. Foto: epa/Oleksandr Ratushniak

KIEW/MOSKAU: Die Bodenoffensive der russischen Truppen in der Ostukraine wird begleitet von heftigen Raketenangriffen - mit wohl Hunderten Todesopfern allein binnen eines Tages. Die Stadt Lyssytschansk gilt als das nächste strategische Angriffsziel.

In der erbitterten Schlacht um den Osten der Ukraine haben russische Truppen nach eigenen Angaben binnen 24 Stunden fast 800 gegnerische Soldaten getötet - darunter 80 freiwillige Kämpfer aus Polen. Die «Söldner» seien durch einen Raketenangriff auf ein Zinkwerk in der Stadt Kostjantyniwka getötet worden, erklärte am Samstag das Verteidigungsministerium in Moskau. Ein Raketenangriff auf Mykolajiw im Süden habe etwa 300 Soldaten getötet, hieß es weiter aus dem Verteidigungsministerium in Moskau. Die Angaben konnten nicht unabhängig überprüft werden.

Auch die Regierung in Kiew berichtete von heftigem Beschuss in vielen Gebieten. Die Frau von Präsident Wolodymyr Selenskyj verglich die russischen Truppen mit der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) und warf ihnen Sexualverbrechen vor.

Russen nahmen mehrere Ortschaften im Osten ein

In den vergangenen Tagen hatten die russischen Streitkräfte mehrere Ortschaften im Ballungsraum Sjewjerodonezk-Lyssytschansk eingenommen. Die erste der beiden einstigen Großstädte ist inzwischen unter russischer Kontrolle. Heute leben in Sjewjerodonezk aber nur noch einige Tausend Menschen. Zudem stehen moskautreue Truppen am südlichen Stadtrand von Lyssytschansk. Die Stadt ist nach dem weitgehenden Rückzug der Ukrainer aus Sjewjerodonezk zum nächsten Angriffsziel der Russen geworden. Sowohl Artillerie als auch die Luftwaffe hätten Lyssytschansk unter Feuer genommen, hieß es. Unabhängig überprüfen lassen sich auch diese Angaben nicht.

Die ukrainische Nachrichtenagentur Unian meldete, auch die Region Dnipropetrowsk sei mit Artillerie beschossen worden. Zudem schlugen in der Umgebung von Schytomyr - einer Großstadt westlich von Kiew - nach Angaben von Bürgermeister Serhij Suchomlin 24 Raketen ein.

Russische Angriffe auch aus Belarus

Dem ukrainischen Generalstab zufolge feuerte Russland die Raketen auf Schytomyr und Tschernihiw aus Belarus ab. Die Ex-Sowjetrepublik unter Machthaber Alexander Lukaschenko bezeichnet sich in dem seit mehr als vier Monaten dauernden Krieg eigentlich als neutral. Im Gebiet Lwiw (früher: Lemberg) war einmal mehr das Militärgelände in Jaworiw Ziel der Angriffe. Ukrainischen Angaben zufolge wurden sechs Marschflugkörper von Schiffen auf dem Schwarzen Meer abgeschossen.

Im Gebiet Chmelnytzkyj konnte die ukrainische Luftabwehr nach eigenen Angaben zwei Raketen abschießen. Deren Trümmer sollen keine Schäden angerichtet haben. Dafür meldete das Gebiet Mykolajiwka im Süden der Ukraine einen schweren Angriff. Eine Sprecherin der Verwaltung sagte, man wisse, dass die Hafeninfrastruktur, Wohnviertel und Erholungsgebiete von Zivilisten angegriffen wurden. Angriffe gab es demnach auch auf den Ballungsraum Slowjansk-Kramatorsk-Kostjantyniwka.

Selenska: Ukrainische Frauen erleben den Horror

Selenskyjs Ehefrau Olena Selenska verwies in der «Welt am Sonntag» auf die Friedensnobelpreisträgerin Nadia Murad, die vom IS versklavt worden war. «Es ist furchtbar, das auszusprechen, aber viele ukrainische Frauen erleben unter der Besatzung dasselbe», sagte sie und fügte hinzu: «Weil die russischen Besatzer nicht besser als IS-Terroristen sind.» Murad hatte Verbrechen der Terrororganisation Islamischer Staat an Jesiden im Irak überlebt. Sie ist seit 2016 UN-Sonderbotschafterin.

Selenska bedankte sich dafür, dass die Bundesrepublik zahlreichen Ukrainern Asyl gewährt. Auch appellierte sie an ihre geflüchteten Landsleute, zurückzukehren, wenn die Lage wieder sicher werde, um beim Wiederaufbau zu helfen.

Selenskyj: Kiew freut sich über EU-Kandidatenstatus

Selenskyj selbst äußerte sich in einer Videoansprache optimistisch, dass sein Land die Kriterien für einen EU-Beitritt erfüllen wird. Dazu gehören Rechtsstaatlichkeit, Kampf gegen Korruption, Garantie der Grundrechte und eine funktionierende Marktwirtschaft. In Georgien gingen in der Nacht zum Samstag Zehntausende Menschen für einen EU-Beitritt auf die Straße. Im Unterschied zur Ukraine und Moldau hatte ein EU-Gipfel am Donnerstag Georgien keinen Kandidatenstatus gewährt.

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