Militärgericht verhängt umstrittenes Terrorurteil

Archivfoto: epa/ANATOLY MALTSEV
Archivfoto: epa/ANATOLY MALTSEV

ROSTOW AM DON: Nach der russischen Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim hat die Justiz des Landes drei Angehörige der muslimischen Minderheit der Krimtataren zu langer Straflagerhaft verurteilt. Offiziell erging das Urteil am Dienstag wegen Mitgliedschaft in der auch in Deutschland verbotenen islamistischen Organisation Hizb ut-Tahrir. Das Nachbarland Ukraine und Menschenrechtler sprachen von einem politischen Urteil.

Das Militärgericht in der südrussischen Stadt Rostow am Don befand die drei Männer der Agentur Interfax zufolge für schuldig, gewaltsam die Macht in Russland ergreifen zu wollen. Sie sollen zudem Bewohner der Krim für die Organisation angeworben haben.

Die Männer bestritten demnach die Anschuldigungen. Ihre Anwälte wollen das Urteil anfechten. Die Menschenrechtsorganisation Memorial sieht die Verurteilten als politische Gefangene. Auf der Krim hatte es nach der Festnahme im Juni 2019 mehrfach Solidaritätsaktionen für die Männer gegeben. Die Demonstranten kritisierten das Verfahren als Versuch, die muslimische Minderheit der Krimtataren zu unterdrücken.

Kritik kam auch aus der Ukraine. «Die verhängten Urteile sind ein weiterer Beweis für die Nutzung des russischen Justizsystems, das nichts mit Rechtsprechung zu tun hat», sagte Vize-Außenministerin Emine Dschaparowa in der Hauptstadt Kiew.

Unter der muslimischen Volksgruppe der Krimtataren sind die Vorbehalte gegen Russland nach wie vor groß. Hauptgrund ist ihre Deportation im Zweiten Weltkrieg. 1944 waren etwa 200.000 Menschen wegen angeblicher Kooperation mit den deutschen Besatzern per Zug vor allem ins heutige Usbekistan gebracht worden. Nicht zuletzt wegen dieser geschichtlichen Erfahrung boykottierten viele Krimtataren 2014 das Referendum über die Vereinigung der Krim mit Russland.

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