Eine Studentin als Agentin?

Russischer Einfluss in den USA

Maria Butina. Foto: epa/Press Service Of Civic Chamber Of The Russian Federation
Maria Butina. Foto: epa/Press Service Of Civic Chamber Of The Russian Federation

WASHINGTON (dpa) - Der Fall hat das Zeug zum Spionage-Thriller, Sex inklusive: eine junge Russin, Studentin in Washington - nach Überzeugung des FBI ist sie in Wahrheit eine Agentin.

Einen Hörsaal wird die 29-Jährige so bald nicht mehr sehen: Maria Butina, eine junge Russin, die in Washington an der American University eingeschrieben war, sitzt in Untersuchungshaft. Die US-Bundespolizei FBI ist davon überzeugt, dass das Studium Tarnung war - und dass Butina in Wahrheit Teil einer «verdeckten russischen Beeinflussungsoperation in den Vereinigten Staaten» gewesen ist. Nichts treibt das politische Washington derzeit mehr um als russische Einmischung in innere Angelegenheiten der USA - und die mutmaßliche Agentin Butina könnte zum Gesicht der Krise werden.

Was die Fotos der Rothaarigen angeht, die im Internet kursieren, so könnte Butina dem Traum eines Waffennarren entsprungen sein - und an denen mangelt es in den USA nicht. Auf einem Bild kniet sie im Schnee hinter erlegten Wildtieren, lächelnd ein Gewehr haltend. Auf einem anderen Foto posiert sie schick gekleidet in James-Bond-Manier, die Arme verschränkt, eine Waffe in der rechten Hand. Mal zeigt sie sich im Cowboy-Look mit Grinsen und Pistole, mal schaut sie ernst durchs Zielfernrohr eines Scharfschützengewehrs.

Für US-Präsident Donald Trump kommt der Fall Butina zur Unzeit. Trump ist wegen des Russland-Themas mächtig unter Druck: Beim Gipfel mit Kremlchef Wladimir Putin am vergangenen Montag in Helsinki stellte er eine Einmischung Russlands bei den US-Wahlen 2016 in Frage. Angesichts eines Sturms der Entrüstung sah sich Trump dann gezwungen, zurückzurudern - halbwegs jedenfalls. Doch nicht nur von Cyber-Angriffen Russlands rund um die Wahl sind US-Geheimdienste überzeugt. Deren Koordinator Dan Coats warnt vor «anhaltenden, tiefgreifenden Bemühungen, unsere Demokratie zu untergraben».

Wegen der mutmaßlichen Einmischung bei der Wahl hat Sonderermittler Robert Mueller Anklage gegen zwölf Mitarbeiter des russischen Militärgeheimdienstes GRU erhoben. Dass sie je vor einem US-Gericht stehen werden, ist unwahrscheinlich: Sie sind in Russland. Butina - deren Fall nicht Teil der Mueller-Untersuchungen ist - hatte weniger Glück. Am Tag vor dem Gipfel in Helsinki wurde sie unter dem Vorwurf unerlaubter Agententätigkeit festgenommen. Am Dienstag wurde Anklage erhoben, am Tag darauf Untersuchungshaft verhängt.

Nach Angaben des FBI wäre Butinas Mietvertrag in Washington Ende des Monats ausgelaufen - die Kisten waren schon gepackt. Die Ermittler argumentierten, dass wegen Butinas «Verbindung zu mutmaßlichen russischen Geheimdienstagenten» des FSB Fluchtgefahr bestehe.

Butinas Anwalt bestreitet alle Vorwürfe. Das US-Justizministerium wirft ihr dagegen vor, von 2015 bis mindestens zum Februar 2017 als Agentin gearbeitet zu haben - also rund um die Wahl 2016. Sie habe dabei «unter Anweisung eines hochrangigen Beamten in der russischen Regierung» agiert. Dabei soll es sich laut FBI um jemanden in der Zentralbank handeln, der seit April 2018 auf der US-Sanktionsliste steht und dessen «Sonderassistentin» Butina gewesen sein soll.

Einen Namen nennt das FBI nicht, US-Medien gehen aber davon aus, dass Alexander Torschin gemeint ist, Staatssekretär und Zentralbank-Vizechef. Tatsächlich verhängten die USA im April 2018 Sanktionen gegen ihn und andere Russen, wegen «weltweiter bösartiger Aktivitäten» der Putin-Regierung. Ein Foto auf Butinas Facebook-Seite zeigt sie gemeinsam mit Torschin, ihren Angaben zufolge wurde es im Februar 2017 in Washington aufgenommen.

Was das FBI anführt, hat das Zeug zum Spionage-Thriller - Sex inklusive: Die 29-Jährige soll mit einem fast doppelt so alten Amerikaner - im FBI-Dokument aus der U-Haft-Verhandlung nur «US-Person 1» genannt - «eine persönliche Beziehung» unterhalten haben, als «notwendigen Aspekt ihrer Aktivitäten». Weiter heißt es: «Butina bot einem anderen Individuum als US-Person 1 Sex im Gegenzug für eine Position in einer Interessenorganisation an.»

US-Medien spekulierten, bei «US-Person 1» könne es sich um einen 56-jährigen Berater der Republikaner handeln. Den Vorwürfen des FBI zufolge soll er Butina mit «einem weitreichenden Netzwerk» politisch einflussreicher Amerikaner zusammengebracht haben - und mit einer «Waffenrechtsorganisation». Gemeint ist die National Rifle Association (NRA), die im Wahlkampf 2016 zu Trumps wichtigsten Unterstützern zählte. «Die NRA war für Butina ein Sprungbrett in die Welt republikanischer Politik», schreibt die «Washington Post».

Das FBI wirft Butina vor, gemeinsam mit dem «russischen Beamten» geplant zu haben, durch einflussreiche Kontakte und die Infiltration von US-Organisationen «Moskaus langfristige strategische Ziele in den USA» voranzubringen. Dazu zähle, das Vertrauen in demokratische Prozesse zu untergraben, die US-Partnerschaft mit europäischen Verbündeten zu schwächen und Sanktionen zu unterlaufen.

Im Fall von Butina habe es sich um eine «Verschwörung zur verdeckten Arbeit» in den USA gehandelt - mit «substanzieller Planung, internationaler Koordination und Vorbereitung», meint das FBI. Doch verdeckt war Butinas prorussische Lobby-Arbeit gar nicht, im Gegenteil - auch das macht ihren Fall bemerkenswert.

«Es gibt zahllose Fotos von Butina mit prominenten US-Politikern und Anführern konservativer Organisationen», schreibt das Soufan-Forschungszentrum, das sich mit globalen Sicherheitsfragen beschäftigt. «Sie hatte eine unglaubliche Menge an Zugang zu Menschen an der Macht - sowohl innerhalb als außerhalb der US-Regierung - besonders für eine Studentin mit einem Studienvisum.»

Die Hacker vom russischen Militärgeheimdienst, gegen die Mueller Anklage erhoben hat, bemühten sich, ihre Spuren zu verwischen. Butina trat dagegen beispielsweise bei konservativen Veranstaltungen ganz öffentlich auf - wenn auch natürlich nicht als Agentin. Soufan sprach von einer «öffentlich-verdeckten Beeinflussungskampagne».

Die russische Regierung streitet die Vorwürfe naturgemäß ab. Das Außenministerium in Moskau tauschte sein Twitter-Profilbild gegen ein Foto Butinas aus - mit dem Hashtag #FreeMariaButina. «Die Vorwürfe, die gegen sie vorgebracht werden, sind absolut illegal», sagte der russische Botschafter in den USA, Anatoly Antonow, nach Angaben der Agentur Tass. «Was sie machen, ist eine Farce.»

Putin hatte beim Gipfel in Helsinki gesagt, er habe gewollt, dass Trump die Wahl 2016 gewinnt. Trump wiederum legt eine so freundliche Haltung gegenüber Putin an den Tag, dass viele Amerikaner irritiert sind. Das gilt auch für seinen Zickzackkurs in der Frage, ob sich Russland in innere Angelegenheiten der USA einmischt. «Russland mischt sich nicht ein?», höhnte die «Washington Post» an die Adresse Trumps. «Dann erkläre Maria Butina.»

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