Rückkehr eines «Clowns»: Johnsons Aufstieg begann in Brüssel

Foto: epa/Str
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BRÜSSEL (dpa) - Wenn Boris Johnson an diesem Montag als Außenminister nach Brüssel kommt, wird er auf alte Bekannte stoßen: Als junger Reporter legte er dort den Grundstein seiner unglaublichen Karriere. Manche erinnern sich noch an seine irren Auftritte.

Er kam, sah und fragte: «Was ist die Story heute?» Wenn Boris Johnson auftauchte, war für Unterhaltung gesorgt. «Er übertrieb die Geschichten über EU-Vorgaben für Gurken und diese Dinge», erinnert sich der italienische EU-Korrespondent Lorenzo Consoli. «Aber er war sympathisch, ein unglaublicher Typ.»

Die Größe von Gurken, Bananen, Präservativen - kein Thema war Boris Johnson zu absurd, als er von 1989 an einige Jahre als junger Reporter für den «Daily Telegraph» aus Brüssel berichtete. Oder eigentlich: Je absurder ein Thema war, desto besser.

Und häufig half die Fantasie nach. Boris Johnson habe Dutzende von Euro-Mythen geschaffen und aufgeblasen, schrieb die Schweizer Zeitung «Le Temps» über die Berichte des Briten aus Brüssel: Den Doppelstockbussen droht ein Verbot! Englische Schokolade muss mangels Kakao künftig «Vegelate» heißen! Kinder dürfen künftig keine Zeitungen mehr austragen!

«Diese Mythen waren im allgemeinen witzig, oft absurd, manchmal auf ein Körnchen Wahrheit zurückzuführen, immer extrem deformiert oder aber völlig falsch», erzählte die «Guardian»-Journalistin Sarah Helm der Zeitung über ihre Erlebnisse mit Johnson in jenen Jahren.

Solche Erinnerungen werden jetzt wieder wach: Boris Johnson kehrt zurück nach Brüssel! Nicht als Reporter, sondern an diesem Montag als Außenminister des Vereinigten Königreichs. Als Vertreter eines Landes also, das sich anschickt, die Gemeinschaft der noch 28 zu verlassen, und nach Deutschland und Frankreich die größte Bevölkerung umfasst.

Damit schließt sich ein Kreis: Mit seinen Geschichten über das vermeintliche Monster Brüssel setzte der Sohn eines EU-Beamten nicht nur britische Presse-Kollegen unter Druck, es ihm gleichzutun. Johnson befeuerte damit auch einen Euro-Skeptizismus der Insulaner, der sich jüngst im Brexit-Votum für einen Austritt aus der Europäischen Union entlud. Was ihm wiederum das Ministeramt eintrug.

Gleich gegenüber dem Brüsseler Ratsgebäude, wo am Montag die EU-Außenminister tagen, kann Johnson dann das steingewordene Dementi für einen seiner Berichte besichtigen: das Hauptquartier der EU-Kommission, Berlaymont genannt. «Er erfand Storys. Und der Klassiker war das Berlaymont», erzählt der langjährige Brüssel-Korrespondent Rory Watson.

In dem Gebäude war Asbest gefunden worden. Und Johnson verkündete seinen Lesern: Die EU-Zentrale wird gesprengt! Andrew Gimson, der Watson in seiner Biografie «Boris - The Rise of Boris Johnson» zitiert, erklärte: «Seine Storys über die Idiotien der Europäischen Union wurden von einem stetig wachsenden Kreis von Fans mit Entzücken aufgenommen.» Doch das Berlaymont steht, saniert, heute noch.

Zeitzeugen wie Watson oder Consoli haben noch vor Augen, wie Johnson seine Fragen im damaligen Pressesaal der EU-Kommission abfeuerte - bevorzugt stand er dabei hinter der letzten Sitzreihe. «Er hat vor allem den Clown im Pressesaal gegeben», sagt ein langjähriger deutscher EU-Korrespondent, der lieber anonym bleiben möchte: «Wir haben ja jetzt wieder mit ihm zu tun.»

Die Fragen aus der hinterletzten Reihe muss der Brite nun anderen überlassen. Er wird antworten müssen, vor allem zum Brexit. Doch auf die Frage «Was ist die Story heute?» wird es an diesem Montag im Ministerrat nur eine Antwort geben: Die Story heißt Boris Johnson.

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Jürgen Franke 19.07.16 03:16
Die Deutschen hatten mal
einen "Steinewerfer" als Außenminister, die Briten einen Clown. Es wird auch mit Johnson funktionieren müssen. In jedem Fall wird es spaßig.
Dracomir Pires 18.07.16 16:56
Ein Clown?
Johnson ist alles andere als ein Clown. Er wird den EU-Marionetten in Brüssel schon den A... aufreissen, dann wird ihnen das Lachen vergehen. Oder anders gesagt: Wer zuletzt lacht, lacht am besten.
Mike Dong 18.07.16 16:54
omg
Macht auf Kumpel und gehört den elitären Kreisen an, die über Jo Normalo Witze machen. Snobish bis zum geht nicht mehr und ein Falschspieler. Nachdem er seine politische Weitsicht mit Gedicht zur Schau gestellt hat, ist er natürlich erste Wahl für den Posten.