Rom wünscht sich mehr amerikanisches Engagement

ROM (dpa) - Seit dem Sturz Gaddafis versinkt Libyen in Machtkämpfe und Krieg. Versuche, das Land wieder zu einen, scheiterten. Die frühere Kolonialmacht Italien will die USA nun stärker in die Pflicht nehmen. Jetzt kommt Außenminister Pompeo nach Rom.

Von Rom nach Tripolis sind es 1.000 Kilometer Luftlinie, von Sizilien gerade mal die Hälfte. Mit Sorge blickt Italien auf Libyen, das seit dem mit westlicher Hilfe erreichten Sturz des Langzeitherrschers Muammar al-Gaddafi 2011 nicht zur Ruhe kommt. Die Kämpfe um die Macht in der früheren italienischen Kolonie haben sich seit dem Frühjahr verschärft und nach wie vor stechen zahllose afrikanische Migranten auf dem Weg nach Italien in Libyen in See.

Wenn US-Außenminister Mike Pompeo an diesem Dienstag nach Rom kommt, dürfte er von seinen Gastgebern eine klare Botschaft hören: Die USA mögen sich bitte stärker als bisher für eine Stabilisierung Libyens engagieren.

«Wir müssen verhindern, dass Libyen das neue Syrien wird», sagte Außenminister Luigi Di Maio vorige Woche der Turiner Zeitung «La Stampa». Für Italien sei nur eine politische Lösung denkbar und die Europäische Union (EU) müsse mit einer Stimme sprechen. Italien steht in Libyen hinter der international anerkannten Regierung von Ministerpräsident Fajis al-Sarradsch in Tripolis. In der vergangenen Jahren gab es immer wieder Vorwürfe an Frankreich, den aus dem Osten Libyens agierenden General Chalifa Haftar zu unterstützen. Im April hatte der Kriegsherr eine Offensive auf Tripolis begonnen, es aber nicht geschafft, die Hauptstadt zu erobern.

Aus Sicht Italiens liegt in der Stabilisierung Libyens ein Schlüssel zur Lösung der Migrationsfrage. Wichtiger, als Migranten auf andere europäische Länder zu verteilen, sei es, zu verhindern, dass sie losführen, sagte Di Maio dem Sender Sky News.

Italien verfolgt in Libyen aber auch wirtschaftliche Interessen; der Energieriese ENI hat eine traditionell starke Stellung in dem ölreichen Wüstenland. Derzeit unterhält Italien auch ein kleines Militärhospital am Flughafen von Misrata. Nach einem Bericht der Zeitung «La Repubblica» waren die rund 300 italienischen Militärangehörigen dort kürzlich in höchster Gefahr, als Haftar den Airport mit Drohnen angriff.

Die USA hatten ihr kleines Kontingent in Misrata schon Anfang April abgezogen, als Haftars Offensive anstand. In der Vergangenheit hatten die US-Streitkräfte immer wieder Stellungen der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in Libyen bombardiert, eine wirklich aktive politische Rolle spielt Washington in dem Land aber nicht. «Natürlich ist ein stärkeres US-Engagement nötig», sagt die italienische Libyen-Expertin Claudia Gazzini vom Thinktank «International Crisis Group» der Deutschen Presse-Agentur. Noch wichtiger sei, dass die Streithähne in Libyen die Kräfteverhältnisse realistischer einschätzten.

«Beide Seiten glauben immer noch, dass sie gewinnen können», sagt Gazzini. Ägypten und die Vereinigten Arabischen Emirate als Hauptunterstützer Haftars müssten aber erkennen, dass der Krieg nirgendwo hinführe. Die Tripolis-Seite müsse ihrerseits begreifen, dass sie Haftar keinen entscheidenden Schlag versetzen könne. Italien und Frankreich haben sich Gazzinis Einschätzung nach wieder angenähert, nachdem Paris erkannt habe, dass Haftar nicht gewinnen und den Bürgerkrieg auf diese Weise beenden könne.

Im November 2018 hatte Italien versucht, bei einer Konferenz in Palermo die Konfliktparteien zu versöhnen. Das Treffen endete mit einem Eklat, als die Vertreter der Türkei - wichtiger Unterstützer al-Sarradschs - vorzeitig abreisten. In wenigen Wochen ist nun eine große internationale Libyen-Konferenz in Berlin geplant.

Auf jeden Fall knüpft die italienische Politik große Erwartungen an Pompeos Besuch. Die neue Mitte-Links-Regierung aus Fünf Sternen und Sozialdemokraten ist pro-atlantischer als das im August zerbrochene Bündnis der Sterne mit der russlandfreundlichen rechten Lega Matteo Salvinis. Regierungschef ist weiter der parteilose Giuseppe Conte, der es geschickt verstanden hat, mit der Politik Salvinis nicht mehr in Verbindung gebracht zu werden. US-Präsident Donald Trump lobte ihn kürzlich als «hoch respektierten Premierminister».

Pompeo, der auf seiner Europatour auch nach Montenegro, Nordmazedonien und Griechenland reist, nimmt sich in Italien Zeit. Er trifft im Vatikan Papst Franziskus und besucht obendrein die Abruzzen. Von dort waren seine Urgroßeltern 1907 nach Amerika ausgewandert.

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