Rohingya lehnen Rückkehr vielfach ab

Foto: epa/Abir Abdullah
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COX'S BAZAR (dpa) - Papst? Nie gehört. Der bevorstehende Besuch des Pontifex geht sowohl wörtlich als auch im übertragenen Sinne an den Rohingya-Flüchtlingen in Bangladesch vorbei. Auch, dass sie nun nach Myanmar zurück sollen, ist ihnen neu. Das kommt für die meisten ohnehin nicht infrage.

Entlang der Straße zwischen der Stadt Cox's Bazar und dem Flüchtlingslager Kutupalong in Südbangladesch hängen Plakate, die Premierministerin Sheikh Hasina mit Rohingya-Kindern zeigen. Sie wird darauf abwechselnd als «letzte Hoffnung für die Unterdrückten», «Pionierin des Friedens» und «Mutter der Menschlichkeit» bezeichnet. Die Plakate wurden aufgehängt, bevor Hasinas Regierung mit der Führung Myanmars vergangene Woche vereinbarte, dass die Rohingya-Flüchtlinge aus Bangladesch zurück in das Nachbarland sollen, aus dem sie vor schrecklicher Gewalt geflohen sind.

Papst Franziskus wird die Plakate bei seinem bevorstehenden Besuch wohl nicht sehen - es sei denn, er fährt unangekündigt in eines der Lager. Auf seinem Programm fehlt ein solcher Termin, zur Enttäuschung vieler. Die meisten Rohingya allerdings wissen gar nicht, wer oder was der Papst ist - geschweige denn, dass er ab Montag Myanmar besucht und drei Tage später auch nach Bangladesch kommt.

Selbst die Rückführungsvereinbarung hat sich in Kutupalong noch nicht herumgesprochen. Shorika etwa, die nur einen Namen verwendet, hat davon nichts gehört, meint aber: «Nur wenn Myanmar unsere Häuser wiederaufbaut und uns unsere Rechte als Bürger gibt, gehen wir zurück. Sonst foltern sie uns wieder.» Das ehemalige Birma verweigert der muslimischen Minderheit seit Jahrzehnten die Staatsbürgerschaft sowie Grundrechte wie den Zugang zu Bildung und Medizin.

Das mehrheitlich buddhistische Land macht auch jetzt keine Anstalten, das zu ändern. Vielmehr sollen die Flüchtlinge bei ihrer Rückkehr «systematisch überprüft» werden. Vermutlich heißt das, sie sollen beweisen, dass sie aus Myanmar stammen. Das konnten viele schon vor ihrer Flucht nicht, weil sie als illegale Einwanderer aus dem überwiegend muslimischen Bangladesch betrachtet wurden und keine Ausweise bekamen - obwohl die meisten Familien seit Generationen in Myanmars westlichem Bundesstaat Rakhine lebten. Jetzt, nachdem ihre Habseligkeiten den Flammen ihrer brennenden Zuhause zum Opfer gefallen sind, können sie es erst recht nicht.

Shorika wohnt mit ihrer zehnköpfigen Familie in einem etwa acht Quadratmeter großen, mit Planen abgetrennten Teil einer der unzähligen behelfsmäßigen Hütten in Kutupalong. Hier lebt ein Großteil der mehr als 620.000 Menschen, die in den vergangenen drei Monaten hierher geflohen sind. Das Camp vergrößert sich beständig und soll bald das größte Flüchtlingslager der Welt sein.

Als die Gewaltwelle Ende August losging, seien Soldaten abends in ihr Dorf gekommen, hätten zu schießen begonnen und Feuer gelegt, erzählt Shorika. Ihr Mann und ihr Bruder seien ermordet worden. «Wir sind zum Fluss gelaufen und haben uns darin versteckt», sagt sie. «Dabei sind viele kleine Kinder und alte Leute ertrunken.»

Shorikas Augen verraten eine Mischung aus Wut und Leere. Ihr fünfjähriger Sohn hat Durchfall und Fieber, erzählt sie. Das einzige Medikament, das sie für ihn auftreiben konnte, war etwas Paracetamol. Zu essen gibt es nur Reis. In Bangladesch wolle sie aber auch nicht bleiben, sagt Shorika. «Das ist nicht meine Heimat.»

An einer anderen Ecke des Lagers - an einem steilen Abhang aus Erde, der in der kürzlich zu Ende gegangenen Monsunzeit ein reißender Bach aus Schlamm gewesen sein muss - lebt in einer weiteren Hütte aus Bambusstangen und Planen Abdus Salam mit seiner Frau. Er sei mehr als 100 Jahre alt und nun zum vierten Mal als Flüchtling nach Bangladesch gekommen, sagt der erblindete Greis.

Er sitzt gekrümmt auf dem mit einer Kunststoffmatte ausgelegten Boden. Das einzige Möbelstück ist ein kleiner Metallständer, auf dem ein Koran liegt. Seine Wirbelsäule sei kaputt, meint Salam. «Soldaten haben mich verprügelt, weil ich nicht mehr arbeiten konnte.» Er hatte Lasten Berge hinauf geschleppt, das aber nicht mehr geschafft, wie seine Frau erklärt.

Über der Plastikplane, die als Wand zwischen den «Räumen» der Hütte dient, lugt der Kopf der Tochter des Paares hervor. Ihr Mann sei auf der Flucht von birmanischen Grenzwächtern mit Macheten zu Tode gehackt worden, erzählt sie, ohne Emotionen zu zeigen.

Salam hat nicht mehr viel, aber eine Seltenheit befindet sich in seinem Besitz: ein Papierausweis mit verblichenen birmanischen Schriftzeichen, der ihn als Bürger Myanmars identifiziert. Er habe ihn versteckt, als den Rohingya die Ausweise wieder abgenommen worden seien, erklärt er. Ihn nutzen, um noch einmal zurückzukehren, will er nicht mehr. Zu schlimm sei es für die Rohingya in Myanmar geworden.

Wenige Kilometer entfernt liegt ein weiteres Lager mit einigen Dutzend Hütten, das erst seit einem Monat existiert. Man merkt, dass hier, anders als in Kutupalong, Planung dahintersteckt. Männer entladen aus einem Wagen Betonringe für Latrinen. Hier entsteht etwas, das offenbar mehr als nur kurze Zeit Bestand haben soll. Trotz der Pläne für eine Rückführung der Flüchtlinge scheint die bangladeschische Regierung hier der Realität ins Auge zu sehen.

Der Ansturm ist langsamer geworden, aber es kommen immer noch neue Flüchtlinge. Manche der Bewohner hier sind erst in den vergangenen paar Wochen angekommen, darunter das Ehepaar Noor Alam und Kusuma Hatun, 50 und 45 Jahre alt, und ihre Kinder. In ihrem Dorf in Rakhine hätten die Soldaten zwar kein Blutbad angerichtet, es sei aber eine Ausgangssperre verhängt worden. Wer sie verletzte, sei mitgenommen worden und verschwunden. Benachbarte Dörfer seien niedergebrannt. Aus Angst, dass auch ihnen dies widerfahre, seien sie geflohen.

Eine Rückkehr komme für sie nicht infrage, sagt Alam. Hoffnung auf eine glückliche Zukunft in Bangladesch mache er sich zwar nicht. «Aber wenn ich hier sterbe, werde ich wenigstens nach islamischen Riten begraben.» Was den Papst angeht: «Nie gehört.»

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