Ringen um den Brexit-Deal

Premier Johnson bei Macron

Foto: epa/Yann Coatsaliou
Foto: epa/Yann Coatsaliou

PARIS (dpa) - Berlin und London haben im Streit über den britischen EU-Austritt Gesprächsbereitschaft signalisiert - jetzt trifft der britische Premierminister den französischen Präsidenten. In der Sache stoßen seine Forderungen bei der EU bislang auf Ablehnung.

Nach seinem Antrittsbesuch bei Bundeskanzlerin Angela Merkel wirbt der britische Premierminister Boris Johnson am Donnerstag in Frankreich für seinen Brexit-Kurs. Johnson will Änderungen am EU-Austrittsabkommen mit Brüssel erreichen - ist damit bislang aber auf Ablehnung gestoßen. Merkel und er signalisierten am Mittwoch in Berlin beide Gesprächsbereitschaft, blieben aber in der Sache hart. Merkel verbreitete dennoch die Hoffnung, dass innerhalb der nächsten 30 Tage auch im zentralen Streitpunkt Irland eine Lösung gefunden werden könnte. Johnson stimmte dem zu.

Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron erwartet Johnson in Paris zu einem Mittagessen. Neben dem britischen EU-Austritt sollen der G7-Gipfel, der am Samstag im französischen Badeort Biarritz beginnt, die Irankrise und der Syrienkonflikt auf der Agenda stehen.

Johnson hat sich verpflichtet, Großbritannien am 31. Oktober aus der EU zu führen - mit oder ohne Abkommen. In einem Brief an EU-Ratschef Donald Tusk hatte Johnson offiziell die Streichung der von der EU verlangten Garantieklausel für eine offene Grenze in Irland gefordert. Anstelle dieses sogenannten Backstops stellte er andere «Verpflichtungen» Großbritanniens in Aussicht. Was damit gemeint ist, ließ er offen.

Frankreich sieht einen ungeregelten Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union - also einen Brexit ohne Abkommen - inzwischen als sehr wahrscheinlich an. «Heute ist das zentrale Szenario des Brexits das eines No-Deals», hieß es nach Angaben der französischen Nachrichtenagentur AFP am Mittwoch vom Pariser Präsidialamt.

Johnson betonte am Mittwoch in Berlin erneut: «Der Backstop weist große, große Mängel auf für ein souveränes, demokratisches Land wie das Vereinigte Königreich. Er muss einfach gestrichen werden.» Auch Großbritannien wolle einen «verhandelten Austritt» aus der EU und keinen ungeregelten Brexit. «Wir schaffen das», fügte er auf Deutsch in Anspielung auf einen Satz Merkels in der Flüchtlingskrise hinzu.

Merkel ihrerseits wies darauf hin, dass der Backstop nur als Übergangsregel für die nicht endgültig gelöste Irland-Frage gedacht sei. Man sei bislang davon ausgegangen, eine endgültige Lösung in den nächsten zwei Jahren zu finden. «Aber man kann sie vielleicht ja auch in den nächsten 30 Tagen finden. Warum nicht? Dann sind wir ein ganzes Stück weiter», sagte sie. Merkel deutete weiter an, dass die Grenzkontrollen zwischen Nordirland und Irland überflüssig würden und die Integrität des Binnenmarktes gewahrt werden könne, wenn klar sei, wie die künftige Beziehung zwischen Großbritannien und der EU aussehen.

Doch das ist nur denkbar, wenn London sich für eine enge Partnerschaft mit Brüssel in der Zukunft entscheidet. Genau das will Johnson aber unbedingt verhindern. Deshalb besteht er darauf, dass der Backstop weg muss. Ihm schwebt ein Freihandelsabkommen mit der EU nach dem Vorbild Kanadas vor. Damit wären Grenzkontrollen an der irisch-irischen Grenze aus Brüsseler Sicht unvermeidbar.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron gilt im Poker um den britischen EU-Austritt als Hardliner. Er sprach sich mehrfach gegen einen langen Aufschub des Brexits aus. Macron hätte schon die letzte Fristverlängerung fast blockiert. Die Europäische Union könne nicht dauerhaft «Geisel» einer politischen Krisenlösung in Großbritannien sein, hatte er im Frühjahr erklärt. Er ließ damals bei den Verhandlungen im Brüssel die Option des Chaos-Brexits bis zuletzt auf dem Tisch.

Damit hatte der französische Staatschef die Runde in Brüssel ziemlich verärgert. Vor allem Bundeskanzlerin Merkel hatte sich damals auf die Fahne geschrieben, dem Ziel eines geordneten Brexits alle anderen Interessen unterzuordnen. Letztlich hatte Macron die Fristverlängerung zwar zähneknirschend akzeptiert - er will aber keine Veränderungen am vereinbarten Austrittsvertrag hinnehmen.

Dabei hätte ein No-Deal-Brexit auch für Frankreich heftige Auswirkungen. Die französische Hafenstadt Calais ist der wichtigste Zugang zum Vereinten Königreich. Der keine 40 Kilometer breite Ärmelkanal zwischen Dover und Calais ist mit seinen Fähren und dem nahe gelegenen Eurotunnel Verkehrsknotenpunkt.

Kommt es zu einem Brexit ohne Abkommen, dann liegt die Außengrenze der EU auch im Hafen von Calais. Es wären von einem Tag auf den anderen Zollkontrollen nötig. Die Region würde sich zu einem Nadelöhr entwickeln. Gerechnet wird mit Megastaus. Frankreich hat bereits mehrere Millionen Euro in die Infrastruktur des wichtigen Hafens investiert, um ihn für einen No-Deal-Brexit zu rüsten. Neue Zollbeamte wurden eingestellt und riesige Parkplätze für Lkw ohne Papiere gebaut.

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Leserkommentare

Vom 10. bis 21. April schließen wir über die Songkranfeiertage die Kommentarfunktion und wünschen allen Ihnen ein schönes Songkran-Festival.

Ingo Kerp 23.08.19 13:21
Die Betteltour vom strubbeligen Johnson hat dann nichts gebracht.