Rijeka und Galway feiern sich als Europäische Kulturhauptstädte

Foto: epa/Antonio Bat
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RIJEKA/GALWAY (dpa) - Das ehemalige irische Fischerdorf Galway und die frühere Industriemetropole Rijeka an der kroatischen Adria haben einen gewaltigen Wandel durchgemacht. Nun sind beide Europas Kulturhauptstädte und haben sich viel vorgenommen.

Mit Groß-Events, Pop-Konzerten und Partys haben sich die kroatische Adria-Stadt Rijeka und Galway an der rauen Westküste Irlands als neue Europäische Kulturhauptstädte gefeiert. Ein Jahr lang wollen die beiden Küstenstädte an den entgegengesetzten Enden des Kontinents mit Tausenden Programmen internationale Aufmerksamkeit auf sich ziehen. In strukturschwachen Regionen gelegen möchten sie darüber hinaus Ideen für die Gestaltung des post-industriellen Zeitalters entwickeln.

Fulminant ging die ehemalige Fabriks- und Werftenmetropole Rijeka ins am Samstagabend Kulturhauptstadt-Jahr. Mehr als 200 Mitwirkende gestalteten zur feierlichen Eröffnung die «Opera Industriale», eine Komposition der Kroaten Josip Marsic und Zoran Medved. Das Werk erweckte den Sound der Industrie, die einst Rijeka groß gemacht hatte, und erinnerte an den rebellischen Punk-Rock, für den die Stadt im ehemaligen Jugoslawien bekannt war.

Orchester, wilde Sprechchöre, zwei Dutzend E-Gitarristen, zehn Trommler, Dampfhämmer, Schneidbrenner und Hunderte Zuschauer, die Kuhglocken in die Hand gedrückt bekamen, erzeugten eine beeindruckende Klangkulisse. Tänzer des städtischen Theaters mimten Werftarbeiter. Die Funken der Schneidbrenner ließen einen mächtigen Hafenkran wie einen brennenden Baum erscheinen. Vor dem abschließenden Feuerwerk ertönte das alte Partisanenlied «Bella Ciao» in einer fetzigen Punk-Version.

Die Partisanen waren Widerstandskämpfer gegen die Nazi-Besatzer im Zweiten Weltkrieg. Die 130.000-Einwohner-Stadt Rijeka ist stolz auf ihre antifaschistische Tradition. Im Kulturhauptstadt-Jahr will sie sich als weltoffene und tolerante Metropole präsentieren. Unter dem Motto «Hafen der Vielfalt» sind mehr als 300 Programme mit mehr als 600 Events geplant. Sie gruppieren sich um die Themen Wasser, Arbeit und Migration, die den Ort seit Jahrhunderten prägen.

2.000 Kilometer Luftlinie entfernt widmete der britische Popsänger Ed Sheeran dem ehemaligen irischen Fischerdorf Galway mit den bunten Häusern eine folkloristisch angehauchte Hymne: den Liebes-Song «Galway Girl» über ein Mädchen, das in einer irischen Band Geige spielt. Das Lied stürmte binnen kurzer Zeit die Charts.

Bei den Eröffnungsfeiern mit Gauklern, Tänzern und Freudenfeuern lässt man sich Zeit. Sie finden bis zum 7. Februar an mehreren Orten statt und orientieren sich am keltischen Kalender. Galways Programm steht unter dem Motto «Let the Magic In» («Lass' den Zauber rein»).

In Galway widmen sich fast 2.000 Veranstaltungen den Themen Sprache, Landschaft und Migration. Das ehemalige Fischerdorf hat sich in den vergangenen Jahrzehnten zu einer vor allem bei Studenten beliebten Stadt mit 80.000 Einwohnern gemausert. Sie gilt als Hochburg der traditionellen irischen Musik und ist für ihre Kunstszene bekannt.

Zu den vielfältigen Angeboten zählt eine Interpretation eines uralten literarischen Epos, der Geschichte von Gilgamesch. Eine Installation namens «Borderline» (Grenzlinie) soll an den gerade vollzogenen Brexit erinnern. Galway liegt nur 160 Kilometer von der Grenze zum britischen Nordirland entfernt. Und am Nationalfeiertag St. Patrick's Day werden am 17. März die Connemara-Berge in Grün erstrahlen.

Auch an Humor mangelt es den Veranstaltern nicht. Workshops über Schafswolle sind nach dem Blöken der Tiere benannt: «Projekt Baa Baa». Wer genervt ist vom Regen in Westirland, dem wird das Angebot «Hoffentlich regnet es» mit Wind-Installationen und Spielen bei schlechtem Wetter empfohlen. «Galway ist wie Barcelona mit Regen, denn hier regnet es 240 Tage im Jahr», sagte Kreativdirektorin Helen Marriage. Für sie ist es dennoch der außergewöhnlichste Ort, am Ende Europas mit Blick auf den Atlantik: «Amerika ist der nächste Stopp.»

Die Kulturhauptstadt Europas ist eine Initiative der Europäischen Union. Jedes Jahr werden zwei Städte ernannt - zumeist eine aus den alten EU-Staaten und eine aus den neuen. In Deutschland war zuletzt Essen mit dem Ruhrgebiet (2010) Europäische Kulturhauptstadt. Das nächste Mal ist Deutschland im Jahr 2025 dran. In die engere Auswahl sind bereits Chemnitz, Hannover, Hildesheim, Magdeburg und Nürnberg gekommen. Die zweite Kulturhauptstadt 2025 stellt Slowenien.

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