Richtungsentscheidung in Südafrika

Südafrikas Präsident Jacob Zuma. Foto: epa/Fred Dufour / POOL
Südafrikas Präsident Jacob Zuma. Foto: epa/Fred Dufour / POOL

JOHANNESBURG (dpa) - Südafrika steht vor einer der wichtigsten politischen Entscheidungen seit der Überwindung des rassistischen Apartheid-Regimes vor gut 20 Jahren. Die Regierungspartei ANC wählt am Wochenende ihren neuen Vorsitzenden, der dann auch der Kandidat für die Präsidentschaftswahl 2019 sein wird. Die Delegierten müssen sich nach den von Korruptionsvorwürfen überschatteten Jahren unter Präsident Jacob Zuma entscheiden zwischen Vetternwirtschaft oder Neuanfang - so spitzen es manche politische Kommentatoren zu.

Es gibt zwei klare Favoriten, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Auf der einen Seite steht die leutselige Ex-Frau des gegenwärtigen Staatschefs Jacob Zuma, die frühere Chefin der Kommission der Afrikanischen Union, Nkosazana Dlamini-Zuma. Auf der anderen Seite der eher distanzierte und als wirtschaftsfreundlich geltende Vizepräsidenten Cyril Ramaphosa. Dlamini-Zuma wird von ihrem Ex-Mann unterstützt und kann sich auf dessen Machtbasis in der südlichen Provinz KwaZulu-Natal verlassen, Ramaphosa hingegen hat Gewerkschaften und liberalere Parteimitglieder hinter sich.

«Es könnte bei der Wahl der ANC-Führung nicht mehr auf dem Spiel stehen», erklärt Afrika-Analyst Ben Payton von der Risikoberatung Verisk Maplecroft. Der Parteitag soll von Samstag bis Dienstag dauern, die Wahl der Führung steht voraussichtlich am Sonntag auf dem Plan. Die Zusammenkunft der Delegierten ist jedoch mehr als nur ein Parteitag: Trotz Siegen der Opposition bei Kommunalwahlen im vergangenen Jahr, ist dem ANC eine Mehrheit bei der Präsidentschaftswahl sicher. Die Entscheidung, in welche Richtung sich das Land bewegen wird, fällt also den Delegierten zu. Nach vorbereitenden Abstimmungen in den Provinzen galt Ramaphosa mit knappem Vorsprung als Favorit für den Parteivorsitz.

Südafrika ist der am meisten entwickelte Staat des Kontinents, doch die krasse Kluft zwischen Arm und Reich, eine Arbeitslosenquote von 28 Prozent und anhaltende Korruptionsenthüllungen sorgen für großen Unmut im Land. «Der ANC ist zum Gesicht der Korruption verkommen», erklärt der politische Analyst Aubrey Matshiqi. Die Menschen sehnten sich nun nach Veränderung. Der ANC sei immer noch die Partei der Befreier, einst stolz geführt vom Anti-Apartheid-Kämpfer Nelson Mandela, doch heute habe «der ANC seine moralische Autorität komplett verloren», so Matshiqi.

Ramaphosa (65) wurde vom Apartheidstaat schon als Student zwei mal jeweils mehrere Monate eingesperrt. In den 1980er Jahren wurde der Jurist einer der führenden Gewerkschaftler des Landes, 1991 wurde er unter dem aus der Haft freigelassenen Mandela Generalsekretär des ANC. In den Folgejahren war er federführend an den Verhandlungen zum Machtwechsel mit der weißen Regierung beteiligt. 1997 ging er in die Wirtschaft - und wurde unter anderem mit Investments im Bergbausektor Multimillionär.

2012 fiel er politisch in Ungnade, da ihm als Aufsichtsrat einer Bergbaufirma eine Mitverantwortung für die Erschießung von rund 30 streikenden Arbeitern der Marikana-Mine zur Last gelegt wurde. Doch Ramaphosa kehrte in die Politik zurück und wurde 2014 Zumas Vize. Sollte Ramaphosa nun den Parteivorsitz gewinnen, wäre er noch ein gutes Jahr der zweite Mann hinter Präsident Zuma - ein Patentrezept für Konflikte. Investoren hoffen auf einen Sieg des Pragmatikers, auch wenn «politische Hindernisse es ihm erschweren werden, die morose Wirtschaft wiederzubeleben», erklärt Payton.

Dlamini-Zuma (68) hingegen ist der Schreck der Investoren. Sie wirbt offen für eine «radikale Transformation der Wirtschaft». Dahinter verbirgt sich der politische Wille die schwarze Bevölkerungsmehrheit besserzustellen - zu Lasten der immer noch sehr wohlhabenden weißen Minderheit des Landes. Kritiker unterstellen ihr jedoch, vor allem ihre Parteifreunde bereichern zu wollen. Zudem wird ihr vorgeworfen, dass ihre Kandidatur nur dazu dienen soll, ihren Ex-Mann vor Strafverfolgung zu schützen.

Doch das tut ihr sicher unrecht: Dlamini-Zuma ist seit Jahrzehnten politisch aktiv. Die studierte Ärztin war in Mandelas erstem Kabinett Gesundheitsministerin. Damals wurde ihr vorgeworfen, die verheerende Aids-Epidemie verschlafen oder gar verleugnet zu haben. 1998 ließ sie sich von Zuma scheiden, mit dem sie vier Kinder hat. Ab 1999 leitete sie das Außenministerium, dann wurde sie Innenministerin. 2012 verhalf ihr Zuma dann zum Job an der Spitze der Kommission der Afrikanischen Union. Dort konnte sie kaum Erfolge verbuchen, hat aber auch keine riesigen Fehler gemacht.

Dlamini-Zuma besticht nicht durch Charisma, und ihre enge Verbindung mit Zuma würde dem ANC wohl schaden. Doch 2014 gewann der ANC noch 62,5 Prozent der Stimmen. Experten gehen daher davon aus, dass der oder die nächste Parteivorsitzende 2019 auch Staatschef wird.

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