Gnadenhof gibt Bären ein zweites Leben

​«Richtig Bär sein»

Bären stehen im Gnadenhof für Bären in Bad Füssing. Foto: Uwe Lein/dpa
Bären stehen im Gnadenhof für Bären in Bad Füssing. Foto: Uwe Lein/dpa

BAD FÜSSING: Zirkusbären, Tanzbären und Bären aus schlechter Privathaltung haben im Gnadenhof im niederbayerischen Bad Füssing ein Zuhause gefunden. Die Betreiber wollen nun Bärin JJ4 aus dem Trentino aufnehmen. Wie es mit dem Tier weitergeht, entscheidet ein Gericht.

Mitten in der grünen Idylle Niederbayerns liegt ein streng gesichertes Areal mit einem wuchtigen Gittertor. Dahinter befindet sich ein sogenannter Gnadenhof für Bären. 14 Tiere haben hier in Bad Füssing (Landkreis Passau) ein neues Zuhause gefunden, nachdem sie aus mehreren europäischen Ländern aus der Gefangenschaft befreit worden waren. Jetzt hat Bärin Gaia (JJ4) aus dem Trentino diesem Ort mediale Aufmerksamkeit beschert. Der Gnadenhof will das Tier, das Anfang April offiziellen Angaben zufolge einen Jogger tötete, aufnehmen.

Betrieben wird der Gnadenhof vom Münchner Verein Gewerkschaft für Tiere. Dessen Vorsitzender Arpád von Gaál hat beim Verwaltungsgericht in Trient eine Absichtserklärung eingereicht. Am 25. Mai soll es dort eine Anhörung geben und anschließend über Gaias Schicksal entschieden werden. Die Bärin war nach dem Tod des Joggers eingefangen worden. Die Provinz Trentino hat bereits zweimal ihre Tötung angeordnet, beide Male wurde dies vom Gericht einkassiert.

Würde Gaia nach Bad Füssing gebracht werden, müsste sie erst sechs Wochen in Quarantäne verbringen, erklärt Christoph Denk, einer der Tierpfleger im Gnadenhof. Danach würde sie allein in einem Eingewöhnungsgehege untergebracht. Sollte sie Sympathie mit anderen Bären entwickeln, könnte Gaia zu einem von ihnen ziehen. «Das merkt man am Blickkontakt», sagt Denk. Gaia wäre das erste Tier aus freier Natur, das auf dem Hof eine Bleibe fände. Die anderen Bären stammen aus Gefangenschaft mit schlechter Haltung.

Die Idee einer Bären-Rettungsstation hatte der inzwischen gestorbene Münchner Anwalt und TV-Moderator Andreas Grasmüller. Er gründete 1993 die Gewerkschaft für Tiere, die mit einem Nutztier-Gnadenhof in Germering begann. Als Grasmüller einen Zirkusbären mit Nasenring gesehen habe, der auf heißem Teer habe laufen müssen, sei der Gnadenhof für Bären hinzugekommen, erzählt der Tierpfleger. Mit dem Kauf des ehemaligen Bundeswehrgeländes in Bad Füssing 2004 ging es los, wenige Jahre später zog die erste Bärin Franzi ein. Spezielle Elektrozäune wurden errichtet und die alten Munitionsbunker als Winterquartier gestaltet. Der Gnadenhof wird von Spenden finanziert.

7000 Quadratmeter pro Bär

Die geretteten Tier-Geschwister Aurora und Ledia beispielsweise hätten in Albanien in einem nur neun Quadratmeter großen Käfig mit Betonboden leben müssen. Im Gnadenhof dagegen habe jeder Bär etwa 7000 Quadratmeter zur Verfügung. Da könnten sie wieder «richtig Bär sein», meint Denk. Allerdings könnte ein Bär, der in freier Natur gelebt habe, auch dies als klein empfinden und sogenanntes stereotypes Verhalten entwickeln. Damit ist zum Beispiel ständiges Kreislaufen oder Kopfwiegen gemeint. Unterbeschäftigung und Platzmangel seien für Bären besonders schlimm, sagt Denk.

Die Tiere im Gnadenhof hatten alle kein einfaches Vorleben. Tibor stammt aus Spanien. Dass er ein Zirkusbär war, erkennt man daran, dass er oft auf zwei Beinen steht. Bärin Laima aus Litauen lebte jahrelang nahe einem Hotel samt Restaurant in einem Gitterkäfig. Zur Belustigung der Gäste sei sie mit Bier übergossen und mit in Schnaps getränkten Brötchen gefüttert worden. In Bad Füssing hat sie sich mit dem Bären Ben angefreundet. Das ist den Angaben nach der letzte Zirkusbär Deutschlands. Er sei vom Landratsamt Deggendorf beschlagnahmt und 2016 in den Gnadenhof gebracht worden.

Gefährlich werden könnten Bären in freier Natur insbesondere dann, wenn sie Jungtiere haben, sagt Denk. Menschen müssten wieder lernen, achtsam im Freien unterwegs zu sein und «nicht mit Kopfhörern in Gedanken versunken». In Gebieten, in denen es viele Bären gibt, wäre es vielleicht besser, das Revier der Natur zu überlassen, überlegt der Tierpfleger. «Der Mensch versucht immer, alles zu kontrollieren.»

Zum typischen Verhalten eines Bären in freier Natur schreibt das bayerische Landesamt für Umwelt (LfU), die Tiere seien in der Regel vorsichtig und wichen Menschen aus. Siedlungen nähere sich ein Bär vor allem dann, wenn er gelernt habe, dass er dort Futter findet. Deswegen sollten Menschen im Freien keine Essensreste zurücklassen. Bei einer Begegnung mit einem Bären sei es wichtig, Ruhe zu bewahren.

Bären lieben Obst und Honig

Bären wie Gaia ernähren sich überwiegend vegetarisch, besonders gerne mögen sie Obst. Und Honig lieben sie, wie Denk sagt. In der Auffangstation mache Fleisch bei der Fütterung etwa 20 Prozent aus. Ein Schaf würde der Bär dann fressen, wenn er es leicht erbeuten kann.

Der Gnadenhof hat laut Denk eine Kapazität für 17 Tiere. Ob Gaia dort einziehen wird, ist offen. Arpád von Gaál hat nach wie vor Interesse daran, die Bärin aufzunehmen. Nun müsse erst die Gerichtsentscheidung in Trient abgewartet und anschließend gegebenenfalls beim Landratsamt in Passau ein Antrag für die Unterbringung gestellt werden.

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