Reus wird «Fußballer des Jahres

Foto: epa/Armando Babani
Foto: epa/Armando Babani

BAD RAGAZ (dpa) - Er gilt als einer der größten Pechvögel und Ausnahmekönner im deutschen Fußball. «Ich habe alle Höhen und Tiefen durchlebt», bekannte Marco Reus nach seiner Wahl zum «Fußballer des Jahres». Mit dem BVB hat er noch viel vor.

Marco Reus machte aus seinem Stolz keinen Hehl. Mit einem Dauerlächeln meisterte er nach seiner Wahl zum «Fußballer des Jahres» den Interviewmarathon im noblen Trainingsquartier von Bad Ragaz. «Das berührt mich. Es ist die größte Auszeichnung, die ein deutscher Sportler in Deutschland erreichen kann. Das zum zweiten Mal mit zwei verschiedenen Clubs zu schaffen, ist eine große Anerkennung», kommentierte der Nationalspieler das Votum der Sportjournalisten, die ihn mit großem Vorsprung auf den Leverkusener Kai Havertz an die Spitze der nationalen Rangliste gesetzt haben.

Trotz frustrierender Erinnerungen an die WM in Russland und des erfolglosen Schlussakts in der Bundesliga geht Reus als großer Sieger aus einer für ihn eigentlich enttäuschenden Saison hervor. Zum zweiten Mal nach 2012 im Gladbacher Trikot gewann der Kapitän von Borussia Dortmund die Wahl. Und das, obwohl er sich nach einem Kreuzbandriss 2017 erst wieder seinem alten Niveau annähern musste: «Wenn ich gesund bin und ich mich wohl fühle, kann ich jeder Mannschaft helfen.»

Reus weiß diese Wahl mehr zu schätzen als vor sieben Jahren. «Ich bin mittlerweile 30 - und werde diese Auszeichnung vielleicht nicht mehr so oft erhalten. Es ist schöner, als es damals war, ein anderes Gefühl», sagte er dem «Kicker» (Montag). Mit dem Alter steigt nach seinem Empfinden die Genussfähigkeit: «Wenn man als Spieler vielleicht nur noch drei, vier Jahre vor sich hat, feiert man jeden Titel etwas emotionaler als vorher und genießt das Ganze mehr.» Zumal, wenn man so viele Tiefschläge verkraften musste wie er.

Kaum ein Profi im deutschen Fußball hat die Höhen und Tiefen einer Karriere mehr kennengelernt als Reus. Schwere Verletzungen warfen ihn immer wieder zurück. Besonders schmerzlich war der Verzicht auf die Fußball-WM 2014 in Brasilien, wo die DFB-Auswahl ohne Reus den Titel gewann. Im letzten Testspiel vor dem Abflug kam das Aus. Zwei Jahre später wurde er zum Bedauern von Bundestrainer Joachim Löw wegen einer hartnäckigen Blessur aus dem Kader für die EM in Frankreich gestrichen.

Die Art und Weise, wie er sich immer wieder zurückkämpfte, trug zur wachsenden Popularität bei - und zum Glaube an die eigene Stärke. «Er hat wahnsinnig an Persönlichkeit gewonnen», beschrieb sein damaliger BVB-Trainer Thomas Tuchel vor zwei Jahren die Stehauf-Qualitäten des Ausnahmekönners.

Unter der Regie von Tuchel besiegte Reus als Pokalsieger von 2017 seinen Final-Fluch. Nach vier verlorenen Endspielen in der Champions League (2013) und im Pokal (2014/2015/2016) stand er im Ruf, «unvollendet» zu sein. Das Urteil von Weltmeister und Kolumnist Lothar Matthäus nach dem verlorenen Elfmeterschießen im Pokalfinale 2016 gegen die Bayern fiel hart aus: «Marco steht symbolisch für das Scheitern kurz vor dem großen Ziel.»

Es passt ins Bild einer wechselhaften Karriere, dass Reus beim lang ersehnten Triumph im Pokalendspiel gegen Eintracht Frankfurt einen Kreuzbandriss erlitt. Doch wie sooft gelang ihm auch diesmal ein fulminantes Comeback. In der vergangenen Saison hatte Reus als Kapitän maßgeblichen Anteil an der hervorragenden Hinrunde der Dortmunder. «Marco hat sich die Wahl zum 'Fußballer des Jahres' absolut verdient. Mit seinem Tempo, seiner Technik, seinen Überraschungsmomenten, seiner Kreativität und seinem Zug zum Tor ist er ein Spieler, der den Unterschied machen kann. Marco ist sehr gereift, hat dabei seinen Esprit und seine Frische aber nicht verloren», urteilte Bundestrainer Joachim Löw.

Längst ist Reus zum Gesicht von Borussia Dortmund geworden. Kein Autogramm ist gefragter als das des in der Revierstadt geborenen Tempofußballers. Logisch, dass er seit vergangenem Sommer die Kapitänsbinde trägt. Über die Jahre ist er nach eigener Einschätzung in diese Rolle hinein gewachsen: «Es war eine Ehre für mich, das Team als Dortmunder Junge auf das Feld zu führen.» Es spricht für seine dazugewonnene Reife, dass er dieses Amt als Verpflichtung begreift: «Man muss ein Vorbild sein, weil man den Verein weltweit repräsentiert.»

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jaagen chon 29.07.19 21:17
Loser werden geehrt.
Das ist Deutschland, - immer in entscheidenden Momenten versagen, aber trotzdem wird man Fussballer des Jahres.
Wie unsere Politiker, - nichts erreicht, aber wieder gewählt.