Prinz Harry erneut im Zeugenstand

​Reformer oder gescheiterter Royal? 

Prinz Harry (C) kommt vor dem High Court in London an. Foto: epa/Tolga Akmen
Prinz Harry (C) kommt vor dem High Court in London an. Foto: epa/Tolga Akmen

LONDON: Ob Prinz Harry beim Prozess gegen den «Mirror»-Verlag tatsächlich nachweisen kann, dass er mit illegalen Methoden bespitzelt wurde, scheint ungewiss. Dem jüngeren Sohn von König Charles III. geht es in seinem Feldzug gegen die britische Boulevardpresse aber ums Prinzip.

Der britische Prinz Harry (38) stellt sich im Bespitzelungsprozess gegen den «Mirror»-Verlag MGN am Mittwoch erneut dem Kreuzverhör durch den Anwalt der Gegenseite. Am Dienstag hatte der Royal bereits knapp fünf Stunden lang Rede und Antwort gestanden.

Anhand von 33 Presseartikeln der Blätter «Daily Mirror», «Sunday Mirror» und «People» aus den Jahren 1996 bis 2009 will Prinz Harry zeigen, dass illegal beschaffte Informationen bei der Berichterstattung über ihn verwendet wurden. Beispielsweise durch das Abhören von Mailbox-Nachrichten seines Handys, wie er vermutet. Es geht dabei etwa um Inhalte aus Gesprächen mit seinen Eltern, Feiern, Pläne für die Zukunft und die Beziehung zu seiner Ex-Freundin Chelsy Davy. Die mutmaßliche Bespitzelung habe ihm schweres seelisches Leid zugefügt, Freundschaften und Beziehungen belastet, klagt Harry.

Dass bei den Blättern des «Mirror»- Verlags illegale Informationsbeschaffung gang und gäbe war, ist unumstritten. Doch ob Harry das im Einzelfall belegen kann, blieb zunächst offen. MGN-Anwalt Andrew Green säte bereits am ersten Tag der Befragung Zweifel daran, beispielsweise indem er aufzeigte, wie andere Medien teils früher über dieselben Sachverhalte berichteten. Und er stellte die Glaubwürdigkeit des Prinzen infrage: Kann sich Harry überhaupt erinnern, die einzelnen Presseartikel gelesen zu haben? Nein? Wie konnten sie ihn dann emotional belasten? Hat er seine schriftliche Zeugenaussage selbst verfasst? Green gilt als Meister darin, Zeugen in Widersprüche zu verwickeln.

Der Prinz hielt dem entgegen, dass die illegalen Praktiken längst bei anderen Opfern nachgewiesen wurden, dass Spuren systematisch verwischt, und ihm die Berichte über selbst intime Details seines Lebens von Schulkameraden und Bekannten unter die Nase gerieben worden seien. Er wiederum hatte stets Freunde und Mitarbeiter im Verdacht, sie würden mit der in Großbritannien als «tabloid press» bezeichneten Boulevardpresse kooperieren. Er sei «paranoid» gewesen. Beziehungen mit Frauen seien geradezu sabotiert worden.

Doch in akribischer Weise zeigte Green am Dienstag auf, dass die Quelle der Artikel oft andere Boulevardmedien waren - manchmal auch der Palast, oder sogar Harry selbst. Beinahe mitleidig stellte MGN-Anwalt Green fest: «Jeder hat riesiges Mitgefühl mit Ihnen angesichts der Übergriffe der Presse, die Sie in ihrem Leben erdulden mussten, aber daraus folgt nicht, dass sie gesetzeswidrig waren».

Doch Harry, das geht aus der am Dienstag veröffentlichten schriftlichen Zeugenaussage hervor, will mehr als nur seine eigene leidvolle Erfahrung mit der Boulevardpresse aufarbeiten. «Unser Land wird weltweit am Zustand unserer Presse und unserer Regierung beurteilt - die beide, wie ich finde, auf einem Tiefpunkt angelangt sind», schrieb er darin. Die Presse werde ihrem Auftrag nicht mehr gerecht, die Regierung zur Rechenschaft zu ziehen, und gehe stattdessen mit dieser «ins Bett», damit alles so bleibe, wie es ist.

Für viele britische Kommentatoren ist das ein Schritt zu weit, denn die Royal Family hält sich traditionell aus der Politik heraus. Talkshow-Veteran Andrew Marr, der durchaus Verständnis für Harrys emotionale Verletztheit zeigt, fasste es so zusammen: «Wow, das ist Harry der Kämpfer, der sich mit radikal klingender, klarer Kante für das Anliegen der Reform einsetzt. Ich frage mich, wo das enden wird.» Für die Royal-Korrespondentin der konservativen Zeitung «Daily Telegraph», Camilla Tominey hingegen ist Harry ein Mann, der «an seiner Berühmtheit gescheitert ist» und dafür nun andere verantwortlich macht.

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