RECHTE FÜR FARANGS IN THAILAND ?

RECHTE FÜR FARANGS IN THAILAND ?

Als der Polizist vor fünf Jahren, nachdem ich unschuldig in einen Verkehrsunfall verwickelt wurde, zu mir sagte: "Wenn Sie in Deutschland geblieben wären, hätte es diesen Unfall nicht gegeben, und deshalb sind Sie schuld", da wurde auch mir schlagartig klar, dass ich als Ausländer in Thailand ständig einen heißen Tiger reite. Und das heißt: Es kann mich jederzeit erwischen.

Die befreundete Familie, die bei diesem Unfall mit mir im Auto saß und miterlebte, wie ich dem thailändischen Unfallverursacher und dem Polizisten den geforderten Betrag zahlen musste, reiste umgehend ab und weigert sich seitdem hartnäckig, dieses Land erneut zu besuchen. Und jedes Mal, wenn ich sie zu überreden versuche, hierher zu kommen, antworten sie: "Wie kannst Du dort nur leben, rechtlos, schutzlos, der Willkür der Beamten ausgesetzt?"

Nun, ganz so schlimm ist es nicht, aber mehr als ein Körnchen Wahrheit enthält diese Einschätzung schon. Jeder, der hier längere Zeit lebt und das Geschehen via Fernsehen oder Zeitung verfolgt, hat schon von furchtbaren, unfassbaren Übergriffen gehört, oder hat ähnliche Verstöße sogar am eigenen Leib erlebt: Polizisten, die Rauschgift in die Hotelzimmer von Farangs schmuggelten, um sie zu erpressen. Mafiöse Banden, die mit Hilfe ehemaliger Polizisten Gäste auf dem Flugplatz bedrohten und festhielten, weil sie angeblich gestohlen hatten. Polizisten, die für die Duldung pornographischer Shows regelmäßig Schutzgelder von den Betreibern der Sex-Bars kassierten – und das hält bis heute an, obwohl oder weil gerade deshalb eine Spezialeinheit gegen korrupte Polizeibeamte eingerichtet wurde.

Thailand ist auf der Korruptions-Indexliste weltweit auf Platz 84 abgerutscht, ein trauriger Rekord! Natürlich ist die Regierung sich dieses Problems bewusst. Sie weiß auch, dass spektakuläre Fälle weltweit für Aufsehen sorgen und nicht dazu beitragen, Touristen ins Land zu locken. Aber sie kämpft gegen eine neunköpfige Hydra: Für jeden abgeschlagenen Kopf wachsen der korrupten Schlange zwei neue. Und kein Herakles ist in Sicht.

Andererseits gilt Korruption seit jeher - nicht nur in Thailand - als hilfreiches Betriebssystem: Wer gegen Gesetze verstößt und schnell zahlt, erspart sich damit oft einen langwierigen Prozess, höhere Kosten oder gar Gefängnisstrafen.

Hilfreich: Vitamin B

Carlos kannte einen Österreicher, der vor Jahren im alkoholisierten Zustand einen Thai totgefahren hat. Mit Vitamin B (Beziehung) und der sofortigen Zahlung an die Polizei und die Hinterbliebenen wurde die Angelegenheit privat geregelt, bevor sie amtlich wurde.

Weniger Glück hatte sein Bekannter Somchai: Der zahlte einem falschen Mönch 20.000 Baht, der ihm dafür die Befreiung vom Militärdienst versprach. Leider tat der Mönch nichts, ebenso wenig wie der Rechtsanwalt, der eine größere Summe verlangte und angeblich vergeblich interveniert hatte. Somchai musste antreten, und das Geld war weg.

Korruption als Schmierseife

Immer wieder erweist sich Korruption als Schmierseife: Der Polizist, der uns auf dem Weg nach Sattahip anhielt, forderte 500 Baht. Wofür? "Zu schnell gefahren." Das war definitiv erfundener Quatsch, aber wir zahlten, um uns größeren Ärger und höhere Kosten zu ersparen, und weil wir wussten, dass sein Gehalt kaum ausreicht, um seine Familie zu ernähren. Farangs, die sich nicht immer ganz an die Gesetze des Landes halten, profitieren oder könnten von diesem eingespielten System profitieren, mit dem bestimmte Militärs, Beamte und Polizisten sich die Taschen füllen:

Gerhardt hatte wie jeden Dienstag zum Skatabend in seine Wohnung eingeladen. Der Einsatz war lächerlich gering. Plötzlich ein Poltern an der Tür. Sekunden später war die Tür eingetreten. Polizisten stürmten herein. Da er sich weigerte, die geforderte Strafe zu zahlen, wurden er und seine Mitspieler wie Kriminelle ins Polizeirevier transportiert. Die Polizei beschlagnahmte zwei Kartenspiele und 670 Baht. Dieser "Riesenerfolg" gegen die "Spielmafia" wurde von einem in Pattaya erscheinenden Blatt als großer Erfolg der Polizei gefeiert. Leider blieb der verräterische Nachbar anonym. Okay, Glücksspiele sind hier in Thailand aus gutem Grund verboten. Aber nach dem Motto: "Was verboten ist, das macht uns gerade scharf", wird wohl nirgends auf der Welt mehr gezockt und gewettet als hier, und die Einsätze übersteigen die finanziellen Möglichkeiten der Spieler oft um ein Vielfaches.

Die offiziell festgestellte Korruption hierzulande entspricht nicht unbedingt meinen privaten Beobachtungen. Polizisten, die früher Päderasten gerne laufen ließen, wenn die sich freikauften, werden immer seltener. Auch auf der Immigration fragt keiner mehr nach einer "Commission". Es tut sich etwas in diesem Land. Junge Polizisten werden nicht nur auf das Gesetz, sondern auch auf den König vereidigt, und der ist das Licht und die Hoffnung in diesem Land, das Ehrlichkeit, Sicherheit, Demokratie und die Gleichbehandlung aller Menschen auf seine Fahnen geschrieben hat – auch wenn diese Ziele noch lange nicht alle erreicht sind.

Carlos ist der Meinung, dass man hier als ausländischer Privatier gut leben kann, wenn man sich, so weit es eben geht, an die manchmal kaum nachvollziehbaren Gesetze und Verordnungen hält, aber eine Garantie, nicht in die Fänge von irgendwelchen Haien zu geraten, hat man hier deshalb trotzdem nicht.

Und niemand sollte vergessen: Es gibt für einen Farang kein Recht hier zu leben. Man ist allenfalls geduldet.

Das gilt für Carlos ebenso wie für Sie.

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