Rattenjagd

Essen ist Genuss und Lebensfreude.
Essen ist Genuss und Lebensfreude.

In der kalten Jahreszeit, also im Dezember und Januar, kann es im Isaan morgens sehr frisch sein. Man sieht dann überall hinter den Häusern kleine Feuer brennen, und die ganze Familie hockt im Kreis darum herum, um sich zu wärmen. Es ist ein malerischer Anblick, wenn man morgens um 6 Uhr – es ist um diese Jahreszeit noch dunkel - aus dem Haus tritt und sieht die um das Feuer hockenden Gruppen, alle mit Sarong und einer um den Oberkörper geschwungenen Decke oder einem grossen Handtuch bekleidet.

Eines morgens, als ich mir gerade eine Tasse Kaffee aufgebrüht habe und vor die Tür trete, um sie in der langsam herauskommenden und wärmenden Morgensonne zu geniessen, sitzen im Hof ein paar Jungen um solch ein Feuer und sind damit beschäftigt, etwas über dem Feuer zu rösten. Als ich neugierig dazu trete, um zu sehen was sie da treiben, sehe ich, dass sie dabei sind, ein paar fetten Ratten das Fell abzusengen. Als mir bei diesem Anblick fast der Morgenkaffe wieder hochkommt, bekomme ich erklärt, dass man nachts in den Feldern auf Rattenjagd war und jetzt dabei sei, die Beute zum Braten vorzubereiten.

Dem Farang, dem sich ob dieses Leckerbissens der Magen umdreht, muss man aber sagen, dass es sich hier nicht um unsere Unrat fressenden Kanalratten handelt, sondern um Feldratten, die sich ausschliesslich von Reis und anderen Feldfrüchten ernähren. Sie werden hier so gejagt wie bei uns die Kaninchen.

Tatsächlich sind Ratten im Isaan ein Leckerbissen und stellen eine willkommene Ergänzung der sonst sehr kargen Kost dar, die oft nur aus Reis, ein paar gerösteten Fischen und kleingestampften Curryschoten besteht. Wer selbst nachts keine Ratten jagen kann, der kann sie auch kaufen. Für 20 Baht, also etwa 1 DM.- bekommt man schon eine schöne fette Ratte; ein Spottpreis wenn man bedenkt, was bei uns ein Kaninchen kostet, das auch nicht viel grösser ist.

Ich lebe nun schon einige Jahre im Isaan und habe mir angewöhnt, alles so zu nehmen, wie es kommt und alles zu essen und zu trinken, was die anderen Leute auch zu sich nehmen, denn offensichtlich ist noch niemand daran gestorben. Wenn ich aber morgens den grossen Familienkühlschrank aufmache und eine direkt neben meiner Butter liegende fette, tote Ratte starrt mich mit ihren gebrochenen Augen an, dann vergeht mir der Appetit. Ich habe mir also einen Extra-Kühlschrank nur für meine Vorräte gekauft, der nicht nur für tote Ratten gesperrt ist, sondern auch für den Zugriff der ganzen Familie.

Plah La

Wenn in der Regenzeit manchmal gewaltige Gewittergüsse herunterströmen und die Felder überfluten, stehen am Morgen nach der Sintflut Frauen und Kinder bis zur Brust im Wasser vor Bach- und Strassendurchlässen, durch die das in den Feldern aufgestaute Wasser abströmt. In vorgespannten Netzen fangen sich dann eimerweise kleine Fische von Fingergrösse. Die Fische werden zu Hause in grosse Steinguttöpfe gepackt, dann abgedeckt und weggestellt. Nach einem Monat ist der gesamte Inhalt verfault und bildet eine, gelinde ausgedrückt, streng riechende Masse, die als Pla Lah unentbehrlicher Bestandteil des Isaan-Nationalgerichts Som-Tam ist. Wenn man im Isaan über einen Markt geht, merkt man schon am Gestank, dass man sich einem Stand nähert, wo Pla Lah verkauft wird. Nun ist allerdings die Auffassung, was wir noch als genussfähig halten, sehr relativ. Als ich mir einmal im Supermarkt einen schon etwas reifen Camembert gekauft hatte und ihn abends aus dem Kühlschrank holen wollte, um mir ein leckeres Käsebrot zu machen, war der Camembert verschwunden. Auf meine Frage, wo das kostbare Stück geblieben sei, sagte meine Frau, dass sie morgens den Kühlschrank saubergemacht und dabei das stinkende Etwas weggeworfen habe, da man so etwas Verfaultes doch nicht mehr essen könne.

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